Parteileben

So will die SPD in NRW wieder „nach vorne“ kommen

Auf dem Parteitag der NRWSPD soll der Bundestagsabgeordnete Sebastian Hartmann zum neuen Landeschef gewählt werden. Im vorwärts-Interview erklärt er, mit welchen Themen die Sozialdemokratie künftig punkten will, welche Rolle der Generationswechsel in der Partei spielt und welche Folgen der SPD-Mitgliederzuwachs in NRW hat.
von Bernd Neuendorf · 21. Juni 2018
Designierter Chef der NRWSPD Sebastian Hartmann
Designierter Chef der NRWSPD Sebastian Hartmann

Sebastian Hartmann, Sie kandidieren am kommenden Samstag in Bochum für den Vorsitz der SPD in Nordrhein-Westfalen. Ein bedeutendes, aber sicher auch ein herausforderndes Amt. Was treibt Sie an?

Ich bin mir sicher: Das Ruder reißen wir rum, die besten Zeiten kommen noch. In NRW sind wir die schlagkräftige Opposition mit den besseren Ideen, auf Bundesebene wollen wir den SPD-Erneuerungsprozess voranbringen. Das sind zwei spannende Aufgaben, die ich mit einem guten Team anpacken will. Ich habe Lust auf diese Herausforderung.

Der Parteitag steht unter dem Motto „Auf nach vorne“. Nach der Wahlniederlage in NRW und dem schlechten Abschneiden bei der letzten Bundestagswahl ist in der Partei viel über eine notwendige „Erneuerung“ diskutiert worden. Wo sehen Sie bei der SPD in NRW Veränderungsbedarf? Wie kann es "nach vorne" gehen?

Wir erarbeiten eine neue, sinnstiftende Idee für das Land Nordrhein-Westfalen. Der Weg dahin wird spannend. Wir wollen die Klärung der wichtigsten gesellschaftlichen Fragen in den Mittelpunkt der NRWSPD stellen. Diese Debatte wird in einer Art Gegenstromprinzip organisiert. Die gesamte Sozialdemokratie – von den Ortsvereinen, über die Unterbezirke bis zur Landesebene – soll darüber diskutieren. Gemeinsam liefern wir konkrete Zukunftsideen. Nordrhein-Westfalen gründet auf Arbeit. Also müssen wir als Partei der Arbeit wieder spannender werden. Beim Entwurf des starken, solidarischen Sozialstaats sind wir an vorderster Stelle gefordert. Wenn die Menschen das Gefühl und Wissen haben, dass sich die SPD um die wichtigen Themen in diesem Land kümmert, haben wir es richtig gemacht.

Sie sind zuletzt durch die Unterbezirke und Ortsvereine gereist, um Sie selbst und Ihr Programm vorzustellen. Mit welchen Eindrücken kommen Sie von diesen Besuchen zurück?

Wir wissen alle gemeinsam, dass wir die Wahl verloren haben und nicht die anderen gewonnen. Aber die Zuversicht, es wieder besser zu machen, ist da. Überall habe ich diese Bereitschaft gespürt. Immer mehr Mitglieder sagen: „Die Phase des Trauerns und Selbstmitleids ist nun vorbei. Wir kämpfen ab jetzt gemeinsam“. Das macht mich zuversichtlich und ist echte Motivation.

Es findet auf dem Parteitag ein echter Generationswechsel statt.  Nadja Lüders soll zur Generalsekretärin gewählt werden. Und neben ihr sind auch die nominierten Stellvertreterinnen und Stellvertreter des künftigen Parteivorsitzenden auffällig jung. Wie wird sich das auf die NRWSPD auswirken?

Das Team ist im Schnitt 41 Jahre jung und wird viele Dinge sicherlich anders angehen. Damit übernimmt eine neue Generation Verantwortung. Alle bringen dafür aus allen Landesteilen und Ebenen unterschiedliche Erfahrungen mit. Wir haben die richtige Mischung aus gestandenen Bundes-, Landes- und Kommunalpolitikern wie unserem Duisburger Oberbürgermeister Sören Link. So stellen wir sicher, dass in der SPD alle gemeinsam an der neuen Idee arbeiten. Im Team können wir für NRW viel erreichen.

Die NRWSPD hat im ersten Quartal 2018 über 6000 neue Mitglieder gewonnen. Das bedeutet nach vielen Jahren erstmals wieder einen realen Mitgliederzuwachs. Gleichzeitig sind die aktuellen Umfragewerte im Land und im Bund unbefriedigend. Wie erklären Sie dieses Phänomen?

Die tausenden neuen Mitglieder geben uns Mut: Unglaublich viele Bürgerinnen und Bürger sind der Sozialdemokratie nach wie vor positiv gegenüber eingestellt und wollen, dass wir es besser machen. Die Eintritte erinnern uns aber auch an unsere Verantwortung:  Wenn wir uns nur noch mit parteiinternen Fragestellungen beschäftigen, dann verpassen wir die Chance, über das Politische zu reden, das für die Öffentlichkeit wirklich von Interesse ist. Ich will dafür sorgen, dass wir anhand von Zukunftsdebatten wieder konstruktiv streiten. So bleibt die SPD für die Bürgerinnen und Bürger spannend.

Als Bundestagsabgeordneter sind Sie vor allem mit der Verkehrspolitik und Fragen der Digitalisierung befasst. Was sind darüber hinaus aus Ihrer Sicht die wichtigsten politischen Themen, die jetzt in NRW und im Bund angegangen werden müssen?

NRW ist vom Strukturwandel immer betroffen. Uns allen muss klar sein: Das klappt nicht nur mit  Dienstleistungen. Nordrhein-Westfalen muss ein guter Standort für industrielle Arbeitsplätze bleiben – Stichwort Industrie 4.0. Der Wandel gelingt dann, wenn die Zukunft ein Plus an sozialer Absicherung beinhaltet. Dafür brauchen wir gute Arbeit. Wichtig ist zudem die kommunale Entschuldung. Städte und Gemeinden müssen wieder in die Zukunft investieren können und nicht von ihrer Schuldenlast erdrückt werden. Deswegen brauchen wir eine „Bad Bank“ für ihre Altschulden. Warum sollte das bei Zocker-Banken gehen, aber bei Kommunen nicht? Die Wohnungsnot und die explodierenden Mieten sind ein weiterer Punkt. Die zuständigen CDU/CSU-Minister in NRW und im Bund schauen da tatenlos zu. Das ist ein sozialer Sprengstoff und die Politik muss viel mehr in den sozialen Wohnungsbau investieren. Wir brauchen dafür eine öffentliche Wohnungsbaugesellschaft in NRW.

Von einem Landesvorsitzenden wird auch erwartet, dass er die Abteilung „Attacke“ bedient. Die neue konservativ-liberale Landesregierung in NRW bietet hierzu nach dem ersten Regierungsjahr bereits reichlich Gelegenheit. Parteifreunde bezeichnen Sie gerne als reflektiert, strukturiert und besonnen. Werden wir auf dem Parteitag auch einen angriffslustigen Sebastian Hartmann erleben?

Na klar. Dabei wird es aber nicht ausreichen, jemanden wie Armin Laschet ins Fenster zu stellen, auch wenn er dazu viele Gelegenheiten bietet. Wir sind anders, wir sind besser als die CDU, deren plumpe Parolen wir noch aus dem Wahlkampf kennen. Wir werden unsere Angriffslust immer mit spannenden Ideen verknüpfen.

Zum Abschluss: In NRW kommt man nicht um die Frage herum, wie man es mit dem Fußball hält. Köln, Gladbach, Dortmund, Schalke, Leverkusen oder Düsseldorf. Für wen schlägt Ihr Herz?

Für den FC Schalke 04, ganz klar. Aber die NRWSPD bildet beim Parteitag auch ein starkes Team. Nadja Lüders drückt ja dem BVB die Daumen. Das passt schon.

 

 

Schlagwörter
Autor*in
Bernd Neuendorf

war Parlamentsredakteur für verschiedene Tageszeitungen sowie Sprecher der SPD und der NRWSPD. Für den vorwärts berichtet er vor allem aus Nordrhein-Westfalen.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare