So bereitet sich die SPD auf den Corona-Wahlkampf vor
Im letzten Bundestagswahlkampf haben Josephine Orthleb und ihr Team an 12.000 Haustüren geklingelt. „Außerdem war ich auf so ziemlich allen Festen, die es in meinem Wahlkreis gab“, erzählt die 34-Jährige. Der Einsatz hat sich gelohnt: 2017 zog sie erstmals für die SPD in Saarbrücken in den Bundestag ein.
An Türen klingeln, Feste besuchen – all das wird im kommenden Bundestagswahlkampf wahrscheinlich nicht so ohne weiteres möglich sein. „Corona wird auch diesen Wahlkampf verändern“, sagt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Um über mögliche Formate zu sprechen und gemeinsam Ideen zu entwickeln, hat er am Freitagnachmittag zu einer digitalen Wahlkampfkonferenz eingeladen. Mit dabei sind Kandidat*innen für die Bundestags- aber auch für die diversen Landtagswahlen, die 2021 stattfinden.
„Wir wollen den modernsten digitalen Wahlkampf machen.“
„Dies wird ein Wahlkampf, wie wir ihn noch nie erlebt haben“, sagt Klingbeil gleich zu Beginn – und zwar ohne Wehmut. Er selbst sieht die veränderte Situation nämlich auch als Chance, zu überraschen. „Wir wollen den modernsten digitalen Wahlkampf machen“, kündigt Klingbeil an.
Wie das aussehen kann, weiß Josephine Orthleb. Nicht erst seit Corona setzt die Bundestagsabgeordnete auf soziale Medien. „Ich mache Instagram live mit den Menschen bei mir vor Ort oder gehe mit ihnen spazieren und mache dabei ein Video“, erzählt sie bei der Wahlkampfkonferenz. Damit erziele sie eine „Wahnsinnsreichweite“.
„Corona kann der Durchbruch sein für den digitalen Wahlkampf.“
Das ist auch die Erfahrung von Daniel Stich. „Corona kann der Durchbruch sein für den digitalen Wahlkampf“, meint der Generalsekretär der SPD in Rheinland-Pfalz. Im Sommer hat die Partei dort einen komplett digitalen Parteitag abgehalten – als erster Landesverband der Sozialdemokrat*innen. „Viele haben Lust darauf, digital zu arbeiten“, ist Stichs Eindruck. „Wir müssen nur den Mut haben, auch mal etwas Neues auszuprobieren.“
Die Reichweite digitaler Formate sei zudem deutlich größer als die analoger Veranstaltungen, hat Stich festgestellt. Kämen zur Rede eine*r Kandidat*in vielleicht 100 Zuhörer*innen, könnten im Internet leicht zehn Mal so viele Menschen erreicht werden – allerdings wahrscheinlich andere als bei der Rede vor Ort. „Wir brauchen auch analoge Elemente, um im Wahlkampf alle zu erreichen“, räumt Daniel Stich ein.
„Wir müssen Online und Offline miteinander verknüpfen.“
Das sieht Dorothee Martin genauso. „Wir müssen Online und Offline miteinander verknüpfen“, sagt die Bundestagsabgeordnete. Das Motto müsse lauten: Videos und Infostand. In ihrem Hamburger Wahlkreis versucht sie dabei stets, lokale Themen mit der Bundespolitik zu verbinden und nutzt dabei stark die sozialen Medien. „Da bekommt man auch mal Zunder“, berichtet Martin. Unter manchen Posts gebe es zahlreichen Fragen, die alle beantwortet werden wollten. Aber der direkte Kontakt lohne sich.
„Traut euch, eine richtig gute digitale Kampagne aufzulegen“, lautet Dorothee Martins Rat an die anderen Wahlkämpfer*innen. Das müsse auch nicht viel kosten. „Mit ein paar 100 Euro“ könne man schon eine Menge erreichen, „aber nicht nach dem Gießkannenprinzip“, warnt Dorothee Martin.
„Habt den Mut, nicht perfekt zu sein“, rät auch Raphael Brinkert. Er betreut mit seiner Agentur den Bundestagswahlkampf der SPD und will die Partei dabei ins rechte Licht rücken. „Wir werden die SPD als Haltungspartei präsentieren“, verrät Brinkert, der sich vor allem im Sportbereich einen Namen gemacht hat. Es gehe nun darum, „die Erfolge der SPD herauszustellen und zu erzählen, wer der Urheber ist“.
„Das wird eine Wahl, bei der alles möglich ist.“
Auf einen kommt es dabei natürlich besonders an: den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz. Auch er kommt bei der digitalen Wahlkampfkonferenz zu Wort. Seine wichtigste Botschaft des Tages hat er bereits einige Stunden zuvor per Twitter verbreitet:
Bei der Konferenz wiederholt er das nochmal.
„Wir haben uns viel vorgenommen“, sagt Olaf Scholz. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass viele Menschen mit ihren Problemen „nicht mehr im Blick sind. Das muss anders werden.“ Es gehe um Anerkennung. Dass es dafür die SPD braucht, steht für Olaf Scholz außer Frage. Ebenso, dass die SPD bei der Bundestagswahl gute Chancen habe. „Wir können so stark sein, dass wir die nächste Bundesregierung führen“, sagt Scholz. „Das wird eine Wahl, bei der alles möglich ist.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.