SPD-Konferenz: Die Sozialdemokratie muss eine europäische Partei werden
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Es sind die Sustainable Development Goals, kurz SDG, die für den Europabeauftragten des SPD-Parteivorstandes Udo Bullmann den Kompass für eine gerechte und faire Welt bieten. Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen könne Frieden und Vertrauen in einer Welt stärken, die niemanden zurücklässt, sagt er. Eine gute Botschaft käme aus den USA, so Bullmann. Für praktische Schritte für mehr Nachhaltigkeit habe man mit dem kürzlich gewählten Präsidenten Joe Biden einen neuen Partner gefunden.
Sozialdemokratie muss europäische Bewegung werden
Bei der fünften von insgesamt sechs Online-Konferenzen debattiert Bullmann am Montagabend mit SPD-Mitgliedern zum Thema „Europa, Frieden und die Welt“. Nachdem seit Anfang Oktober rund 4500 Genoss*innen in einer digitalen Programmwerkstatt in sechs „Clustern“ zu unterschiedlichen Themen Vorschläge gemacht und ihre Ideen eingebracht haben, werden diese bei digitalen Konferenzen diskutiert. Ziel ist die Erstellung eines Programms für die Bundestagswahl im kommenden Jahr.
Doch lässt sich mit Außenpolitik überhaupt eine Bundestagswahl gewinnen, fragt eine Genossin. In der Vergangenheit wurde dies oftmals verneint. Eine andere Genossin merkt an, dass Europapolitik nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa gemacht werden müsse. Dafür brauche es ihrer Meinung nach eine europäische sozialdemokratische Partei. Dass die Sozialdemokratie eine europäische Bewegung werden muss, steht für Bullmann außer Frage. Die SPD müsse eine europäische sozialdemokratischer Mitgliederpartei werden, „sonst hat sie keine Zukunft“ sagt der Europaabgeordnete. Und dass die SPD die Fähigkeit zu einem großen Entwurf mit einer außenpolitischen Erzählung habe, daran zweifele er nicht. Im Gegenteil sei die Partei in der Vergangenheit viel zu oft im kleinen Karo unterwegs gewesen, kritisiert er.
Rechtsstaatsmechanismus ist gut
Ob Rechtsstaatlichkeit, Finanztransaktionssteuer oder Geflüchtetenpolitik, auch an diesem Abend bringen Mitglieder wieder viele gute Ideen ein: Seenotrettung sei internationales Recht, sagt eine Genossin. Ihr geht es um die Vorwürfe gegen die EU-Grenzschutzagentur Frontex, die Bullmann gerne aufgreift. Es könne nicht toleriert werden, wenn eine EU-Grenzagentur Menschenrechte nicht einhalte, ist er überzeugt. „Wir brauchen eine Grenzagentur mit menschlichem Antlitz und nicht eine, die Leib und Leben von Migrant*innen heraufbeschwöre“, betont er.
Auch zur Rechtsstaatlichkeit hat er eine klare Vorstellung. Die Idee eines Kerneuropa sieht er kritisch. Die aktuelle Auseinandersetzung mit Polen und Ungarn sei substanziell. „Es darf keine Rabatte geben, das wäre ein falsches Signal“. Die Frage müsse vielmehr lauten, wie „wir es hinkriegen, dass auch diese Länder unseren Anspruch von Rechtsstaatlichkeit befolgen“. Die Einhaltung an Finanzierungshilfen zu koppeln sei seiner Meinung nach ein guter Weg. Zudem müsse man bei Ländern, die „auf der Kippe“ stehen, verstärkt mit den Menschen vor Ort arbeiten. „Länder sind keine Monolithen“.
Grundsicherung mit neuem Arbeitsbegriff
Die Finanztransaktionssteuer wolle man mit Frankreich gemeinsam umsetzen. Das sei nicht das volle Volumen, das man erhofft habe, aber, so Bullmann, „wir brauchen einen Einstieg“. Auch für eine Mindestbesteuerung von Unternehmen spricht er sich aus, schon allein um dem „Backlash der Covid-19-Krise“ zu begegnen. Auch einen Rechtsrahmen für eine Grundsicherung begrüßt er. Mit der Einführung des Kurzarbeitergeldes in der Europäischen Union während der Corona-Krise sei ein Einstieg gemacht. Am Recht auf Teilhabe am Erwerbsleben will die SPD aber festhalten. „Das gehe nur über Arbeit“, so Bullmann. Doch Arbeit sei nicht gleich Erwerbsarbeit. „Wir brauchen einen neuen Arbeitsbegriff“, ist er überzeugt. Engagement und ehrenamtliche Tätigkeiten müssten ebenfalls gesellschaftlich honoriert werden.
Am Ende ist die Diskussion auch mit Abschluss der Konferenz nicht. Beim Debattencamp am 12. Dezember geht es weiter, erklärt Bullmann. Dort werde Parteichef Norbert Walter-Borjans für Gespräche rund um Globalisierungsfragen und Außenminister Heiko Maas und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Katarina Barley für außenpolitische Themen zur Verfügung stehen. Bullmann wird sich an Europathemen orientieren. Noch nie sei ein Programm der SPD entworfen worden, dass so auf Beteiligung und Transparenz aufgebaut war, sagt er und bedankt sich bei allen Teilnehmer*innen für ihr Engagement.
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hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.