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So will SPD-Chef Sigmar Gabriel den sozialen Zusammenhalt sichern

Bildung, Wohnungsbau, Arbeit – für Sigmar Gabriel sind das drei zentrale Themen für den Bundestagswahlkampf 2017. Bei der Programmkonferenz „Zusammenhalt und Integration“ der Sozialdemokraten in Nürnberg zeigt sich der SPD-Chef selbstkritisch – und geht gleichzeitig mit Konservativen und Rechten hart ins Gericht.
von Paul Starzmann · 9. Juli 2016
Sigmar Gabriel bei der Programmkonferenz in Nürnberg
Sigmar Gabriel bei der Programmkonferenz in Nürnberg

Die SPD hat einen Fehler gemacht, gesteht Sigmar Gabriel. „Natürlich macht Politik auch mal was falsch“, sagt er am Samstag vor mehreren hundert Genossen und Interessierten bei der dritten Programmkonferenz der SPD in Nürnberg – und meint damit die unter SPD-Finanzminister Peer Steinbrück eingeführte Abgeltungssteuer auf Finanzprodukte. Der Vorteil der Demokratie sei aber, dass solche Fehler gewaltfrei behoben werden könnten. Das gelte auch für manche Beschlüsse der europäischen Politik während der Finanzkrise: „Wir haben den Banken geholfen, nicht den Menschen“, gibt Gabriel zu.

„Klüger als die versnobte politische Klasse“

Die größten politischen Fehler begingen jedoch derzeit die Konservativen, die drohten, Europa scheitern zu lassen. Politiker wie der ehemalige UKIP-Chef Nigel Farage oder der frühere Bürgermeister Londons, Boris Johnson, seien vor allem eins: „selbstverliebt“. Die beiden Brexit-Befürworter hätten Großbritannien in eine tiefe Krise gestürzt. Von den jungen Briten, die mehrheitlich für den Verbleib des Königreichs in der EU votiert hatten, erhofft sich Gabriel, dass sie ihr Land eines Tages wieder zurück in die europäische Union führen. Denn: „Sie sind klüger als die versnobte politische Klasse.“

In ganz Europa versuchten Konservative und Rechtspopulisten die EU auseinander zu treiben, analysiert Gabriel. Die Rechtspopulisten stellten Wirtschaftsinteressen vor Arbeitnehmerrechte und wollten Christen gegen Muslime aufhetzen. Die AfD versuche, die Uhren in Europa zurück zu drehen. „Das werden wir nicht zulassen“, sagt Gabriel. „Wir wollen nicht mehr Europa, sondern ein anderes Europa“, ruft er den Genossen zu. Für den SPD-Chef zählt dazu eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU-Mitgliedsländer sowie ein europäischer Binnenmarkt, „der keine Verlierer produziert“. Gabriel wendet sich gegen Steueroasen in Europa und fordert einheitliche EU-Standards nach dem Motto „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort.“

„Gute Heimat“: In Zukunft ohne die Union?

Mit der CDU könne man darüber aber nicht reden, findet Gabriel. Die SPD wolle wissen, wie Deutschland langfristig sozialer und gerechter werden kann. Die Union aber verweigere sich der Debatte, kritisiert der SPD-Chef. Bei vielen Menschen träfen heute „Abstiegsängste auf Aufstiegsfrust“. Daher gelte es, den Wohlstand auch in Zukunft zu sichern, um Verteilungsgerechtigkeit zu ermöglichen. Ohne Wohlstand, so Gabriel, werde nur der Verteilungskampf härter – die Gesellschaft weniger gerecht.

Für die Bundestagswahl setzt der Parteivorsitzende im Bereich sozialer Zusammenhalt auf drei Hauptthemen: Bildung, Wohnen, Arbeit. Gabriel fordert das Ende des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern in Bildungsfragen. Schulen müssten vor allem in schlechter gestellten Stadtteilen zu „Leuchttürmen“ werden, sagt er. Gabriel will außerdem die Berufsausbildung stärken, mehr staatlichen Wohnungsbau ermöglichen und „die Kommunen in der nächsten Legislaturperiode in den Mittelpunkt stellen“. Sein Ziel: „Wir müssen eine gute Heimat schaffen.“ Für alle: für Zuwanderer ebenso wie für Alteingesessene.

Gabriel: SPD ist „Expertin des Zusammenhalts“

Die SPD sei für alle diese Aufgaben die richtige Partei, die „Expertin des Zusammenhalts“, sagt ihr Vorsitzender. Gerade in Zeiten zahlreicher Krisen seien sozialdemokratische Lösungen mehr gefragt denn je. Im Kampf gegen rechts sowie für mehr Solidarität und Zusammenhalt in der EU dürfe die SPD ruhig lauter werden, findet Sigmar Gabriel: Das friedliche, fortschrittliche Europa müsse mit einer „gemeinsamen Stimme“ sprechen – und nicht nur „im Flüsterton“.

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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