SPD Nesselwang: Wo der Kanzler bei Kaffee und Kuchen im Garten saß
Stefan Klauser
„Es war wirklich beeindruckend und sehr entspannt“, berichtet Max Roth vom SPD-Ortsverein Nesselwang. In dessen Garten waren Anfang August an einem sonnigen Freitagnachmittag Bundeskanzler Olaf Scholz und dessen Frau Britta Ernst, Bildungsministerin in Brandenburg, bei Kaffee und Kuchen zu Gast. Dass es dazu kam, hängt zum einen damit zusammen, dass der Ortsverein in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert. Damals, im Jahr 1972, seien sie deswegen im Ort noch als Kommunisten beschimpft worden, berichtete Gründungsmitglied Anton Haff beim Treffen mit dem Kanzler.
Abmachung vor der Bundestagswahl
Zum anderen verbrachten Scholz und Ernst schon zum zweiten Mal ihren Sommerurlaub im knapp 4.000 Einwohner*innen zählenden Markt im Allgäu. Im vergangenen Jahr, mitten im Wahlkampf, war der Terminplan so dicht, dass es zwar zu einem Eintrag ins Goldene Buch reichte, aber nicht zu einem Austausch mit den Genossen im Ort. Dafür schrieb Scholz' Büroleiter eine „ultra nette“ E-Mail an Roth und dessen Stadtratskollegen Werner Mayr und bedankte sich im Namen des – damals noch Kanzlerkandidaten – für den schönen Aufenthalt in Nesselwang.
Roth antwortete mit einem Augenzwinkern: „Wir machen es einfach so: Wenn der Olaf Kanzler wird, kommen wir nach Berlin und besuchen ihn im Kanzleramt.“ Scholz' Büroleiter habe zugesagt. „Damals hat ja noch niemand damit gerechnet, dass ein Sozialdemokrat Kanzler wird. Ich hätte auch nie gedacht, dass sich noch jemand an den Schriftverkehr erinnert“, so Roth. Doch tatsächlich erhielten er und Mayr für Anfang September einen Termin in Berlin im Bundeskanzleramt.
Apfelkuchen mit Streuseln für den Kanzler
Dass sie den Kanzler schon einen Monat früher treffen würden, ahnten die beiden Sozialdemokraten da noch nicht. Im August weilten Scholz und Ernst erneut im Allgäu, und diesmal klappte es kurzfristig mit einem Gesprächstermin. „Ich habe dann vorgeschlagen, dass wir das bei mir daheim im Garten machen können, hätte aber nie gedacht, dass das funktioniert“, erinnert sich Max Roth. Am Freitagnachmittag sollte der Kanzler kommen, aber schon ab Dienstagnachmittag tat Roth vor Aufregung kein Auge mehr zu: „Als Verwaltungsdirektor von zwei psychosomatischen Kliniken bin ich beruflich sehr gefordert. Ich bin das schon gewohnt, Sachen zu organisieren, aber das war noch mal ein ganz anderes Level“, sagt er.
Vom Bundeskriminalamt bekam Roth den Tipp, dass ein Apfelkuchen mit Streuseln besonders gut beim Ehepaar Scholz-Ernst ankommen könnte. Roth erzählt: „Meine Mama ist eine der begeistertsten Kuchenbäckerinnen, die ich kenne. Ich habe sie gefragt: ,Mama, wie schaut das aus? Können wir den Kanzler managen daheim?'“ Neben einem Apfelkuchen hätten dann auch noch ein Käsekuchen, eine Eiscafétorte und ein Obstkuchen für Scholz und Ernst bereitgestanden. Und als der Kanzler auf den Hof fuhr, kam auch die Sonne raus. Eine Dreiviertelstunde lang unterhielten sich Scholz und Ernst mit den Mitgliedern des Ortsvereins über berufliche Verpflichtungen, steigende Energiepreise und den Urlaub im Allgäu.
Gegenbesuch in Berlin
Am 7. September steht schließlich der Gegenbesuch in Berlin an. Doch dieses Mal kann Roth besser schlafen: „Ins Kanzleramt kommt auch nicht jeder rein und trifft dann auch noch den Bundeskanzler, aber dass der Bundeskanzler bei einem zu Hause im Garten bei Sonnenschein sitzt, war noch das aufregendere Erlebnis.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo