Scholz fordert von SPD schonungslose Analyse und keine Ausflüchte
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Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Olaf Scholz fordert in einem Strategiepapier zur Situation der SPD „eine schonungslose Betrachtung der Lage“. Hamburgs Erster Bürgermeister warnt darin vor „Ausflüchten“, die den Blick auf die tatsächlichen Probleme verstellten.
SPD hat das Land gerechter gemacht
Eine Ausflucht nennt der SPD-Vize die Behauptung, die SPD habe die Wahl verloren, weil sie sich nicht ausreichend für soziale Gerechtigkeit eingesetzt habe. Scholz weist darauf hin, dass die SPD in beiden großen Koalitionen zahlreiche Reformen vorangetrieben habe, die Deutschland sozialer und gerechter gemacht hätten.
„Das Wahlprogramm der SPD bei dieser Bundestagswahl hat mit zahlreichen Konzepten wie der Wiedereinführung der Parität bei den Beiträgen zur Krankenversicherung oder der Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen oder zur Stabilisierung des Rentenniveaus daran angeknüpft“, schreibt der SPD-Vizechef. Der Wahlkampf habe „ganz im Zeichen der sozialen Gerechtigkeit“ gestanden. „Es ist daher nicht plausibel möglich, das Wahlergebnis damit zu begründen, dass die SPD sich nicht genügend für soziale Gerechtigkeit einsetze.“
Ohne Wachstum keine fortschrittliche Politik
Es sei kein Zufall, dass die sozialdemokratischen Parteien in Europa, und generell in den klassischen Industriestaaten, fast zeitgleich nicht mehr an frühere Wahlerfolge anknüpfen könnten. „Überall weisen die Statistiken sinkende Löhne in den unteren Einkommensgruppen und nicht selten auch stagnierende Einkommen in der Mittelschicht aus. Und das sogar, wenn die Volkswirtschaft prosperiert oder wie in Deutschland die Beschäftigungsstatistik Rekordzahlen vermeldet“, analysiert Scholz. Eine gute Einkommensentwicklung, auch der unteren Lohngruppen, sei entscheidend.
Die sozialdemokratischen Parteien müssten plausible Antworten auf die Frage geben können, „wie eine gute Zukunft möglich ist, die sich nicht auf die natürlichen Profiteure der Globalisierung und Digitalisierung beschränkt“. Deutschland sei immer dann erfolgreich gesesen, wenn es auf den technischen Fortschritt gesetzt habe. Wirtschaftlicher Erfolg werde auch in Zukunft nur so möglich sein. Und wirtschaftliches Wachstum werde „eine zentrale Voraussetzung“ bleiben, um eine fortschrittliche Agenda zu verfolgen.
Kompetenz statt Populismus
„Letztlich hilft gegen (rechts)populistische Parteien nur, dass die Volksparteien die richtigen Antworten auf die Fragen unserer Zeit haben – und verstanden werden“, argumentiert Scholz. „Sie müssen die Problemlösungsfähigkeit der Demokratie unter Beweis stellen.“
Der SPD-Vize kritisiert in seinem Papier eine Kultur der fehlenden Anerkennung. Wer Metallbauer, Lagerarbeiter oder Krankenpflegerin werden wolle, habe im Leben nichts falsch gemacht. „Die öffentliche Rede der meist akademisch qualifizierten Mittelschichtsangehörigen in Politik und Medien, klingt aber manchmal so. Und darin liegt eine Kränkung fleißiger Bürgerinnen und Bürger, die sie auch empfinden“, schreibt Scholz. Die einst fortschrittliche Forderung nach dem Aufstieg durch Bildung klinge „in den Ohren weiter Teile der Bevölkerung nach einem elitären Abgrenzungsmerkmal“. Anerkennung stehe jedoch auch denen zu, die keine hoch bezahlten Jobs ausübten.
SPD als progressive Volkspartei
Scholz empfiehlt der SPD, sich „als progressive Volkspartei“ so aufzustellen, dass große Teile der Wählerschaft ihr die Führung der Regierung anvertrauen mögen. Dann werde sie bei Bundestagswahlen neue Erfolge erreichen. „Und deshalb muss die SPD in Fragen der Außenpolitik, der Europapolitik, der äußeren und der inneren Sicherheit, der Wirtschaftspolitik, des Umgangs mit öffentlichen Haushalten aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger im höchsten Maße kompetent sein“, fordert Scholz. „Kompetenz ist auch wegen der Migration gefragt, die die europäischen Gesellschaften vor neue Aufgaben stellt.“ Je unwirtlicher und unsicherer die Welt werde, je mehr werde diese Kompetenzerwartung an Bedeutung gewinnen.
Das Papier „Keine Ausflüchte! Neue Zukunftsfragen beantworten! Klare Grundsätze!“ können Sie hier im Wortlaut nachlesen.