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„Sieg der Haltung“: Was die SPD von Malu Dreyer lernen kann

Von Malu Dreyer lernen heißt siegen lernen. Das war der allgemeine Tenor nach dem Super-Wahlsonntag. Aber auch aus Niederlagen kann man lernen. Die Schlussfolgerungen liegen auf der Hand.
von Farhad Dilmaghani · 21. März 2016
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Malu Dreyer hat mit einem engagierten Haltungswahlkampf gewonnen. Grundlage war eine solide Landespolitik, die soziale Gerechtigkeit ins Zentrum stellt. Ein professioneller Regierungsstil mit Herz und Verstand. Und ein Regierungsprogramm, das unter dem Titel „Unser Land von Morgen“ Zukunftsthemen systematisch herausgearbeitet hat. Es war eine klare Persönlichkeitswahl gegen den Bundestrend. Und die Wahlanalysen zeigen: Die größten Zugewinne der SPD finden vor allem bei den Frauen und formal höher Gebildeten statt.

„Soziale Gerechtigkeit“ ist wichtigstes Thema der SPD-Wähler

Die SPD konnte die meisten Stimmen von den Grünen und aus dem Nichtwählerlager mobilisieren. Mit 61 Prozent war das Thema „soziale Gerechtigkeit“ das Hauptthema für die Wähler der SPD, gefolgt von „Wirtschaft und Arbeit“ (35 Prozent) und „ Flüchtlinge“ (21 Prozent). Zum Vergleich: Bei 65 Prozent der AfD-Wähler waren die „Flüchtlinge“ das wichtigste Thema für ihre Wahlentscheidung. Hier ist eine klare Fixierung erkennbar, die sich durchzieht. Und auch jüngst bei den Kommunalwahlen in Frankfurt am Main, wo die SPD mit klarer Haltung, attraktivem Personal und erkennbaren Gerechtigkeitsthemen in die Offensive gegangen ist, hat es gut geklappt. So gelingt es, das Zutrauen einer Wählerschaft zu gewinnen, die nicht nur angesichts der Flüchtlingskrise verunsichert ist.

Aus den deutlichen Niederlagen sind auch einige Erkenntnisse zu gewinnen: In Baden-Württemberg geht mehr als die Hälfte aller Stimmverluste an die Grünen und die AfD. Nils Schmid konnte trotz eines inhaltlich guten Wahlkampfes wenig mobilisieren. Die meisten Wähler der SPD waren Stammwähler bei einem insgesamt katastrophalen Ergebnis. Auch hier spielte das Thema „soziale Gerechtigkeit“ für 61 Prozent für die SPD-Wählerschaft die alles überragende Rolle. Nur 21 Prozent der SPD-Wähler gaben auf die Frage nach dem wichtigsten Thema der Wahl die Antwort „Flüchtlinge“.

Profil und Haltung sind entscheidend

Die Analyse für Sachsen-Anhalt unterscheidet sich für die SPD nicht wesentlich hinsichtlich der Qualität der Stimmverluste und der Relevanz der Themen. Bemerkenswert hier, dass das Thema „Flüchtlinge“ sogar nur für 17 Prozent der SPD-Wähler entscheidend war. Dasselbe Muster: Für die AfD-Wähler waren „Flüchtlinge“ und erst danach die „soziale Gerechtigkeit“ die Topthemen der Wahl.

Daraus ergeben sich einige wesentliche Schlussfolgerungen für die SPD, die in den kommenden Wahlkämpfen bis zur Bundestagswahl entscheidend sein könnten:
  • Das Profil und die Haltung des Spitzenkandidaten
  • Das Thema „soziale Gerechtigkeit“: Soziale Gerechtigkeit wird dabei nicht nur als Thema von Investitionen in den sozialen Zusammenhalt gesehen sondern auch als Thema der Aufstiegs,- Einkommens,- Vermögens,- und Machtverteilungschancen in Deutschland.
  • Die SPD punktet im besten Falle etwa gleichermaßen in allen Bildungsmilieus mit einem leichten Übergewicht bei den formal niedrig Gebildeten. Das sollte jedoch nicht zu einer einseitigen Fokussierung führen. Als Volkspartei wollen wir alle mitnehmen.
  • Frauen sind besser für die SPD-Themen mobilisierbar.
  • Die SPD muss die AfD insbesondere bei den Themen „Soziale Gerechtigkeit“ sowie „Rassismus und offene Gesellschaft“ stellen. Die SPD-Klientel geht vergleichsweise gelassen mit dem Thema „Flüchtlinge“ um. 
  • Es droht, dass die SPD mit ihren eigenen Wähler langsam ausstirbt. Gerade auch in der Einwanderungsgesellschaft muss die SPD attraktive thematische und personelle Angebote auch für die Jüngeren unterbreiten, die das Thema „Vielfalt“ ins Zentrum stellen („Offenheit“ war ein wichtiges Kampagnenmotiv bei Malu Dreyer).

Auch wenn es angesichts der Wahlergebnisse nicht auf der Hand liegt: Der Mainstream der Republik ist heute eher sozialdemokratisch. Die Kernfrage lautet daher: wie sozialdemokratisch wird die SPD insbesondere über die Leitmedien und in den sozialen Netzwerken wahrgenommen.

Freiheit aller als Maxime sozialdemokratischer Politik

Die Grundwertekommission der SPD formulierte bereits 2010 in ihrem lesenswerten Dokument „Die Zukunft der SPD als Volkspartei“: „Der besonderen Werte- und Interessenschwerpunkt der SPD ... liegt im Ziel der gleichen Freiheit aller, besonders auch im Hinblick auf die sozialen und materiellen Bedingungen der Freiheit. Darin besteht das Gravitationszentrum aller Integrations- und Gemeinwohlbemühungen der SPD als Volkspartei. Dies war immer das Selbstverständnis der SPD als Volkspartei.“
 
Und weiter: „Will die SPD ihren Charakter als linke Volkspartei erneuern, muss ihr wieder gelingen, was ihr in guten Zeiten immer gelang: ein Bündnis zwischen Facharbeitern/Angestellten und den aufgeklärten, solidarischen Bürgern zu schmieden. Hierbei geht es um viel mehr als nur um eine Strategie zur Mehrheitsfähigkeit. Es handelt sich um die ureigene Aufgabe der SPD, es geht um ihre Existenzberechtigung als linke Volkspartei.“

„Der Schlüssel liegt bei uns“

In diesem Sinne: Ran an die Arbeit! Der Schlüssel liegt in einer erneuerten Parteikultur und einer zukunftsfähigen Programmatik, bei der wir uns selber treu bleiben und respektvoll miteinander umgehen. Das spüren die Menschen. Und dann wird es auch besser gelingen, uns selbst und anderen Mut zu machen. Die Menschen auch zu erreichen. So wie es Malu Dreyer vorgemacht hat.
Autor*in
Farhad Dilmaghani
Farhad Dilmaghani

ist Mitglied der SPD Charlottenburg-Wilmersdorf in Berlin.

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