SPD-Kooperation: Wenn Ost und West gemeinsam Wahlkampf machen
Fast 300 Kilometer trennen Recklinghausen im Ruhrgebiet und Schmalkalden in Thüringen. Doch gleichzeitig verbindet beide Städte eine mehr als 30 Jahre alte Partnerschaft, die noch vor dem Mauerfall maßgeblich von Sozialdemokrat*innen vorangetrieben wurde. Auch heute ist es der SPD ein besonderes Anliegen, diese Freundschaft aufrecht zu erhalten und mit Leben zu füllen. Das wurde jüngst am vergangenen Wochenende deutlich, als eine gut 20-köpfige SPD-Delegation aus Recklinghausen um ihren Bundestagsabgeordneten Frank Schwabe in die thüringische Partnerstadt reiste, um den dortigen SPD-Bewerber Frank Ullrich im Bundestagswahlkampf zu unterstützen.
„Frank Ullrich ist ein cooler Kandidat. Er hat gute Chancen, das Mandat zu holen“, sagt Frank Schwabe im Gespräch mit dem „vorwärts“ über seinen Namensvetter aus Thüringen. Schon 2017 fuhr eine Recklinghäuser Delegation nach Thüringen, um den damaligen SPD-Bewerber Christoph Zimmermann im Wahlkampf zu unterstützen. Seitdem hat sich viel getan und um den Wahlkreis in Südthüringen ist eine besondere Brisanz entstanden. Der damals gewählte CDU-Abgeordnete Mark Hauptmann trat wegen seiner Verstrickungen in die Maskenaffäre in diesem Frühjahr von seinem Mandat zurück und aus der Partei aus.
„Ein Zeichen setzen“
Stattdessen nominierten die Konservativen den umstrittenen früheren Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen als Kandidaten für den Wahlkreis 196. „Ich finde es schade, dass es die CDU nicht schafft, einen einheimischen Kandidaten aufzustellen“, sagt Ullrich auf Nachfrage des „vorwärts“ zu seinem Kontrahenten. Maaßen stammt aus Nordrhein-Westfalen, Ullrich dagegen ist in Südthüringen aufgewachsen, er ist hier bekannt, spricht die Sprache der Menschen. In seinem Heimatort Trusetal ist gar ein Weg nach dem früheren Biathlon-Olympiasieger benannt. Nur folgerichtig, dass Ullrich in einer Forsa-Umfrage vor seinem CDU-Kontrahenten liegt.
Am Freitagabend erreicht der Bus aus dem Ruhr-Gebiet Schmalkalden. „Wir wollen als SPD ein Zeichen setzen“, sagt Kai-Uwe Dörnhoff, stellvertretender Vorsitzender der SPD Recklinghausen. Viel Zeit zum Durchschnaufen haben er und seine Mitstreiter*innen nicht. Denn Frank Ullrich hat ein straffes Programm für die Delegation aus Nordrhein-Westfalen organisiert: Zwischen Fichte und Fachwerk geht es auf Entdeckungsreise inklusive Wahlkampf auf dem Marktplatz von Schmalkalden, einer Runde Minigolf und Selfies vor einem spektakulären Wasserfall.
Es begann im September 1989
Als im September 1989 zum ersten Mal eine Delegation aus Schmalkalden ins 300 Kilometer entfernte Recklinghausen reiste, kam sie noch aus einem anderen Land. Einer, der davon zu berichten weiß, ist Norbert Geidies, damals SPD-Geschäftsführer und Ratsmitglied in Recklinghausen. „Die Partnerschaft kam damals auf Vermittlung vom stellvertretenden FDGB-Vorsitzenden zustande“, erzählt er im Gespräch mit dem „vorwärts“. Als es drei Monate später zum Gegenbesuch in Thüringen kommt, haben sich die politischen Rahmenbedingungen schon komplett verändert. Die Mauer ist gefallen, die DDR erodiert, Reisen zwischen Ost- und Westdeutschland waren deutlich einfacher möglich.
„Aufgrund der veränderten Gegebenheiten haben wir die Partnerschaftsvereinbarung noch vor Ort in Schmalkalden angepasst, bevor wir sie unterzeichnet haben“, berichtet Geidies, der gemeinsam mit weiteren Sozialdemokrat*innen aus Recklinghausen die Aufbauarbeit der Schwesterpartei SDP in der Partnerstadt unterstützt. Er initiierte private Transporte und fuhr viele Male nach Schmalkalden, um die Kontakte zu pflegen.
Schwabe freut sich auf den Gegenbesuch
Auch Frank Schwabe war das wichtig, als er vor 16 Jahren Bundestagsabgeordneter wurde. „Wir haben zu allen Partnerstädten guten Kontakt“, sagt er. Doch diese Kooperation sei besonders wichtig, auch um Vorurteile abzubauen. Zudem motiviere der gemeinsame Ausflug nach Thüringen auch die eigenen Genoss*innen. Die Bilder in den sozialen Medien sprechen da eine eindeutige Sprache. Und Frank Ullrich freute sich über „Rückenwind aus Recklinghausen“. Auf Instagram schrieb er: „Starke Partner im Wahlkampf sind das A und O.“ Währenddessen freut sich Frank Schwabe schon auf den Gegenbesuch, um den Sozialdemokrat*innen in Recklinghausen einen echten Olympiasieger als Gast zu präsentieren.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo