SPD Euskirchen: Neuanfang nach der Flutkatastrophe
Uta Wagner
Durch Euskirchen fließt der Veybach. Das ist im Normalfall keine große Nachricht. Kaum einen halben Meter hoch schlängelt er sich durch den Stadtkern, bevor er in die Erft mündet. „Wenn man die Hosenbeine hochkrempelt, kann man durchwaten“, sagt der stellvertretende SPD-Ortsvereinsvorsitzende Michael Höllmann.
In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli war das anders. Durch massive Regenfälle trat der Bach über die Ufer und eine eineinhalb bis zwei Meter hohe Flutwelle zerstörte die komplette Innenstadt. Buchhandlungen, Restaurants, Modeboutiquen und auch das Parteihaus der SPD. Es liegt an einer Kreuzung, an der sich in der Nacht des Unwetters eine besonders starke Strömung bildete. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen Kerzen. „Dort wurde eine Frau von den Fluten mitgerissen und ist gestorben“, sagt Höllmann.
Willy Brandt stoppte das Wasser
Das „rote Haus“ diente bislang dem SPD-Ortsverein, dem Kreisverband sowie der Fraktion in der Stadt als Basis für ihre politische Arbeit. Seit 2005 ist es im Besitz der SPD-eigenen Immobilienholding „Konzentration“. In Tausenden von Stunden ehrenamtlicher Arbeit hatten die Euskirchener Sozialdemokrat*innen es renoviert, zuletzt viel Geld in eine Smart-TV-Anlage investiert, um künftig hybride Ortsvereinssitzungen abzuhalten. „Das ist jetzt alles weg“, sagt Höllmann, während er durch die Räumlichkeiten im Erdgeschoss führt: „Das hier war mal unser Besprechungszimmer, dahinter unsere Küche und das WC.“
Jetzt sind es vor allem vom Schlamm verschmutzte Wände. „Hier hing ein Plakat von Willy Brandt“, sagt die designierte Ortsvereinsvorsitzende Gianna Voißel und deutet auf eine Stelle an der Wand: „Direkt darunter hörte das Wasser auf, als habe Willy es gestoppt.“ Ein wenig Galgenhumor in diesen schweren Zeiten. Eigentlich sollte Voißel längst ins Amt gewählt sein, in einer weiblichen Doppelspitze mit Michael Höllmanns Frau Sandra. Doch erst kam Corona, dann die Flutwelle und mit ihr kamen andere Sorgen.
Am Morgen des 15. Juli konnten sie die Räumlichkeiten zunächst gar nicht betreten. Türen und Fenster waren beschädigt, die Feuerwehr musste ihnen Zugang verschaffen. Und dann begannen die Aufräumarbeiten. Sonnenschirme, Tische, Stühle – das komplette Mobiliar war zerstört. Alleine dadurch entstand ein Sachschaden in Höhe von 30.000 bis 40.000 Euro, schätzt Höllmann.
Große Solidarität in der Partei
Die Euskirchener*innen sind der am stärksten von der Unwetterkatastrophe betroffene SPD-Ortsverein. Den Gesamtschaden am Haus beziffert Höllmann auf mehr als 100.000 Euro. Er sagt: „Eigentlich ist das Gebäude ein wirtschaftlicher Totalschaden, aber wir hängen daran und bauen das wieder auf.“
Die Solidarität innerhalb der Partei ist groß, in Euskirchen und weit darüber hinaus. Schon nach wenigen Tagen hatten sie das Erdgeschoss des roten Hauses leer geräumt. Der Müll in den Straßen stapelte sich in der ersten Woche zwei bis drei Meter hoch, darunter auch zahlreiche zerstörte Plakate zur Bundestagswahl. Ersatz dafür haben sie nicht bestellt. In Euskirchen gibt es momentan andere Sorgen als den Wahlkampf. Deswegen haben sich alle demokratischen Parteien darauf geeinigt, keine Plakate aufzuhängen. „Das kommt auch bei der Bevölkerung gut an“, sagt Voißel.
Die Euskirchener SPD hat insofern Glück, da das Parteihaus elementarschadenversichert ist. Für neue Möbel müssen sie allerdings selbst aufkommen, aber da haben Bundes- und Landespartei Unterstützung angekündigt. Am 15. Mai 2022 wird in Nordrhein-Westfalen ein neuer Landtag gewählt. Dann wollen sie mit der Renovierung fertig sein. „Vielleicht klappt es schon zu Karneval“, hofft Helga Ebert, ebenfalls stellvertretende SPD-Ortsvereinsvorsitzende, und erinnert sich daran, wie sie gemeinsam gefeiert haben, „wenn der Karnevalszug hier vorbeiging“.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo