vorwärts.de: Fritz Rudolf Körper, ab November 2010 wird es in Deutschland einen elektronischen Personalausweis geben. Was ist das Neue daran gegenüber den bisherigen Ausweisen?
Der neue Personalausweis enthält zusätzliche Funktionen. Er ist herkömmlicher Ausweis und ermöglicht zusätzlich einen elektronischen Identitätsnachweis. Der neue Ausweis kann also zum Beispiel im Internet eingesetzt werden. Zudem können Ordens- oder Künstlernamen in den Ausweis aufgenommen werden.
Was genau sind die Vorteile des elektronischen Personalausweises für den Staat und für den Bürger?
Der Inhaber kann im Internet seine Identität zuverlässig nachweisen. Das funktioniert wie bei Kreditkarten und erleichtert die elektronische Kommunikation sowohl gegenüber Behörden als auch bei privaten Rechtsgeschäften. Die verschlüsselt gespeicherten Daten erhöhen zusätzlich die Sicherheit vor Fälschung und Missbrauch.
Warum hat die SPD gegen den Widerstand der Union durchgesetzt, dass der Fingerabdruck beim elektronischen Personalausweis - im Gegensatz zum elektronischen Reisepass - freiwillig und nicht verpflichtend ist?
Im Unterschied zu den Reisepässen gibt es für den Personalausweis keine europarechtliche Verpflichtung, Lichtbild und Fingerabdrücke im Ausweis zu erfassen. Auch sonst gibt es keine zwingenden sachlichen Gründe für eine obligatorische Speicherung der Fingerabdrücke.
Der Personalausweis ist so fälschungssicher, dass der Fingerabdruck als zusätzliches Sicherheitsmerkmal nicht notwendig ist. Deshalb wollen wir, dass die Bürgerinnen und Bürger selbst darüber entscheiden können, ob ihre Fingerabdrücke aufgenommen werden oder nicht.
Die Gewerkschaft der Polizei sagt, ein freiwilliger Fingerabdruck werde die Fahndungsmöglichkeiten kaum verbessern. Ein verpflichtender Fingerabdruck wäre besser gewesen.
Der Sinn des Ausweises liegt nicht in einer Verbesserung der Fahndung. Da der Fingerabdruck nur im Ausweis und nicht in gesonderten Dateien gespeichert wird, wäre auch ein obligatorischer Fingerabdruck für die Fahndung wenig hilfreich. Die nächste Forderung wäre dann die nach einer zentralen Speicherung aller Fingerabdrücke. Eben das wollten wir nicht.
Kritiker fürchten, der freiwillige Fingerabdruck führe dazu, dass Bürger, die ihren Fingerabdruck nicht abgeben, sich dadurch verdächtig machten. Ist das so? Und wie kann man das ausschließen?
Wir haben dies gesetzlich durch die Verankerung eines ausdrücklichen Benachteiligungsverbots ausgeschlossen. Keine Behörde darf negative Schlüsse aus dem Umstand ziehen, dass von einer Option kein Gebrauch gemacht wird. Es ist eine Option für den Bürger und nicht gegen den Bürger.
Kann man seine Entscheidung für die Speicherung der Fingerabdrücke wieder revidieren?
Ja, wer seine Meinung ändert, kann einen neuen Personalausweis beantragen. Niemand muss sich auf Dauer festlegen.
Die Opposition vermutet, der freiwillige Fingerabdruck sei nur der Anfang.
Irgendwann werde er doch Pflicht.
Da die Zukunft immer offen ist, kann keiner von Vermutungen ins Blaue hinein abgehalten werden. Wir haben eine gesetzliche Begrenzung geschaffen, die wir auch beibehalten wollen.
Die Freiwilligkeit provoziert natürlich die Frage: Braucht der Staat den Fingerabdruck nun oder braucht er ihn nicht?
Die Freiwilligkeit gibt auch die Antwort: Die Option nützt in erster Linie den Bür gerinnen und Bürgern. Im Einzelfall kann das gespeicherte biometrische Merkmal die Identifizierung durch staatliche Organe erleichtern, das geht aber auch ohne.
Experten haben nachgewiesen, dass Fingerabdrücke leicht kopiert werden können und dadurch die Missbrauchsgefahr wächst. Wie wird dieser Gefahr begegnet?
Diese Gefahr hat mit dem neuen Personalausweis nichts zu tun. Selbstverständlich hinterlassen wir tagtäglich auf vielen Gegenständen unsere Fingerabdrücke. Die können von Dritten kopiert und an anderen Orten hinterlassen werden.
Beim neuen Personalausweis geht es ausschließlich darum, dass der verschlüsselt gespeicherte Fingerabdruck mit dem Fingerabdruck der Person verglichen wird, die den Personalausweis vorlegt.
Datenschützer warnen, der neue Ausweis lasse eine Ortung der Ausweisträger zu und das Erstellen von Bewegungsprofilen. Wie kann das ausgeschlossen werden?
Ein Zugriff auf den Chip ist - unter Nutzung von bestimmten Kenndaten - nur bis zu einer Entfernung von 20 Zentimetern möglich. Eine Ortung aus der Entfernung ist damit ausgeschlossen.
Der neue Ausweis enthält auch einen Funk-Chip. Einige Datenschützer sehen hier die Gefahr, dass der Chip geknackt und die Informationen abgelesen werden. Wie realistisch ist dieses Szenario?
Zum Auslesen des Chips müssen das Geburtsdatum, die Passnummer und das Ablaufdatum des Passes bereits bekannt sein und dem Chip übermittelt werden. Im Übrigen: Wer diese zur Auslesung nötigen Daten kennt, wird auch die anderen Daten (Name, Geburtsdatum, Geschlecht, Staatsangehörigkeit) bereits kennen.
Welche Kosten bedeutet der neue Ausweis für den Staat, welche für die Bürger?
Durch die Einführung des elektronischen Personalausweises werden beispielsweise neue Lesegeräte notwendig. Die notwendigen Investitionen des Bundes bleiben aber überschaubar. Die Höhe der Gebühren für den neuen Personalausweis ist noch nicht festgelegt.
Interview: Lars Haferkamp