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SPD in Chemnitz: Kaffee, Kippen und der Kampf gegen Rechts

Chemnitz ist in den vergangenen Wochen zum Symbol für den Kampf gegen Rechts geworden. Auch die dortige SPD steht für Weltoffenheit und Toleranz ein – und bindet auf diese Weise auch Neumitglieder ein.
von Jonas Jordan · 1. November 2018
Die SPD Chemnitz zeigt Flagge für Toleranz und Weltoffenheit in der sächsischen Großstadt.
Die SPD Chemnitz zeigt Flagge für Toleranz und Weltoffenheit in der sächsischen Großstadt.

Es beginnt mit den Worten: „Ich steh’ auf Kaffee, Kippen und ­Diamant-Räder.“ Im Refrain heißt es: „Ich komm aus Karl-Marx-Stadt, bin ein Verlierer, Baby, original Ostler.“ Gemeint ist das Lied „Karl-Marx-Stadt“ von der Band „Kraftklub“ aus Chemnitz. Die Stadt in Sachsen mit ihren fast 250.000 Einwohnern wurde in den vergangenen Monaten zum Symbol für vermeintlich abgehängte Ostdeutsche, Wendeverlierer, die anfällig seien für rechtsextreme Parolen. 6.000 Menschen marschierten Seite an Seite mit der AfD und Neonazis. Einige zeigten Hitlergrüße, skandierten Parolen wie „Wir sind die Fans, Adolf-Hitler-Hooligans“.

Neue Dimension der Ereignisse

Das war diese eine Seite. Auf der anderen Seite stand die SPD Chemnitz und demonstrierte mit vielen anderen unter dem Motto „Es reicht! Herz statt Hetze“ für Toleranz und Vielfalt. Zwei Tage später wurde es richtig voll. Etwa 65.000 Menschen setzten unter dem Hashtag #wirsindmehr ein Zeichen. Namhafte Künstler wie die Toten Hosen, Feine Sahne Fischfilet oder Marteria traten auf. Und eben Kraftklub mit „Karl-Marx-Stadt“, ihrer Hymne an Chemnitz, das andere, weltoffene Chemnitz.

Unter ihnen auch die SPD-Regionalgeschäftsführerin Sabine Sieble. „Diese Entwicklung hat uns auf jeden Fall überrascht. Viele von uns waren geschockt, was hier passiert ist“, sagt sie. Wenngleich es bereits in der Vergangenheit in Chemnitz ziemlich unschöne Erfahrungen mit rechten Parolen gab. In der Nähe unterhielt die NPD ein Schulungszen­trum. Nur einen Kilometer vom Hauptbahnhof entfernt hat die rechte Bekleidungsmarke „Thor Steinar“ einen Laden. Bereits in den 90er Jahren gründete sich im Umfeld des Fußballvereins Chemnitzer FC die Gruppierung „HooNaRa“ ­(Hooligans ­Nazis Rassisten), die inzwischen zwar offiziell aufgelöst ist, aber als loser Verbund weiter existiert und vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Insofern war nicht die Tatsache neu, dass es Rechte in Chemnitz gibt, wohl aber die Dimension der Ereignisse.

Debatte: Umgang mit der Antifa?

Einig waren sich die Aktiven in der SPD Chemnitz, gegen Rechte zu protestieren. Doch die Strategien waren unterschiedlich. Ein Artikel von Sabine ­Sieble auf vorwärts.de mit dem Titel „Herz statt Hetze: Es bleibt ein fader Beigeschmack“ führte innerhalb der Sozialdemokraten zu größeren Diskussionen. Die Gretchen­frage lautete: Wie halten wir es mit der Antifa?

„Mich hat gleichwohl manch fröhlich-unbedarfter Demo­tourismus befremdet und erst recht eine militante Antifa“, schrieb Sieble. Sandra Göbel, stellvertretende Vorsitzende der SPD Chemnitz und früher Juso-Chefin, sagt zu dieser Thematik: „Uns ist klar geworden, dass wir eine Debatte darüber führen müssen, was Antifaschismus bedeutet. Wir sind als Jusos da vielleicht nicht ganz so vorsichtig, wenn wir Positionen benennen und gehen offensiver auf Demonstra­tionen. Denn für uns ist es ein Herzensanliegen, Antifaschisten zu sein.“

Mobilisierung per Whatsapp-Gruppe

Während die Jusos auf Demonstrationen mehr als Frontkämpfer gegen den Faschismus auftreten, beteiligt sich die SPD ganz grundsätzlich an der Organisation von Veranstaltungen und teilt beispielsweise Ordner für Demonstra­tionen ein. Das läuft in der Praxis völlig unbürokratisch über eine Whatsapp-Gruppe, die passenderweise auch den Namen „Die Aktiven der SPD Chemnitz“ trägt, wie Sieble erläutert.

Etwa 80 Prozent der aktiven Sozialdemokraten in der sächsischen Großstadt rekrutierten sich aus seinem Ortsverein, schätzt Sebastian Reichelt. Der 33-Jährige ist seit 2012 in der SPD. Zwei Jahre später übernahm er die Führungsposition der SPD Chemnitz Ost und wurde kürzlich in einer Doppelspitze wiedergewählt. Mehr als 70 Mitglieder hat der Ortsverein, 300 die SPD in Chemnitz insgesamt. Viele Aktionen gegen Rechts gehen aus dem Ortsverein Ost hervor, sagt Reichelt. „Die rechtsextreme Gruppierung ‚Der dritte Weg‘ hatte für den ersten Mai eine Großdemonstration angemeldet. Dagegen haben wir uns vehement gestemmt.“ Die Demonstrationen seien zudem eine gute Möglichkeit, Neumitglieder aktiv einzubinden. „Wenn man sie mitnimmt, bleiben sie engagiert“, sagt Sebastian Reichelt.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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