SPD-Konferenz: Hubertus Heil fordert aktive Industriepolitik
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„Ich soll kürzer reden“, liest Hubertus Heil einen kleinen Zettel vor, der ihm während der Debatte zugesteckt wurde. „Ich versuch‘s“, kommentiert er die kurze Anweisung, „aber ihr stellt so gute Fragen!“ Stundenlang könne er über manche Dinge sprechen – das sei eben das Problem, wenn man in manchen Themen so tief drinstecke, meint der SPD-Bundesarbeitsminister. Schmunzeln muss der Niedersachse trotzdem.
Mit der ersten Onlinekonferenz hat die SPD die nächste Phase in Sachen Bundestagswahlprogramm eingeläutet. Nach dem SPD-Zukunftsdialog im Sommer, der digitalen Programmwerkstatt zu Beginn des Herbstes geht es jetzt in die mündliche Debatte mit den Genoss*innen. Hubertus Heil machte den Auftakt mit dem Cluster „Nachhaltige Wirtschaft und gute Arbeit“, für das er in der Parteispitze die Verantwortung übernommen hat.
Hohes Interesse, viele Fragen
Ein Kernthema der Sozialdemokratischen Partei, das zeigen die zahlreichen Wortbeiträge und Fragen, die Heil zusammen mit einem Team im Willy-Brandt-Haus am Donnerstag entgegennimmt. Eingewählt haben sich in die Konferenz zeitweise über 600 Genoss*innen, die den Minister mit Fragen löchern und Anmerkungen zu Problemen und Herausforderungen geben, die ihnen auf den Herzen liegen. Es sind am Ende so viele, dass auch nach über 90 Minuten ein Großteil im Nachgang bearbeitet werden muss.
Wie Heil schon zu Beginn betont, geht es vor allem um die Zeit nach Corona: „Wie schaffen wir es, unser Land zu erneuern?“, stellt er als eine zentrale Frage in den Mittelpunkt. Das Virus bezeichnet Heil als „Brandbeschleuniger“ des Strukturwandels. „Wir sehen in dieser Situation, was in unserem Land gut funktioniert, wir sehen aber auch, was nicht funktioniert.“ Ob die Zukunft gut werde, liege an einer sozialen, gerechten Gestaltung. „Fortschritt muss erstritten werden“, appelliert der Bundesarbeitsminister.
Ein Punkt der offenbar auch die Genoss*innen umtreibt, sind die Arbeits- und Gehaltsbedingungen im Pflege- und Krankenhauspersonal, wo gleichermaßen Ideen im Kampf gegen den Fachkräftemangel vorgeschlagen und Forderungen nach einem allgemeingültigen Tarifvertrag in der Pflege unterstrichen werden.
Aktive, vom Staat unterstützte Industriepolitik
Klar Position bezieht Heil dabei vor allem bei Fragen zum Thema Industrie: „Wir brauchen Innovationssprünge“, sagt er zu der Frage, wie es mit Thyssen Krupp in Nordrhein-Westfalen weitergehen könne, und weist auf die Wasserstoffstrategie und Herausforderungen in der Stahlindustrie allgemein hin. Dafür brauche es eine „aktive Industriepolitik, die wir auch umsetzen müssen“, sagt Heil und kritisiert damit den derzeitigen CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Die Grundstoffindustrie solle auf jeden Fall in Deutschland gehalten werden, so der Sozialdemokrat weiter.
Beim Thema Arbeitsmarkt und Grundeinkommen wurde es ebenso konkret: So fordert Genosse Dennis Schmidt bessere Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitslose und bessere psychosoziale Betreuung. Dem kann Heil nur zustimmen, auch wenn viele Maßnahmen inzwischen besser seien als ihr Ruf. Es sollte darum gehen, Probleme dieser Menschen individuell zu lösen, Stück für Stück. „Deswegen ist der Weg, den du beschrieben hast, richtig“, stimmt Heil dem Genossen zu.
Gleichwohl geht es auch um Zukunftsperspektiven: Ein Genosse fordert Überlegungen zu alternativen Wirtschafts-und Wachstumsmodellen, denen Heil allerdings nu bedingt zustimmt: Er setze auf Wachstum, aber auf ein qualitatives und nachhaltiges sowie eine stärkere Förderung gemeinwohlorientierter Arbeit. Die Frage nach einem arbeitsabhängigen Grundeinkommen sieht Heil indes kritisch. „Mit dem Begriff Grundeinkommen habe ich so meine Probleme“, so Hubertus Heil. Die Grundsicherung müsse man sehr wohl weiterentwickeln, erklärt er weiter, Einkommen habe für ihn aber immer noch mit Erwerbstätigkeit zu tun, diene mehr als nur dem Broterwerb.
Auf Arbeitsmarkt- folgt Familienpolitik
Die Online-Konferenzen zu den sechs verschiedenen Programmclustern werden in den kommenden Tagen fortgesetzt. Nach der Konferenz mit Hubertus Heil geht es schon am Montagabend weiter. Die Online-Konferenzen gipfeln dann im Debatten-Camp am 12. Dezember. Für beide Formate gilt: Die Diskussionen finden digital statt. Alle Genoss*innen können sich an den Diskussion und Debatten beteiligen, um am Ende mit den umfassenden Beteiligungsmöglichkeiten gemeinsam ein gutes Bundestagswahlprogramm zu erarbeiten.
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