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SPD im Umfragehoch: So punktet Kanzlerkandidat Olaf Scholz in Leipzig

Olaf Scholz trifft bei seinem Auftritt in Leipzig den richtigen Ton und die richtigen Themen. Sein leidenschaftliches Plädoyer für Solidarität und Zusammenhalt kommt hier gut an. Am Ende verrät er noch einen „Trick", damit er Kanzler wird.
von Lars Haferkamp · 5. September 2021
Olaf Scholz am 5. September 2021 in Leipzig: Bei seinem Wahlkampfauftritt bekommt der SPD-Kanzlerkandidat viel Applaus.
Olaf Scholz am 5. September 2021 in Leipzig: Bei seinem Wahlkampfauftritt bekommt der SPD-Kanzlerkandidat viel Applaus.

Mit kräftigem Rückenwind kommt Kanzlerkandidat Olaf Scholz drei Wochen vor dem Wahlsonntag zur großen „Highlight-Veranstaltung“ der SPD nach Leipzig. Nach Scholz‘ souveränem Sieg im Fernseh-Triell gegen Armin Laschet und Annalena Baerbock kennen die Umfragen nämlich weiter nur eine Richtung: nach oben. Um nicht zu sagen steil nach oben, schaut man auf den aktuellen ARD-Deutschlandtrend. So legt die SPD hier satte sieben Prozentpunkte zu, während die Union ebenso viel verliert und auf ein Rekordtief abstürzt.

Leipzig, die „Wiege der SPD“

Beste Voraussetzungen also für gute Stimmung in Leipzig, der „Wiege der SPD“. Hier wurde die Partei nämlich 1863 gegründet, genauer gesagt ihr Vorläufer, der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV). Hier arbeiteten auch vorwärts-Gründer Wilhelm Liebknecht und SPD-Chef August Bebel. Und hier feierte die SPD deshalb auch im Jahr 2013 ihren 150. Geburtstag.

Sozialdemokratische Siegeszuversicht ist an diesem 5. September 2021 erneut zu spüren in Leipzig. Die SPD hat drei Wochen vor der Bundestagswahl in den Clara-Zetkin-Park geladen, die größte Parkanlage der Stadt. Hunderte, besonders viele junge Menschen, sind gekommen zu dieser Veranstaltung im Rahmen der „Scholz packt das an“-Tour, die zugleich das Sommerfest der Leipziger SPD ist.

Olaf Scholz: Keine Steuersenkung für Vermögende

Bereits um 15 Uhr beginnt die SPD das Programm bei strahlendem Sonnenschein, einem nahezu wolkenfreien Himmel und spätsommerlichen Temperaturen um die 22 Grad mit einem bunten Familienfest, da gibt es Musik, Spiele und schon von weitem duftendes Gegrilltes. Gegen 18 Uhr kündigt dann Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung den an, auf den alle gewartet haben: Olaf Scholz.

Der wird mit kräftigem Applaus begrüßt. Scholz freut sich, „dass so viele zusammengekommen sind“, das sei nicht selbstverständlich angesichts der Corona-Beschränkungen. Man habe die Pandemie in Deutschland vergleichsweise gut bewältigt, „weil wir zusammen gehalten haben und weil wir solidarisch waren“.  Man habe 400 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen müssen, um die Situation sozial gerecht zu bewältigen. „Das ist sehr sehr viel Geld.“ Deshalb eine klare Aussage: Wenn CDU/CSU und auch die FDP jetzt forderten, das sehr gut Verdienende „dringend mal eine Steuersenkung brauchen, die uns 30 Milliarden Euro im Jahr kostet, dann ist das nicht nur unfinanzierbar, es ist unsolidarisch und aus der Zeit gefallen.“ Das Publikum in Leipzig applaudiert kräftig.

Kanzlerkandidat will Zusammenhalt stärken

„Solidarität und Zusammenhalt, das ist das, was wir in diesem Land brauchen“, betont Scholz. Das gelte für viele Bereiche. „Ich finde es unerträglich, dass in einem so reichen Land wie Deutschland so viele Kinder in Armut aufwachsen. Das muss sich ändern!“, fordert der SPD-Kanzlerkandidat. Nötig sei ein neues Kindergeld und eine Grundsicherung, damit die Armut der Eltern nicht die Lebensperspektive ihrer Kinder sei.

Schließlich kommt Scholz auf das Thema Mieten, dass gerade vielen Leipziger*innen auf den Nägeln brennt, da in ihrer Stadt seit Jahren die Mieten steigen und steigen. Die Politik müsse „etwas dagegen tun“, fordert Scholz. 1973 habe Deutschland 800.000 Wohnungen gebaut. Aktuell seien es nur noch 300.000. Die SPD wolle, dass in den nächsten Jahren 400.000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden, „damit endlich wieder genug Angebote da sind und sie sich jeder leisten kann“. So lange das nicht der Fall sei, werde man „mit einem starken Mietrecht dafür sorgen, dass die Mieten nicht durch die Decke schießen“. Der kräftige Applaus der Leipziger*innen zeigt, dass Scholz hier mit dem Mietenthema einen wichtigen Punkt gemacht hat.

SPD garantiert stabiles Rentenniveau

Das gilt auch für das Thema Rente. Die Rentenexperten der 1990er Jahre hätten mit ihren negativen Prognosen zur gesetzlichen Rente völlig falsch gelegen, argumentiert Scholz. Heute seien die Rentenbeiträge niedriger als in der Kohl-Ära. Die Zahl der Arbeitnehmer*innen sei auch nicht zurückgegangen, wie prognostiziert, sondern um sechs Millionen Beschäftigte gestiegen. „Und darum haben wir stabile Rentenfinanzen“, folgert Scholz. In der weiteren Zunahme der Beschäftigung – etwa von Frauen – liege auch die Lösung für die Zukunft. Auch für die jungen Menschen sei die Aussage der SPD wichtig: „Wir garantieren ein stabiles Rentenniveau“, sagt der Kanzlerkandidat und das Publikum applaudiert lange.

Neben der Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro, die Scholz als eine der ersten Maßnahmen einer von der SPD geführten Bundesregierung ankündigt, und ordentlichen Tariflöhnen – die die SPD etwa in der Altenpflege durchgesetzt hat – trifft in Leipzig noch ein weiteres Thema auf großes Interesse des Publikums: die Frage der auch über 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch immer existierenden Lohnunterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. „Wir müssen auch das ändern und alles dafür tun, dass wir da voran kommen“, ruft Scholz unter dem Beifall der Zuschauer*innen.

Scholz bittet Wähler*innen um Regierungsauftrag

Angesichts des dramatischen Versagens der Union beim Ausbau der Erneuerbaren Energien und bei der Kalkulation des Strombedarfes, macht Scholz eine klare Ansage: „Eine weitere von CDU/CSU geführte Bundesregierung würde Deutschland Wohlstand und Arbeitsplätze kosten.“ Man brauche jetzt „einen Aufbruch für Deutschland“, für den SPD arbeiten wolle.

Aber das „funktioniert natürlich nur, wenn wir dafür auch ein starkes Mandat bekommen“, gibt Scholz zu bedenken. „Ich bitte Sie, um diese Unterstützung“, so der Kanzlerkandidat der SPD an das Publikum. So sehr er sich über die guten Umfragewerte freue: „Stimmen sind wichtiger als Umfragen.“ Deshalb werbe er jeden Tag „ganz demütig darum, dass viele, die sich jetzt mit dem Gedanken tragen, ob sie das Kreuz bei der SPD machen, das am Ende auch tun“. Es sei „sehr sehr berührend“, wie viele Menschen im Land ihm die Kanzlerschaft zutrauen, so Scholz. Dazu will er am Schluss „noch einen Trick verraten“. Er macht ein kleine Pause, um die Spannung zu steigern. „Wer will, dass der nächste Kanzler Olaf Scholz heißt, der muss sein Kreuz bei der SPD machen, dann klappt’s auch!“ Kräftiger Beifall und Jubelrufe zeigen: In Leipzig hat Scholz die Stimmung genau getroffen, hier hat er gepunktet.

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