Parteileben

So reagiert die SPD auf den Rücktritt von Andrea Nahles

Die Rücktrittsankündigung von Andrea Nahles hat unterschiedliche Reaktionen in der SPD hervorgerufen. Während Vize-Kanzler Olaf Scholz vor allem Nahles‘ Verdienste würdigte, mahnen Juso-Chef Kevin Kühnert und andere einen besseren Umgang innerhalb der Partei an.
von Kai Doering · 2. Juni 2019
Andrea Nahles hat Ende Oktober ihr Bundestagsmandat abgegeben.
Andrea Nahles hat Ende Oktober ihr Bundestagsmandat abgegeben.

Die Ankündigung kam für die meisten überraschend. In einer E-Mail an die Parteimitglieder hat SPD-Chefin Andrea Nahles Sonntagmorgen angekündigt, in der kommenden Woche sowohl vom Partei- als auch vom Fraktionsvorsitz zurückzutreten. In einer ersten Reaktion würdigte Vizekanzler und SPD-Vizechef Olaf Scholz Nahles‘ Verdienste. Sie habe „in schwierigen Zeiten Verantwortung übernommen und ein schweres Erbe angetreten“, schrieb Scholz auf Twitter. „Sie hat nun eine persönliche Entscheidung getroffen, die Respekt verdient und die ich persönlich bedaure.“

Dulig: „Man(n) hat es ihr wahrlich nicht leicht gemacht.“

Auch Sachsens SPD-Vorsitzender Martin Dulig zollte der scheidenen Vorsitzenden Respekt. „Der Rücktritt von Andrea Nahles war richtig“, schrieb er bei Twitter. Das Richtige zu tun sei manchmal schwieriger als an Falschem festzuhalten. „Sie hat in schwerer Zeit das Amt der Vorsitzenden übernommen und man(n) hat es ihr auch wahrlich nicht leicht gemacht. Deshalb mein ausdrücklicher Respekt!“

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil dankte Andrea Nahles „für die vertrauensvolle und faire Zusammenarbeit“ und kündigte an: „Wir werden jetzt besonnen aber konsequent über die nächsten Schritte entscheiden.“ Noch am Sonntagabend wird sich das Parteipräsidium treffen. Für Montag war bereits vor Nahles‘ Rücktrittsankündigung eine Klausur des Parteivorstands angesetzt worden, um die Niederlage bei Europa- und Bremenwahl aufzuarbeiten.

Kühnert: „Ich schäme mich.“

„Alle notwendigen programmatischen, organisatorischen und personellen Weichenstellungen müssen sorgfältig, gemeinsam, transparent und mit größtmöglicher innerparteilicher Demokratie auf den Weg gebracht werden“, mahnte bereits Ralf Stegner via Facebook an. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende kritisierte auch den Umgang innerhalb der Partei und inbesondere mit Andrea Nahles. Dieser sei „überhaupt nicht vom sozialdemokratischen Grundwert der Solidarität geprägt“ gewesen. „Wenn wir neues Vertrauen gewinnen und diese gravierende Krise überwinden wollen, muss sich das grundlegend ändern“, forderte Stegner.

Noch deutlichere Worte fand Juso-Chef Kevin Kühnert. „Wer mit dem Versprechen nach Gerechtigkeit und Solidarität nun einen neuen Aufbruch wagen will, der darf nie, nie, nie wieder so miteinander umgehen, wie wir das in den letzten Wochen getan haben. Ich schäme mich dafür“, schrieb er auf Twitter. Als „schändlich“ bezeichnete auch Europa-Staatsminister Michael Roth den öffentlichen Umgang der Partei mit Andrea Nahles. „Einige in der SPD sollten sich schämen.“ Seine Partei rief Roth auf, „ sich mutig, frisch und munter“ neu aufzustellen und dabei ihre Türen weit zu öffnen, Rituale zu überwinden und sich nicht in Hinterzimmer zurückzuziehen.

Hartmann: „Es wird ein langer Weg“

Nordrhein-Westfalens SPD-Vorsitzender Sebastian Hartmann sieht die Pateispitze in der Pflicht, die Krise zu beenden. „Die gesamte verantwortliche Führung ist nun zur Aufarbeitung und Kursneubestimmung aufgerufen“, sagte Hartmann und mahnte „mehr gemeinsame und weniger einsame Entscheidungen“ an. Deutschland brauche eine starke, selbstbewusste und zukunftsgewandete SPD. „Es wird ein langer Weg.“

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und stellvertretende SPD-Vorsitzende Malu Dreyer mahnte die Partei zur Geschlossenheit. Die Situation sei „sehr, sehr ernst“ sagte Dreyer bei einer Pressekonferenz. Deshalb sei es wichtig, anstehende Entscheidungen besonnen zu treffen. „Diese Partei ist in einer extrem ernsten Situation. Und wenn wir es jetzt nicht verstehen, zusammenzuhlaten und soliarisch einen Weg da raus zu finden, dann sieht es wirklich schwarz aus für die SPD.“

Mitgliederbefragung und Sonderparteitag gefordert

Die Basisinitiative „SPDplusplus“, die sich nach der Bundestagswahl 2017 gegründet hatte, um innerhalb der Partei eine Erneuerung voranzutreiben, fordert unterdessen, über die Nachfolge von Andrea Nahles die Mitglieder entscheiden zu lassen. „Das ist ein Moment, der nicht mit Gelerntem und althergebrachten Ritualen vergehen darf. In dem nicht Hinterzimmer und die, die am längsten dabei sind, entscheiden, was passiert“, heißt es in einem Aufruf, der am frühen Sonntag Nachittag im Internet veröffentlicht wurde. „Wir brauchen stattdessen einen Moment der Befreiung vom Alten. Und das kann nur über eine Mitgliederbefragung und einen offenen Prozess passieren.“

Die Landesverbände Schleswig-Holstein und Bayern hatten bereits in der vergangenen Woche beantragt, den Bundesparteitag zur Wahl der Parteispitze aus dem Dezember vorzuziehen. „Wir halten als BayernSPD unseren Vorstandsbeschluss, Vorziehen des Parteitages auch in dieser veränderten Situation für folgerichtig“, schriebt die bayerische SPD-Vorsitzende Natascha Kohnen am Sonntag auf Twitter.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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