SPD Gotha: Wie die Jusos eine alte Tradition wiederbeleben
Dirk Bleicker
Als die ersten Takte von „Sexy“ erklingen, ist Philipp Kästner die Freude anzusehen. Zufrieden sieht sich der Vorsitzende der Gothaer Jusos um, während der Sänger der Jugendband „Indie Library“ auf der „Schlachthofbühne“ gekonnt den Stil von Marius Müller-Westernhagen nachahmt. Der Raum füllt sich immer mehr, die Ersten fangen an zu tanzen. Der erste „Jugend Songcontest“ der Gothaer Jusos nimmt Fahrt auf.
SPD Gotha: vom Sängerbund zum Songcontest
„Wir knüpfen damit an die große Gothaer Sängertradition an“, erklärt Kästner den Hintergrund der Veranstaltung. 1877 gründete der Sozialdemokrat Emil Sauerteig in der thüringischen Stadt den „Ersten Deutschen Arbeiter-Sängerbund“. Aus ihm ging später der Deutsche Arbeiter-Sängerbund hervor und damit eine prägende Organisation der Arbeiterkultur.
Auf der Schlachthofbühne wird diese wieder lebendig. Denn die drei konkurrierenden Bands des Abends spielen nicht nur Eigenkompositionen und Coverversionen bekannter Songs. „Jede Band muss auch ihre Interpretation eines Arbeiterlieds darbieten“, sagt Peter Leisner. Er ist 27, Vorsitzender der gemeinsamen SPD-FDP-Stadtratsfraktion und seit wenigen Wochen Vorsitzender der SPD im Kreis Gotha. Gemeinsam mit Philipp Kästner hatte er die Idee für den Bandcontest. Die Bundes-SPD hat dafür 1500 Euro zur Verfügung gestellt.
Eine junge Truppe in der SPD Gotha
„Wir haben hier eine junge Truppe in der SPD, die gerade in der Kommunalpolitik eine Menge erreichen möchte“, erzählt Leisner. Drei der 13 SPDler in der Stadtratsfraktion sind unter 35. Etwa 340 Miglieder hat die SPD im Kreis Gotha.
Eines von ihnen ist Knut Kreuch. Seit 2006 ist er Oberbürgermeister von Gotha. „Die Menschen nehmen vor allem wahr, was wir tun, nicht in welcher Partei wir sind“, sagt Kreuch in seinem Amtszimmer im Rathaus. Er selbst sei Sozialdemokrat „durch und durch“. Seit dem Februar 1990 gehört er der SPD an. „Nicht jedem Thema hinterherlaufen und trotzdem keins verschlafen“, ist Kreuchs Motto. Auf ein Haus in seiner Stadt ist der Oberbürgermeister besonders stolz: das Tivoli. Im Mai 1875 schlossen sich in der ehemaligen Gaststätte der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) zusammen. Aus ihr wurde später die SPD. „Der Vereinigungsparteitag in Gotha war einst der richtungweisende Weg für die deutsche Arbeiterklasse“, ist Knut Kreuch überzeugt.
Ein Preis für Verständigung
„Wir fühlen uns unserem historischen Erbe verpflichtet“, sagt Peter Leisner wenig später. Er steht vor einem Ölgemälde, auf dem die Teilnehmer des Gothaer Parteitags zu sehen sind: Männer mit Bärten in weißen Hemden, Westen und mit Fliegen.
Im Tivoli, das von einem parteiunabhängigen Förderverein gepflegt wird, verleiht die Gothaer SPD seit 2008 den Wilhelm-Bock-Preis. Der Namensgeber, ein Schuhmacher, organisierte den Vereinigungsparteitag und war eine der prägenden Figuren in den Anfängen der deutschen Sozialdemokratie. „Mit dem Preis ehren wir Personen aus Mittel- und Osteuropa, die sich um die europäische Verständigung verdient gemacht haben“, erklärt Peter Leisner. Er selbst hielt 2010 die Laudatio auf Egon Bahr. „In diesem Jahr geht der Preis an Erhard Eppler.“
Vom Arbeiterverein bis „Bella Ciao“
Zurück auf der Schlachthofbühne: Nachdem mit „Jomast“ die letzte Band des Abends aufgetreten und ihre Version von „Bella Ciao“ gespielt hat, ist das Publikum dran. Demokratisch wählt es den Sieger des ersten „Jugend Songcontests“. Mit hauchdünnem Vorsprung gewinnt die „Indie Library“ und darf noch einmal ihre Interpretation des „Bundeslieds für den ADAV“ spielen – und das Publikum kann weiter tanzen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.