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SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert: „Ich bin hungrig auf mehr.“

Der neue Generalsekretär Kevin Kühnert will die SPD weiter als moderne Partei aufstellen und für neue Wählerinnen und Wähler attraktiv machen. Dabei helfen ihm auch seine Juso-Erfahrungen.
von Karin Nink · 16. Dezember 2021
Neuer SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert: Die Wiederwahlkampagne von Olaf Scholz hat bereits begonnen.
Neuer SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert: Die Wiederwahlkampagne von Olaf Scholz hat bereits begonnen.

Im Generalsekretär steckt einerseits der General, der den Ton angibt, und dann eher der dienende Sekretär. Was ist Ihnen näher?

Der Partei dienen kann ich. Und der ­General kommt hier ja nicht aus dem Militärischen, stattdessen kommt der Begriff vom Generalistischen. Gemeint ist also derjenige, der für die Partei in ihrer ganzen Breite zuständig ist, für das Organisatorische der Hauptamtlichen, für die politischen Beschlüsse und die Programmatik – also ein Allrounder. Das kann ich sehr gut, denn das ist das, was ich beispielsweise als Juso-Vorsitzender jahrelang machen durfte.

Und was ist Ihnen näher?

Der generalistische Teil umfasst natürlich auch das Dienen, insofern geht beides nur zusammen.

Wo ist die Rolle des ­Generalsekretärs zwischen den Machtzentren ­Regierung, Fraktion und Partei­vorsitzende?

Wenn wir gut sind, dann organisieren wir es nicht so, als würden wir in vollkommen getrennten Universen arbeiten. Aber klar, ich bin Generalsekretär der Partei – nicht der Fraktion und schon gar nicht der Regierung. Ich finde sowieso, und das ist mein Parteiverständnis auch als Mitglied: Die Partei ist Grundlage all unserer politischen Arbeit. Denn die ist schon am längsten da und wird am längsten bleiben. Die Wahlperiode beginnt und endet. Eine Regierung kommt zustande und hat ein Dienstende. Aber die Partei ist seit 158 Jahren da und wird hoffentlich noch mindestens weitere 158 Jahre da sein. Diese Partei zu schützen, sich vor sie zu stellen, ihre Beschlüsse hochzuhalten, sie auch stolz zu machen und angemessen zu repräsentieren, ist meine Hauptaufgabe. Insofern bin ich als allererstes bei der Partei, ihren ­Gremien, ihren Mitgliedern.

Welches ist das wichtigste Ziel, das Sie persönlich als Generalsekretär verfolgen?

Dass wir politisch nicht nur das Ver­trauen bewahren, das wir gewonnen haben, sondern dass wir es auch aus­bauen. Ein Wahlsieg allein reicht mir nicht, ich bin hungrig auf mehr. Wir sind Partei, um Politik zu gestalten. Das tut man in der Demokratie ganz maßgeblich in Parlamenten und in Regierungen. Daher ist oberstes Ziel meiner Arbeit, dazu beizutragen, dass wir Wahlen gewinnen, Regierungen anführen und Politik verändern können. Nicht nur im Bund.

Trotz des Bundestagswahlsieges hat die SPD bei Jüngeren schlecht abgeschnitten. Ist es ein Vorteil, dass der neue Generalsekretär erst 32 Jahre alt ist und bis vor kurzem Juso-Chef war?

Es ist bestimmt kein Nachteil. Aber das wäre keine Strategie, junge Wählerinnen und Wähler zu gewinnen, wenn man einfach nur sagt: Hier ist ein recht junger Generalsekretär. Inwiefern mich die Generation Z noch als jung erachtet, sei auch mal dahingestellt. Ich glaube, dass der wesentliche Teil des Vertrauens, den wir bei jüngeren Menschen gewinnen können, darin zu finden ist, dass wir jetzt ohne CDU/CSU regieren können. Die haben uns an vielen Stellen gezwungen eine Politik zu machen, die nicht jugendgerecht war – angefangen von der Verweigerung beim Wahlalter 16 über eine offensive Klimaschutzpolitik, eine echte BAföG-Reform bis hin zu den vielen gesellschaftspolitischen Fragen – Transsexuellen-Gesetz, Einwanderungsrecht und ähnliches. Das wird jetzt viel einfacher. Und das liegt nicht an Grünen und FDP allein, sondern daran, dass die SPD als führende Regierungspartei genau ­diesen Kurs möchte.

Bei der Entscheidung rund um die letzte große Koalition vor vier ­Jahren und auch beim Parteivorsitz vor zwei Jahren galten Sie eher als Gegner von Olaf Scholz. Wer hat sich auf wen ­zubewegt?

In der SPD haben wir dann und wann Meinungsverschiedenheiten, aber wir sind keine „Gegner“. Insofern haben wir uns beide aufeinander zubewegt, und zwar nicht nur wir zwei, sondern mit uns ein bisschen auch die lange Zeit verhärteten Lager in der Partei. Es gibt in jeder Partei Strömungen und Gruppen, und Interessen organisieren sich. Daran ist ja nichts schlimm. Schlimm wird es, wenn es keine funktionierenden Wege mehr gibt, auf denen solche Konflikte produktiv gelöst werden. Wir haben es gesehen rund um den Rücktritt von ­Andrea Nahles. Diese Tage waren damals der Höhepunkt einer kaputten politischen Kultur, und da haben wir richtig tief in den Abgrund geguckt. Es ist eine Gemeinschaftsleistung gewesen, sich wieder anzunähern, Kompromisse zu finden, und sich zu auch wirklich gegenseitig zu ­respektieren. Respekt war ein Kernbegriff in der Kampagne. Ich glaube, vor zwei Jahren hätten uns viele gesagt: „Ihr wollt über Respekt reden? Ihr geht ja noch nicht mal respektvoll mit euch selbst um.“ – Das haben wir spürbar geändert.

Lars Klingbeil hat bereits gesagt, dass Sie Olaf Scholz‘ Wiederwahl 2025 ­organisieren sollen. Wann beginnt die Kampagnenplanung?

Die Wiederwahlkampagne von Olaf Scholz hat bereits in dem Moment begonnen, in dem er den Amtseid abgelegt hat. In Regierung, in Fraktion, aber auch in der Partei ist jedes Tun und Handeln gleichermaßen darauf ausgerichtet, die Wirklichkeit in unserem sozialdemokratischen Sinne zu verbessern. Je besser wir darin sind, desto mehr überzeugen wir auch neue Wählerinnen und Wähler, die vielleicht schon beim nächsten Mal sagen: „SPD? Da habe ich ein gutes Gefühl. Denen kann ich meine Stimme anvertrauen.“

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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