SPD-Kandidatin: Warum Carmen Wegge im Wahlkampf auf Poetry Slam setzt
Carmen Wegge liebt die große Bühne. Und die kleine auch. Die 32-Jährige hat schon auf vielen gestanden, sogar schon in Togo und an der Elfenbeinküste. „Ich mache Poetry Slam seit ich 15 bin“, erzählt Wegge. „Während des Studiums hatte ich bis zu 25 Auftritte im Monat. Ich habe mehr Zeit auf Bühnen verbracht als im Hörsaal.“ Ihren Jura-Abschluss hat sie trotzdem problemlos geschafft. Slam-Workshops haben sogar einen großen Teil dazu beigetragen, ihr Studium zu finanzieren.
„Poetry Slam ist die Demokratisierung der Kunst.“
Die Veranstaltungsform des Poetry Slam ist seit vielen Jahren in Deutschland etabliert und wird mehr und mehr einem breiten Publikum bekannt. Vor fünf Jahren wurde sie sogar in das bundesweite Verzeichnis des „immateriellen Kulturerbes“ der UNESCO aufgenommen. Bei einem „Battle“ tragen Autor*innen selbstgeschriebene Texte vor. Am Ende entscheidet das Publikum, welcher Text der beste ist. Es gibt deutsche und sogar internationale Meisterschaften. „Poetry Slam ist die Demokratisierung der Kunst“, sagt Carmen Wegge.
Doch nicht nur deshalb verbindet die SPD-Bundestagskandidatin im Wahlkampf Poetry und Politik miteinander. „Sperrige Themen lassen sich sehr gut in einem Slam-Text erklären“, ist Wegge überzeugt, die sozial-ökologische Erneuerung etwa oder die Vermögenssteuer, die in ihrem Wahlkreis eine besondere Rolle spielt: Starnberg südlich von München ist der reichste Landkreis Deutschlands. „Wir sollten den Mut haben, Geschichten zu erzählen und neue Wege zu beschreiten“, findet Carmen Wegge.
„PolitkSlam“-Tour durch den Wahlkreis
Und genau das tut sie. Unter dem Titel „Mutig sein!“ startet sie am 12.August eine „PolitkSlam“-Tour durch ihren Wahlkreis. Im Seebad Starnberg wird sie u.a. mit dem deutschsprachigen U20-Vizemeister von 2018 Julius Althoetmar auf der Bühne stehen. Aber auch eine Kreisrätin der SPD wird einen Text vortragen. „Jeder Mensch kann Texte schreiben. Man muss ihn nur manchmal etwas anstupsen“, ist Carmen Wegge überzeugt. Am vergangenen Wochenende gab es deshalb bereits einen Workshop.
Dass es Politiker*innen leichter fällt, einen Poetry-Slam-Text zu schreiben, glaubt Wegge allerdings nicht – im Gegenteil. „Sie müssen meistens erstmal aus ihrer erlernten Struktur raus“, hat sie beobachtet. Andererseits sieht sie für sich selbst „eine Riesen-Vorteil“, dass sie vor dem Einstieg in die Politik bereits viele Jahre auf Bühnen gesprochen hat. „Allerdings steht bei einem Slam-Text immer das lyrische Ich zwischen dem Publikum und mir. Was ich in einer politischen Rede sage, wird dagegen alles auf die Goldwaage gelegt.“
Politiker*innen von einer anderen Seite zeigen
Die PolitSlam-Tour sieht Carmen Wegge als gute Möglichkeit, „Menschen zu erreichen, die sonst nicht zur SPD kämen. Wenn irgendwo Slam draufsteht, kommen die Menschen zuverlässig.“ Dass Politik und Poetry gut zusammen funktionieren, hat sie bereits 2017 gemerkt. Im damaligen Bundestagswahlkampf berichtete ein Kandidat in einem Text über seine Erlebnisse am Wahlkampfstand und die Panikattacken, die ihn manchmal überfielen. „Ein Poetry Slam ist eine gute Form, Politiker*innen von einer anderen Seite zu zeigen“, ist Carmen Wegge überzeugt.
Trotzdem werden die Zuhörer*innen bei der PolitikSlam-Tour natürlich auch die Bundestagskandidatin Carmen Wegge erleben, auch wenn die Bühne eher ihren Gästen gehören soll. „Nach den Auftritten wird es ein offenes Gespräch geben, bei dem jede und jeder seine Fragen stellen kann“, sagt sie. Im Kontakt mit den Menschen in ihrem Wahlkreis ist Carmen Wegge aber natürlich schon lange. „Im Frühjahr haben wir Zielgruppenveranstaltungen gemacht und jeweils gezielt Künstler*innen, Jugendverbände und Behindertenverbände eingeladen“, erzählt Wegge. Die Veranstaltungen fanden per Videokonferenz statt. „So konnten ohne Aufwand Interessierte aus allen Ecken des Wahlkreises teilnehmen.“
Im Moment ist Carmen Wegge viel auf den Wochenmärkten im Wahlkreis unterwegs und zieht von Haustür zu Haustür. Und sie macht Wahlkampf am Ufer der drei Seen im Starnberger Umland. „Wir verteilen Flyer, trinken ein Bier und springen auch mal in den See“, erzählt sie. „Wahlkampf soll ja auch Spaß machen.“ Den größten Spaß habe sie aber immer noch auf der Bühne. Vielleicht wird die ja bald der Bundestag sein.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.