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SPD-Konferenz: Wie Deutschland offener für Innovationen werden kann

Die SPD will in die neue Zeit. Auf drei Online-Konferenzen diskutiert Generalsekretär Lars Klingbeil daher mit führenden Expert*innen, um Impulse für seine Partei zu sammeln. In der dritten geht es darum, wie Deutschland offener für Innovationen werden kann.
von Jonas Jordan · 16. Juni 2020
Auf der dritten SPD-Onlinekonferenz stand das Thema Innovationskultur im Fokus.
Auf der dritten SPD-Onlinekonferenz stand das Thema Innovationskultur im Fokus.

Als Sprunginnovationen gelten Neuerungen, die bestehende Wirtschaftsfelder beispielsweise durch technologische Neuerungen radikal verändern und so neue Märkte schaffen. Ein Beispiel für eine technologische Sprunginnovation ist die Einführung des in Deutschland entwickelten mp3-Standards zur Speicherung und Übertragung von Musikdaten, welcher traditionelle Tonträger wie Schallplatten, Kassetten und CDs weitgehend vom Markt verdrängt hat. Generell besitzen Sprunginnovationen ein enormes wirtschaftliches Potenzial, wie in den vergangenen Jahrzehnten vor allem in den USA zu sehen war. 

Welche Strukturen müssen wir verändern?

Damit Deutschland in diesem Bereich aufholt, hat die Bundesregierung schon im August 2018 die Gründung einer Bundesagentur für Sprunginnovationen beschlossen. Deren Gründungsdirektor ist Rafael Laguna de la Vera. „Wenn wir die Zukunft nicht beeinflussen, schaffen wir eine Zukunft, die nicht mit unserem Wertesystem übereinstimmt“, mahnt er bei der dritten Auflage der SPD-Onlinekonferenzen unter dem Motto „In die neue Zeit“. Bei der ersten ging es um Zusammenhalt, bei der zweiten um Arbeitswelten und diesmal stand die Innovationskultur im Fokus. 

Der Wohlstand in Deutschland beruhe laut Laguna de la Vera auf auf „Sprunginnovationen, die wir vor 100-120 Jahren geschaffen haben“. Seitdem sei vor allem verbessert worden, „was wir vorher schon geschaffen haben“. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil stellte daher die Frage: „Sind wir innovationsbereit und bereit für Veränderungen?“ In China und den USA seien Innovationen zuletzt stark vorangetrieben worden. Die Frage sei daher, welche Rolle Deutschland im internationalen Wettbewerb spiele. „Ich habe den Eindruck, wir lehnen uns zu sehr zurück. Dadurch könnte Deutschland Schaden nehmen. Welche Strukturen müssen wir verändern? Wie kriegen wir es hin, dass unser Land innovationsbereiter wird?“, sagte Klingbeil.

Rehlinger: Den Menschen die Ängste nehmen

Anke Rehlinger, stellvertretende Ministerpräsidentin des Saarlandes und stellvertretende SPD-Parteivorsitzende, betonte in diesem Zusammenhang, dass soziale Sicherheit notwendig sei, um wirtschaftlichen Erfolg entstehen zu lassen. „Es ist eine wichtige Aufgabe der Sozialdemokratie, genau dafür zu sorgen und den Menschen die Ängste zu nehmen. Denn diejenigen, die Ängste haben, werden keine Freunde von Innovationen sein“, sagte Rehlinger. Zugleich müssten klassische Industrie und innovative Branchen zusammengebracht werden: „Glück auf und Klick auf liegen bei uns im Saarland nicht weit auseinander. Wir bewegen uns in beiden Welten, in der klassischen Industrie, aber auch in der Digitalisierung. Wir müssen dafür sorgen, dass beide Welten zusammenkommen können. Das ist für mich ein Garant für Innovationen.“

Marion Weissenberger-Eibl, Leiterin des Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, forderte zudem einen anderen Umgang mit Fehlern, um mehr Innovationen zu ermöglichen. „Wir müssen eine Mutkultur entwickeln, die es erlaubt, Fehler nicht zu sanktionieren, sondern zu tolerieren“, sagte sie. Man müsse weg von einer Fehlerkultur, hin zum Ausprobieren und auch verrückte Ideen erst einmal zu testen. Weissenberger-Eibl machte deutlich: „Experimentieren mag auch Geld kosten, aber neue Ideen sind essentiell für die Zukunftsfähigkeit eines Landes, einer Forschungseinrichtung oder eines Unternehmens.“

Defizite in der Bildungspolitik durch Corona deutlich

Beinahe experimentell war auch der Umgang mit der Digitalisierung im Bildungsbereich während der Corona-Krise. Anke Rehlinger, selbst Mutter eines 11-jährigen Sohnes, machte klar: „Eine Aufgabe abzufotografieren, in eine PDF zu packen, um sie als E-Mail zu verschicken, damit sie ausgedruckt werden kann – es ist gut, in der Krise zu improvisieren, aber das ist nicht, was wir uns unter digitaler Bildung vorstellen.“ Lars Klingbeil wies zudem darauf hin, dass bereits 2012 eine Enquete-Kommission, der er damals angehörte, gefordert habe, Bildungspolitik radikal zu verändern. Unter anderem beinhaltete das die Forderung, dass jedes Kind ein mobiles Endgerät bekommen solle. Damals sei er für diese Forderung in Diskussionen hart kritisiert worden. Heute gäbe es viele, die sagten: „Hätten wir das mal gemacht.“

Corona habe in besonderem Maße auf die Defizite in der Bildungspolitik aufmerksam gemacht, meint daher auch Rafael Laguna de la Vera. Defizite gebe es darüber hinaus auch beim Wachstum von Unternehmen. Diese bekämen schnell Probleme, an genügend Kapital auf dem deutschen Markt zu kommen. Der einzige Ausweg sei dann oft, sich von US-Firmen aufkaufen zu lassen. Ein Kritikpunkt, den auch Anke Rehlinger sah: „Wir sind nicht gut aufgestellt, wenn es darum geht, Kapital zu besorgen beim Wachstum von Unternehmen.“ 

Lars Klingbeil plädierte abschließend dafür, erfolgreiche Beispiele stärker zu erzählen, um den Menschen die Ängste zu nehmen. Es sei notwendig, „positive Geschichten von der Zukunft“ zu erzählen. „Wir wollen als SPD dafür sorgen, dass alle gut durch den Wandel kommen und die Gesellschaft als Ganzes positiv daraus herausgeht“, sagte Klingbeil.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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