SPD-Hackathon: Wenn Netz-Aktivisten etwas aushecken...
Berlin. Willy-Brandt-Haus. 3:00 Uhr am Morgen. 40 junge Menschen, viele nicht älter als 25, sitzen an Laptops, umgeben von Pizzakartons und koffeinhaltigen Kaltgetränken. Ihr Ziel: Innerhalb von 24 Stunden neue digitale Konzepte entwickeln und diese direkt auch in nutzbare Prototypen umsetzen. Als Mitveranstalter bin ich immer noch überwältigt von der Kreativität, der Expertise und dem gemeinschaftlichen Gedanken, den alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Wochenende mitgebracht haben.
Hackathon-Premiere: 180 Bewerber auf 40 Plätze
Doch worum geht es eigentlich bei einem Hackathon und wie kam es dazu? Bei einem Hackathon (der Begriff setzt sich aus „Hacken“ und „Marathon“ zusammen) werden in relativ kurzer Zeit Softwareprodukte entwickelt, die nützlich, kreativ oder unterhaltsam sein sollten. So sind dort vor allem Softwareentwicklerinnen und -entwickler, sowie Gestalterinnen und Gestalter anzutreffen. Im vergangenen Jahr sprach ich die Generalsekretärin der SPD, Katarina Barley, sowie den Verantwortlichen für SPD-Online-Kampagnen, Tobias Nehren, an: es wird Zeit für den ersten SPD-Hackathon! Gleichzeitig wäre dieser auch der erste Hackathon einer großen deutschen Partei.
Barley unterstütze die Idee sofort und wünschte sich eine zeitnahe Umsetzung. Es bewarben sich 180 Menschen für den Hackathon. Ihre hauptsächlichen Motive für Ihre Teilnahme: Kampf gegen den erstarkten Rechtspopulismus und vor allem auch die Möglichkeit, dass sie endlich ihre Stärken in der Softwareentwicklung für die Demokratie einsetzen können. So gut wie jede Bewerberin und jeder Bewerber hätte bei dem Hackathon teilnehmen müssen, so stark waren die Referenzen, die Qualifikationen und Ideenvorschläge. Dennoch musste aus Platzgründen auf 40 Personen reduziert werden – teilweise mit Losentscheidungen. Dies war im Einzelfall schade, jedoch nicht anders zu lösen.
Von der Skizze zum Programm
Die Hackerinnen und Hacker – der Begriff „Hacken“ ist übrigens alltagssprachlich leider negativ besetzt, bezeichnet aber eigentlich Tüftlerinnen und Tüftler, die mit Hingabe kreativ mit Technik umgehen – arbeiteten am Wochenende an sieben Projekten, die sie selbst konzeptionierten. Es konnten sowohl Projekte speziell für die SPD aber auch für die Demokratie allgemein angegangen werden. Einige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich zuvor größtenteils nicht kannten, schlugen Ideen vor, die dann zu Teams führten. Ein Team bestand im Allgemeinen aus mehreren Programmiererinnen und Programmierern und Interface-Designerinnen und -Designer. In den ersten Stunden ging es vor allem um die genaue Festlegung der jeweiligen Ziele – es wurden Skizzen, Diagramme und Berechnungen auf Whiteboards geschrieben. Ab dem späten Nachmittag ging es dann an die Laptops, um Code zu entwickeln und Grafiken zu erstellen.
Ein Team entwickelte einen Prototypen, der gegebene Texte zwischen „eher subjektiv“ und „eher objektiv“ unterscheiden kann. Dabei wird mit künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen anhand von z. B. Wikipedia-Artikeln (eher objektiv) und Amazon-Bewertungen (eher subjektiv) eine Datengrundlage generiert. Mit einer Browser-Erweiterung kann dann beispielsweise über jedem Beitrag angezeigt werden, ob dieser eher objektiv oder subjektiv geschrieben wurde. Insbesondere im Zeitalter von „Fake-News“ kann so etwas hilfreich sein.
Hacker stellen Schulzzug auf die Gleise
Ein anderes Team befasste sich mit der Erstellung einer SPD-Bilderdatenbank. Viele Mitglieder stehen vor dem Problem, dass sie keine geeigneten Bilder für Veranstaltungen oder ähnliches finden. Hier können dann eigene Fotos hochgeladen werden und andere für Flyer oder Websites verwendet werden. Für viele SPD-Mitglieder wird das eine erhebliche Vereinfachung ihres Parteialltags sein. Martin Schulz, der sich per Videokonferenz aus Würzburg dazu schaltete, inspirierte ein Team zur Entwicklung des Schulz-Zug-Spiels. Per Webbrowser oder iPhone kann ein Zug gesteuert werden, der an Mauern vorbeifahren und Münzen einsammeln muss. Bremsen wurden selbstverständlich nicht eingebaut. Schulz dankte via Twitter:
Innerhalb weniger Stunden wurde eine Javascript-Version und eine native iOSFassung, inklusive aller Grafiken und physikalischer Grundlagen entwickelt. Als Softwareentwickler kann ich nur sagen: Hut ab. Für mich gilt es Danke zu sagen. Danke für die unfassbare Kompetenz, Kreativität und den gemeinschaftlichen Einsatz an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Ohne Katarina Barley, die selbst mehrere Stunden vor Ort und sichtlich begeistert war, ihrer höchstmotivierten Mitarbeiterin Lara Gregl und der generellen Unterstützung aus dem Willy-Brandt-Haus wäre der Hackathon nicht möglich gewesen.
Die Ergebnisse des Hackathons werden in den nächsten Wochen nach und nach, häufig auf Open-Source-Basis, online gestellt.
Björn Bernat
ist selbständiger Softwareentwickler und lebt in Berlin. Er ist u. a. Vorstandsmitglied des Vereins D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e.V.