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Scholz in Worms: Mit Zusammenhalt und einem Geheimnis ins Kanzleramt

15 Tage noch bis zur Bundestagswahl. In Worms spricht SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz vor mehr als 1.000 Menschen. Er verspricht einen höheren Mindestlohn, den schnellen Ausbau erneuerbarer Energien und die Chance auf einen Aufbruch.
von Jonas Jordan · 11. September 2021
Endspurt mit Ziel Kanzleramt: 15 Tage vor der Bundestagswahl spricht Olaf Scholz vor mehr als 1.00 Menschen in Worms.
Endspurt mit Ziel Kanzleramt: 15 Tage vor der Bundestagswahl spricht Olaf Scholz vor mehr als 1.00 Menschen in Worms.

Ein Mann mit Fähnchen und Regencape samt SPD-Logo schaut gespannt. Doch eigentlich braucht er es nicht mehr. Denn als Olaf Scholz um 16.30 Uhr die Bühne auf dem Marktplatz vorn Worms betritt, hat es längst aufgehört zu regnen. Die Sonne scheint, der Spätsommer ist da. Die Stimmung ist gut, denn die SPD hat alles, was zu einem Wahlerfolg dazu gehört: eine geschlossene Partei, ein in die Zukunft ausgerichtetes Programm und den richtigen Kandidaten, wie Ministerpräsidentin Malu Dreyer aufzählt. „Er hat als einziger Kandidat das Format, die Linie und das Können, um ins Kanzleramt einzuziehen.“

Luther, Brandt und Scholz

Der rheinland-pfälzische Innenminister und SPD-Landesvorsitzende Roger Lewentz schlägt gar eine lange Brücke in der Historie von Worms, das seit wenigen Wochen den Status als Unesco-Weltkulturerbestadt innehat: Vor 500 Jahren war Martin Luther hier, vor 60 Jahren Willy Brandt und heute Olaf Scholz. Der Letztgenannte verweist hingegen erst einmal auf die Erfolge anderer. „Über 50 Millionen Bürger sind geimpft. Das ist ein Fortschritt, ein Fortschritt aus Rheinland-Pfalz“, sagt er mit Blick auf den in Mainz entwickelten Impfstoff von Biontech.

Zugleich wurde das Bundesland vor nicht einmal zwei Monaten von einer schweren Naturkatastrophe getroffen. Mitte Juli zerstörte eine mehr als acht Meter hohe Flutwelle große Teile des Ahrtales. Scholz unterbrach sofort seinen Urlaub im Allgäu und reiste in die betroffene Region. Er versprach schnelle Hilfen, die in dieser Woche in Höhe von 30 Milliarden Euro durch den Bundesrat final auf den Weg gebracht haben. Insbesondere in den Tagen nach der Flut packten Menschen aus allen Teilen Deutschlands vor Ort mit an. Scholz sagt dazu: „Ich bin unverändert stolz darauf. Das ist eine Haltung, die wir in Deutschland haben. Wir sind ein Land, das zur Solidarität fähig ist.“

Gegen Kinderarmut, für mehr Wohnungen

Diesen Zusammenhalt wünsche er sich auch für andere Bereiche. Er kündigt an, als Bundeskanzler mit einer großen Reform dafür sorgen zu wollen, dass Kinderarmut in Deutschland verschwinde. Zugleich solle auch Wohnraum wieder bezahlbar werden. 400.000 neue Wohnungen sollen in Deutschland künftig jährlich gebaut werden, ein Viertel davon sozial gefördert. „Das geht, wenn man sich anstrengt, aber es funktioniert natürlich nicht, wenn man das Problem nicht angeht“, sagt Scholz. Mit Blick auf die Rente spricht er sich vehement gegen eine Erhöhung des Renteneintrittsalters aus: „Wir machen das nicht mit und wir werden das verhindern.“ Ein stabiles Rentenniveau sei finanzierbar und möglich.

Die grundlegende Voraussetzung für ein hohes Rentenniveau seien aber auch mehr Beschäftigung und höhere Löhne. Scholz will als Bundeskanzler im ersten Amtsjahr den Mindestlohn auf 12 Euro erhöhen und so 10 Millionen Menschen in Deutschland eine Gehaltserhöhung bescheren. Doch dabei dürfe es nicht bleiben, sagt er und thematisiert insbesondere die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen als Ziel. Anerkennung, Solidarität und Respekt sind ein Kernelement seiner Politik. Das wird an diesem Tag einmal mehr deutlich. Denn Scholz sagt: „Wir sind nicht nur Konsumenten, sondern wir haben auch unsere Ehre, und die darf nicht verletzt werden.“

Deutliche Kritik an der Union

Der SPD-Kanzlerkandidat hat einen ambitionierten Plan: den menschengemachten Klimawandel aufhalten, gleichzeitig gute Arbeitsplätze in Deutschland garantieren und damit „die größte wirtschaftliche Modernisierung seit weit über 100 Jahren“ bewältigen. „Dafür brauchen wir mehr Strom aus erneuerbaren Quellen“, sagt er und kritisiert die Union deutlich: Es sei „wirklich schlimm“, dass die CDU/CSU behauptet habe, das sei gar nicht nötig. „Eine weitere von CDU/CSU-geführte Regierung würde Deutschland Wohlstand und Arbeitsplätze kosten. Das darf nicht sein“, sagt er.

Ansonsten geht Scholz kaum auf den politischen Gegner ein. Generalsekretär Lars Klingbeil wird da deutlicher. Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet klinge immer mehr wie ein Mini-Trump, kritisiert er. Auf dem CSU-Parteitag hatte dieser behauptet, dass Sozialdemokraten in allen Entscheideungen der Nachkriegsgeschichte auf der falschen Seite gestanden hätten. Klingbeil hält dagegen: „Ich bin unfassbar stolz auf das, was Sozialdemokraten für dieses Land erreicht haben.“ An den Äußerungen verschiedener CDU-Politiker zeige sich nun, dass die Union auf den Wahlkampf nicht vorbereitet gewesen sei. „Was sie im Adenauer-Haus im Schrank gefunden haben, war Schmutz, aber wir bleiben cool“, sagt er.

Klingbeil: Nicht in der 80. Minute vom Platz gehen

Klingbeil appelliert zudem an die SPD-Anhänger*innen: „Jetzt ist die Chance zum Greifen nah, aber wenn man in der 80. Minute 2:0 führt, geht man nicht jubelnd vom Platz, sondern greift weiter an. Leute, ich will euch kämpfen sehen! Darum geht es in den kommenden 15 Tagen.“ Bei Scholz klingt das Ganze etwas leiser, aber sehr bestimmt. Er erlebe, dass viele Mensch einen Aufbruch und einen sozialdemokratischen Kanzler wollten. „Das ist sehr bewegend für mich, wenn man die Umfragen sieht, aber ich verrate ein Geheminis: Wer will, dass der nächste Kanzler Olaf Scholz heißt, muss SPD wählen. Schönen Dank!“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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