Parteileben

SPD im Ausland: Von der Partei abgeschnitten

Wer als SPD-Mitglied Deutschland verlässt, hat kaum eine Möglichkeit, sich in die Parteiarbeit einzubringen. Eine zufriedenstellende Lösung ist bisher nicht in Sicht.
von Kai Doering · 27. Dezember 2016

Wenn Johannes Busse zur Sitzung seines SPD-Kreisverbandes gehen möchte, müsste er ins Flugzeug steigen. Busse lebt und arbeitet in London, über die Partei gemeldet ist er in Berlin. „Das geht nicht anders, weil es keine Auslandsortsvereine gibt“, sagt Busse. Wer als SPD-Mitglied Deutschland verlässt und sich weiter mit Gleichgesinnten treffen möchte, kann das in sogenannten Freundeskreisen.

Ausland = ausgeschlossen?!

Die gibt es mittlerweile an 16 Orten, seit 2006 auch in ­London. Eigenständige Parteigliederungen sind sie allerdings nicht. „Wenn sich jemand zu uns nach London ummeldet, wird er damit – unabhängig von seinem Heimatort in Deutschland – Mitglied der SPD in Berlin-Mitte“, erklärt Busse. Hier könnte er auch an Parteiwahlen teilnehmen, was aber schon allein ­wegen der Entfernung unpraktisch ist. „De facto sind wir von unseren Rechten als SPD-Mitglieder ausgeschlossen“, sagt Johannes Busse.

So wie ihm geht es den meisten der schätzungsweise 5.000 SPD-Mitgliedern im Ausland. Eine echte Anbindung an die Partei haben sie nicht. „Wenn sich ein Genosse vor seinem Wegzug aus Deutschland bei seinem Heimat-Ortsverein ab- und bei keinem Auslandsfreundeskreis anmeldet, landet er bei uns“, erklärt Engelbert Seuren. Er ist Geschäftsführer im Unterbezirk Bonn. Dieser ist zuständig für den „Interna­tionalen Ortsverein“ der SPD. Den gibt es allerdings nur virtuell. „Wir buchen die Mitgliedsbeiträge ab und versorgen die Genossinnen und Genossen so gut es geht mit Informationen aus der Partei“, sagt Seuren. Von rund 15 Jahren sei der Internationale Ortsverein gegründet worden – vor allem für Mitglieder, die nur für einige Zeit zum Arbeiten oder Studieren ins Ausland gehen. Die Anbindung an Bonn erklärt sich aus der Tradition: „Als ehemalige Bundeshauptstadt spielt Bonn ja gerade für den diplomatischen Dienst eine wichtige Rolle.“

Einbindung der Auslandsgenossen fehlt weiterhin

Eigentlich sollte vor einigen Jahren eine Reform das Dickicht der SPD-Auslandsarbeit entwirren. Einen entsprechenden Antrag, den die Freundeskreise gemeinsam in Telefonkonferenzen erarbeitet hatten, hat der Bundesparteitag 2011 angenommen. Sehr viel geändert hat sich seitdem allerdings nicht. Zwar gibt es eine Internetseite, auf der SPD-Mitglieder im Ausland ihre „Erfahrungen, die wir in unseren Gastländern als Sozialdemokraten gemacht haben, austauschen“ können, von einer „vernünftigen Einbindung der Auslandsgenossen“ sei man aber noch weit entfernt, wie dort zu lesen ist.

Vor dem Bundesparteitag im vergangenen Jahr traf sich deshalb der damalige Vorsitzende der Berliner SPD Jan Stöß mit Vertreterinnen und Vertretern der Auslandsfreundeskreise, um deren Arbeit auf ein neues Fundament zu stellen. Doch auch aus diesem Vorstoß ist bisher nichts Konkretes entstanden: Stöß ist mittlerweile nicht mehr Berliner SPD-Chef und der Abgeordneten­hauswahlkampf sowie die folgenden Koalitionsverhandlungen ließen ­seinem Nachfolger Michael Müller keine Zeit, das Ansinnen weiter zu verfolgen.

Ein „lebender Gesprächskanal“

„Für eine moderne, international ausgerichtete Partei wie die SPD sollte eine Auslandsorganisation selbstverständlich sein“, meint Johannes Busse aus London. Er plädiert dafür, die SPD-­Freundeskreise organisatorisch in einem Auslands-Ortsverein zu bündeln. „Die Parteien in anderen Ländern sind da deutlich weiter“, sagt Busse. Für Italien gebe es sogar einen eigenen Auslandswahlkreis, für den Exil-Italiener einen Abgeordneten ins Parlament in Rom wählen könnten.

Bis es soweit ist, wird der Londoner Freundeskreis weiter eher informeller Anlaufpunkt für Sozialdemokraten in der britischen Hauptstadt bleiben. „Wir sind ein lebender Gesprächskanal zwischen SPD und Labour-Partei“, erzählt Johannes Busse. Gerade hätten die „Exiler“ gemeinsam ein Papier zur Zukunft der Freizügigkeit nach dem Brexit geschrieben. Auch SPD-Politiker, die London besuchen, sind gern beim Freundeskreis zu Gast, zuletzt etwa Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz. „Wer bei uns mitmacht, muss sich auch nicht offiziell über die Partei zu uns ummelden“, sagt Busse. „Auf dem Papier kann er auch einfach bei seinem Heimatortsverein bleiben.“

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Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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