SPD-Abschlusskundgebung: Mit Kutschaty und Scholz zum Wahlsieg in NRW
Vor sechs Wochen stand die SPD noch im Regen, damals Anfang April, zum Auftakt des Landtagswahlkampfes in Thomas Kutschatys Heimatstadt Essen. Winterliche Kälte und Schneefall sorgten für eine gedämpfte Stimmung bei den Sozialdemokrat*innen. Inzwischen hat sich vieles geändert, nicht nur das Wetter. Das meint es am Freitagnachmittag gut mit der Sozialdemokratie, trotz der Eisheiligen und Freitag, dem 13.
Fast die ganze Parteispitze ist vor Ort
Von Düren bis Siegen, aus dem Rheinland und dem Ruhrgebiet sind gut 2.000 Menschen aus ganz Nordrhein-Westfalen bei strahlendem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen auf den Kölner Roncalliplatz gekommen, um ihren „Ministerpräsidenten von morgen“ Thomas Kutschaty und Bundeskanzler Olaf Scholz zu erleben.
Auch nahezu die komplette Parteispitze ist vor Ort: Der Parteivorsitzende Lars Klingbeil, Generalsekretär Kevin Kühnert, die Ministerpräsidentinnen Malu Dreyer und Anke Rehlinger, Entwicklungsministerin Svenja Schulze, Gesundheitsminister Karl Lauterbach, Juso-Chefin Jessica Rosenthal. Und noch viele mehr. Nur die SPD-Vorsitzende Saskia Esken fehlt entschuldigt. Sie liegt mit gebrochenem Fuß im Krankenhaus, eine der wenigen schlechten Nachrichten an diesem Tag.
Kutschaty verspricht: Entlastung für die Pflege
Mit „Thomas, Thomas“-Sprechchören empfängt die Menge Kutschaty, als dieser die Bühne betritt, die unmittelbar vor dem Kölner Dom aufgebaut ist. Langer Applaus. „Hallo Köln! Hallo Nordrhein-Westfalen“, ruft der gut gelaunte Spitzenkandidat und wird sogleich von einer lauten Gruppe unterbrochen. Sie fordern einen Tarifvertrag und mehr Geld für die Beschäftigten in der Pflege. Die aktuelle, schwarz-gelbe Landesregierung hält sie hin. Kutschaty ruft: „Ihr habt sowas von Recht! Wir brauchen die Entlastung mit einem Tarifvertrag in der Pflege, und dafür steht die SPD in Nordrhein-Westfalen.“
So zieht er die Menschen auf seine Seite. Doch beim Sozialdemokraten wird deutlich: Es ist keine Wahlkampftaktik. Er will wirkliche Verbesserungen in der Pflege, um die Belastung zu reduzieren und die Überlastung zu verhindern. „Ich finde es schäbig von der Landesregierung, euch über 100 Tage im Unklaren zu lassen, ob es Tarifverhandlungen über eine Entlastung gibt. Mit uns gibt es eine Entlastung, das habt ihr euch verdient“, verspricht er den Demonstrant*innen
„Wir krempeln die Ärmel nach hinten und packen mit an“
Kutschaty knüpft an seinen souveränen Auftritt vom TV-Duell am Vorabend an, tritt aber deutlich energischer auf. Er macht deutlich, wo die Unterschiede liegen zwischen der jetzigen Landesregierung von CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst und dem, was die SPD mit dem bevölkerungsreichsten Bundesland der Republik plant und mit „NRW von morgen“ überschrieben hat.
Kutschaty sagt, er finde es gut, dass sich Wüst klar gegen die Mietpreisbremse ausgesprochen habe. Denn dadurch werde deutlich, wer auf der Seite der circa zehn Millionen Mieter*innen in Nordrhein-Westfalen stehe: „Das ist nicht die Union, das ist die Sozialdemokratie!“ Selbstbewusst verkündet er, beim Wohnungsbau nicht mit dem Finger nach Berlin zeigen zu wollen: „Wir krempeln die Ärmel nach hinten und packen mit an.“ So sollen 100.000 neue Wohnungen pro Jahr entstehen, ein Viertel sozial gefördert.
Das sei das deutlich geeignetere Mittel als die von der Landesregierung kurz vor der Wahl ins Leben gerufene Prämie für den Hauskauf oder -bau. „Wenn ich der allein erziehenden Verkäuferin sage, ich habe zwar keine bezahlbare Wohnung, aber wenn du dir für eine Million ein Haus kaufst, kriegst du 10.000 Euro dazu. Seht ihr, wie bescheuert das ist! So weit weg von den Bedürfnissen der Menschen in Nordrhein-Westfalen kann man gar nicht sein“, kritisiert der SPD-Spitzenkandidat, der übermorgen Ministerpräsident werden will.
Déjà-vu für Scholz
Bundeskanzler ist Olaf Scholz schon. Für ihn ist es beinahe ein Déjà-vu. Denn vor etwas mehr als einem halben Jahr kam Scholz ebenfalls zwei Tage vor der Wahl für seine Abschlusskundgebung nach Köln. Heute wie damals wird er mit „Olaf, Olaf“-Sprechchören gefeiert. Und doch ist die Situation anders. Denn als er davon berichtet, dass er vor wenigen Stunden mit dem russischen Präsidenten Putin telefoniert habe, wird es schnell still auf dem Platz. „Revanchismus und Imperialismus dürfen nicht die Wirklichkeit in Europa bestimmen, deswegen werden wir die Ukraine weiter in ihrem Kampf unterstützen“, macht Scholz deutlich.
Er verweist aber auch auf die Bedeutung einer von Russland unabhängigen Energieversorgung, an der die Bundesregierung mit Hochdruck arbeite. „Wir müssen auch alles dafür tun, dass wir uns unabhängig machen von diesen Dingen, die Putin helfen, diesen Krieg zu finanzieren“, sagt Scholz.
Diese Unabhängigkeit und gleichzeitige Transformation hin zu einer Wirtschaft, basierend auf Erneuerbaren Energien, sei auch für den Industriestandort Nordrhein-Westfalen von enormer Bedeutung. „Deutschland hat nur eine Zukunft als Industrieland. Es geht auch in Zukunft um Stahl, um Chemie, um Maschinenbau, um Zement. All das, was Deutschlands Wirtschaft stark gemacht hat, wollen wir in Zukunft haben, aber klimaneutral. Und wenn wir das können, leisten wir auch einen Beitrag für die ganze Welt“, sagt der Bundeskanzler.
„Thomas Kutschaty, du kannst auf mich zählen!“
Wichtig sei aber auch, die finanziellen Belastungen der Bürger*innen in Deutschland und Nordrhein-Westfalen nicht zu hoch werden zu lassen, betont Scholz und erwähnt die von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten Entlastungspakete. „Wir werden niemanden alleine lassen. Thomas Kutschaty, du kannst da auf mich zählen“, sagt er in einer ungewohnt persönlichen Note.
Er erwähnt die anstehende Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro, die Notwendigkeit einer solidarischen Gesellschaft und die Herausforderungen beim Wohnungsbau. Scholz schließt mit den Worten: „All das sind Themen, um die es geht bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen. Wenn uns der große Aufbruch gelingen soll, dann brauchen wir zwei Dinge: ein NRW, das morgen funktioniert, und den richtigen Ministerpräsidenten Thomas Kutschaty.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo