SPD in Dresden: Neumitglieder am laufenden Band
Juergen Loesel
Nein, eine SPD-Hochburg ist Dresden ganz sicher nicht. Bei der Landtagswahl 2014 holten die Sozialdemokraten in der sächsischen Landeshauptstadt knapp 14 Prozent der Stimmen – drei Prozent mehr als 2009, immerhin. An den letzten SPD-Oberbürgermeister der geschichtsträchtigen Stadt dürften sich jedoch nur noch die ältesten Dresdner erinnern. Gustav Leißner bekleidete das Amt im Jahr 1946, für genau zehn Monate.
Neumitglieder drücken das Durchschnittsalter
Dennoch haben Stefan Engel und Richard Kaniewski derzeit allen Grund zur Freude. Die SPD in Dresden wächst – und das beständig. „Seit dem 1. Januar konnten wir 115 Eintritte registrieren, aktuell stehen wir bei 925 Mitgliedern“, erklärt Engel. Als Neumitgliederbeauftragter ist er zuständig für die Organisation von Kennenlernrunden und Ansprechpartner bei Fragen und Problemen der vielen Neuen in der SPD-Dresden. Kaniewski wiederum darf sich darüber freuen, einem der SPD-Unterbezirke mit dem deutschlandweit höchsten Neumitgliederanteil vorzusitzen. Besonders stolz sind beide darauf, dass zwei Drittel der Neumitglieder unter 35 Jahre alt sind. Das vergleichsweise niedrige Durchschnittsalter von 42 Jahren in ihrem Unterbezirk sinkt damit weiter.
Der Mann, dessen OV besonders von der „Eintrittswelle“ profitiert, heißt Felix Göhler. Seit dem 1. März ist Göhler Vorsitzender der SPD Dresden-Neustadt, 35 Neumitglieder konnte sein OV seit Beginn des Jahres dazugewinnen. „Von der 15-jährigen Schülerin bis zur 70-jährigen Rentnerin ist alles dabei“, verrät Göhler und erklärt, dass sich die Gründe für den Eintritt in vielen Fällen ähneln. „Die meisten hatten schon länger eine Affinität gegenüber der Sozialdemokratie, haben SPD gewählt und sich ihr irgendwie verbunden gefühlt“, so seine Erfahrung.
Nein zu Trump und Pegida
Der Brexit, die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten und die Kanzlerkandidatur von Martin Schulz hätten dazu geführt, dass sich die Menschen einen Ruck gaben, so Göhler weiter. Die Aussage „Es reicht nicht mehr, immer nur danebenzustehen. Ich will mich einbringen, was verändern“, hatte der Verwaltungsangestellte zuletzt mehrfach zu hören bekommen. Dass auch das allein in Dresden noch immer aktive Pegida-Bündnis einen Anteil hat, verschweigt Göhler nicht: „Es ist auch das Entsetzen über die ausbleibende Reaktion auf die fremdenfeindlichen Aufmärsche in Dresden, das Menschen zur SPD bringt“, erklärt der 28-Jährige.
Nilsson Samuelsson ist einer davon. Der 49-Jährige bezeichnet sich selbst als „fleißigen Demogänger“, immer wieder protestierte er gegen Pegida in seiner Stadt. „Irgendwann bin ich zu dem Schluss gekommen, dass traditionelles Engagement auch ein Weg sein kann“, erklärt Samuelsson. Seit dem 1. Februar ist er Mitglied der SPD. „Bei den Sozialdemokraten sehe ich am ehesten die Chance, dass sie das Thema Gerechtigkeit besetzen“, so Samuelsson weiter. Sein Heimatland Schweden zeige, welch „riesige Rolle“ der sozialdemokratische Ansatz für eine starke Gesellschaft spiele, erklärt der seit 2002 in Dresden lebende Stadtplaner.
„Überzeugungstäter“ gesucht und gefunden
Marlen Schweinert ist zwar ebenfalls erst Anfang des Jahres in die SPD eingetreten, setzt aber einen anderen Schwerpunkt: „Ich will mich in der Bildungspolitik engagieren, dort etwas verbessern“, so die 42-jährige Erzieherin. Im Bekanntenkreis habe sie schon immer viele SPD-Mitglieder getroffen, „nun ist auch bei mir der Knoten geplatzt“. Mit Blick auf die Fremdenfeindlichkeit, die in Dresden tatsächlich ein großes Problem sei, sagt sie, „es gibt mir Sicherheit, in der SPD zu sein“.
Daran, dass Samuelsson, Schweinert und all die anderen Neumitglieder die Dresdner SPD im anstehenden Bundestagswahlkampf regelrecht beflügeln werden, hat Richard Kaniewski keinen Zweifel. Er tritt im September als Spitzenkandidat der SPD-Dresden an und konnte zuletzt sogar seine ehemalige Schuldirektorin in der Partei begrüßen. Im Bundestagswahlkampf setzt er seine Hoffnungen auch für sie. Denn wie sagt Kaniewski so schön: „Wer in Dresden in die SPD eintritt, der ist Überzeugungstäter.“