Parteileben

Serpil Midyatli: „Ich möchte die SPD wieder zu einer politischen Heimat machen“

Am Wochenende ist Serpil Midyatli mit 90,1 Prozent zur Vorsitzenden der SPD Schleswig-Holstein gewählt worden. Sie ist die erste Muslima, die den Landesverband einer deutschen Partei anführt. Midyatli möchte die SPD im Norden breiter aufstellen. Mit Optimismus und progressiver Politik.
von Jonas Jordan · 3. April 2019
Großer Jubel bei Serpil Midyatli, nachdem sie mit 90,1 Prozent zur neuen Landesvorsitzenden der SPD Schleswig-Holstein gewählt worden ist
Großer Jubel bei Serpil Midyatli, nachdem sie mit 90,1 Prozent zur neuen Landesvorsitzenden der SPD Schleswig-Holstein gewählt worden ist

Sie sind mit 90,1 Prozent zur Landesvorsitzenden gewählt worden. Zufrieden mit dem Ergebnis?

Ja, auf jeden Fall. Das ist ein großartiges Ergebnis.

Sie haben in Ihrer Rede auf dem Parteitag gesagt: „Ich kandidiere nicht, um einfach so weiterzumachen. Ich will über den Tellerrand hinausblicken.“ Was bedeutet das?

Mein Verständnis von Parteiarbeit ist, dass sich auf der einen Seite die Fraktion um die tägliche praktische Arbeit kümmert. Auf der anderen Seite gibt die Partei Antworten, die weiter in die Zukunft gehen. Zur inhaltlichen Unterstützung möchte ich gerne ein Expertenteam zusammenstellen und Menschen einladen, mit uns gemeinsam Themen wie Mobilität, die Zukunft des ländlichen Raums oder Wohnungsbau zu diskutieren. Die Frage ist, wie wir im Jahr 2040 zusammenleben wollen in Schleswig-Holstein. Vor welchen Herausforderungen steht das Land?

Wir wollen in großen Linien denken. Das war schon immer die Stärke der SPD. Wir werden das mit Praktikerinnen und Praktikern tun, die im täglichen Leben mit Menschen und ihren Herausforderungen arbeiten. Ihre Erfahrungen sollen in unsere Politik einfließen. Oftmals treffen wir auf einer Ebene eine Entscheidung, merken aber vor Ort, dass es bei den Menschen gar nicht so ankommt.

Wie könnte die Kommunikation besser funktionieren?

Bei der Grundrente von Hubertus Heil ist uns das richtig gut gelungen: Wir haben ein Ziel definiert und können für den einzelnen Menschen genau sagen, wie sich sein Leben durch die SPD verbessert.

Gibt es für Sie ein Thema, das Ihnen besonders am Herzen liegt?

Das ist vor allem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich möchte mehr für die Menschen tun, die in der Rush-Hour ihres Lebens sind. Viele Männer und Frauen müssen und wollen beide arbeiten. Dafür muss in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein noch einiges passieren. Wir brauchen mehr Kita-Plätze und endlich die Beitragsfreiheit wie in unseren Nachbarländern Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. Und wir müssen die Betreuung sicherstellen, wenn die Kinder in die Grundschule kommen.

Innerhalb der Partei möchte ich weiter offensiv um neue Mitglieder werben. Im Bereich der Frauenförderung müssen wir ganz besonders nachlegen, so dass mehr Frauen zu uns kommen und mit uns gemeinsam Politik machen. Auf Landes- und Bundesebene bekommen wir das schon gut hin. Diese Stärke brauchen wir aber auch auf der kommunalen Ebene.

Stichwort Frauenförderung: Die Europawahlkandidatin Delara Burkhardt hat Sie nach Ihrer Wahl als Vorbild bezeichnet. Was glauben Sie, wieso Sie ein Vorbild für junge Frauen sind?

Das hat mich total geehrt. Delara ist so eine großartige Frau und selbst ein Vorbild für ganz viele junge Frauen. Nachdem ich meine Kandidatur bekannt gegeben hatte, sind ganz viele gut ausgebildete Frauen zu mir gekommen und haben von gläsernen Decken berichtet, die sie selbst in Institutionen und Unternehmen spüren. Sie wollen auch einen Beitrag leisten, um mitzumachen. Die eine oder andere Frau hat gesagt: ‚Wenn Sie gewählt sind, trete ich auch in die SPD ein.‘ Es braucht immer Vorbilder in der Politik. Ich hatte meine und es freut mich natürlich, wenn ich für die eine oder andere auch ein Vorbild sein kann.

Wer waren Ihre Vorbilder?

Die frühere Ministerpräsidentin Heide Simonis hat mich sehr beeindruckt, noch bevor ich in die SPD eingetreten bin. In meinem Ortsverein hatte ich mit Sonja Plambeck eine starke Gewerkschafterin, eine total kluge und starke Persönlichkeit, die mich unterstützt und gefördert hat. Diese Unterstützung möchte ich jetzt auch anderen jungen Frauen geben.

Sie sind die erste Muslima, die Landesvorsitzende einer deutschen Partei ist. Spielt das für Sie eine Rolle?

Für mich spielt das gar keine Rolle. Ich finde, Religion ist Privatsache. Ich fand es großartig, dass bei meiner Vorstellung in den Ortsvereinen und Kreisverbänden weder meine Religion noch mein Migrationshintergrund ein Thema waren. Das zeigt wieder einmal, dass die SPD viel weiter ist. Was gesellschaftspolitische Themen angeht, kann die Partei Vorbild sein und Maßstäbe setzen. Ähnlich war es, als es um die Ehe für alle oder eine moderne Familienpolitik ging.

Es ist richtig, wenn wir als SPD in gesellschaftspolitischen Fragen die Ersten sind. Für Schleswig-Holstein passt das sowieso gut. Denn wir hatten auch die erste Ministerpräsidentin und die erste Landtagspräsidentin.

Von 2007 bis 2009 hatten Sie einen Cateringservice mit dem Namen „Pfeffer und Minze“. Ist das auch die richtige Gewürzmischung für Landespolitik in Schleswig-Holstein?

Bestimmt, das hoffe ich doch.

Ihr Vorgänger Ralf Stegner war zwölf Jahre Landesvorsitzender. An welche Aspekte seiner Arbeit möchten Sie anknüpfen?

An die programmatische Ausrichtung als progressiver Landesverband werde ich auf jeden Fall anknüpfen. Außerdem werde ich viel auf Dialog setzen und auf die Bereitschaft von vielen Genossen, sich an den Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Ich möchte die SPD für viele Menschen wieder zu einer politischen Heimat machen.

Sie vermitteln ein sehr positives und lebensfrohes Bild. Ist Optimismus ein Grundmotiv Ihrer politischen Arbeit?

Absolut. Ich bin ein sehr positiver Mensch. Für mich ist das Glas immer halb voll und ich suche nach einer Möglichkeit, es noch weiter aufzufüllen. Wenn es ein Problem gibt, halte ich mich nicht so lange mit der Frage nach dem Schuldigen auf. Das bringt uns nicht weiter. Ich möchte so schnell wie möglich an der Lösung arbeiten. Das macht viel mehr Spaß.

Sie haben bisher keinen Twitter-Account. Wollen Sie das ändern?

Eigentlich nicht. Ich bin bei Facebook und Instagram aktiv. Damit fahre ich sehr gut. Twitter ist bisher nicht meins, aber vielleicht ändert sich das noch.

node:vw-infobox

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

0 Kommentare
Noch keine Kommentare