SPD: Länder wollen Basis vor GroKo-Verhandlungen abstimmen lassen
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Nachdem SPD-Chef Martin Schulz am Montag erklärt hatte, zunächst den Parteitag über „ergebnisoffene Gespräche“ unter anderem mit der Union abstimmen zu lassen und die Basis erst nach „vertraglichen Vereinbarungen“ befragen zu lassen, wartet der Berliner SPD-Landesverband mit einem gegenteiligen Initiativantrag auf. Demzufolge sollen Sondierungsgespräche bereits vor Aufnahme von Verhandlungen durch ein Mitgliedervotum bewertet werden. Mit einem Nein könnte die SPD-Basis Verhandlungen über eine mögliche neue große Koalition verhindern, ehe sie überhaupt begonnen haben.
Kritiker fürchten Druck auf die SPD-Basis
Wörtlich heißt es im Beschluss des Landesvorstands vom Montagabend: „Für den Fall von Sondierungsverhandlungen mit der CDU/CSU über die Bildung einer Koalition muss vor (!) Aufnahme von Koalitionsverhandlungen ein Mitgliederentscheid gemäß § 13 Abs. 4 des Statuts zur Frage der Koalitionsbildung eingeholt werden.“ Der Entscheidungsvorschlag soll lauten: „Soll die SPD auf Basis der Sondierungsgespräche Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU aufnehmen?“
Mit seinem Vorschlag greift der Berliner Landesverband Kritik auf, die seit der sich abzeichnenden Öffnung der Partei für Verhandlungen mit der Union vorrangig aus linken Parteikreisen geäußert wurde. Kritiker befürchten: Nach erfolgreichen Verhandlungen mit der Union über eine Fortsetzung der großen Koalition könnte der Druck auf die SPD-Basis derart steigen, dass der Basis ein „Ja“ quasi aufgezwungen werde. Die Partei stünde vor einer Zerreißprobe, so Beobachter.
Auch SPD Sachsen-Anhalt startet Initiativantrag
Zu den Unterstützern des Vorschlags zählt Kevin Hönecke, Bundestagskandidat in Berlin-Lichtenberg. Auf Twitter schrieb er:
Neben den Berlinern wollen auch die Genossen des SPD-Landesverbands Sachsen-Anhalt erst die Mitglieder befragen lassen und dann Verhandlungen über eine Regierungsbeteiligung im Bund aufnehmen. In ihrem Initiativantrag dazu heißt es: „Der Parteivorstand wird beauftragt, vor der Aufnahme weiterer Gespräche zur Regierungsbeteiligung im Bund eine Mitgliederbefragung durchzuführen. Diese Mitgliederbefragung ist verbindlich.“ Zusätzlich will der Landesverband den Parteivorstand damit beauftragen, „eine Liste von politischen Bedingungen für die Beteiligung an einer großen Koalition oder einer Tolerierung“ zu erarbeiten und auch darüber die Mitglieder verbindlich abstimmen lassen.
Jusos sammeln 10.000 Unterschriften gegen die GroKo
Unterdessen haben die Jusos ihre Ablehnung gegenüber einer erneuten großen Koalition auf Bundesebene bekräftigt. Juso-Chef Kevin Kühnert erklärte am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin: „Wir wollen nicht, dass Zukunftsfragen wieder vier Jahre aufgeschoben werden.“ Die „Einigungsmasse“ für eine Fortsetzung der großen Koalition sei „viel zu gering“, so Kühnert weiter. Eine Online-Petition, die die Jusos am vergangenen Freitag veröffentlicht hatten, war nach Juso-Angaben bis Sonntagnachmittag bereits von mehr als 10.000 Menschen unterzeichnet worden.
Einen Leitantrag zur Öffnung der SPD für Gespräche über eine mögliche Regierungsbildung hatte der Parteivorstand am Montag einstimmig beschlossen. Die 14 Tage zuvor ebenfalls einstimmig beschlossene Entscheidung, der Fortsetzung der großen Koalition Neuwahlen vorzuziehen, war damit hinfällig.