Parteileben

Schock und Trauer: Reaktionen auf den Tod von Thomas Oppermann

Thomas Oppermann ist überraschend am Wochenende verstorben – im Alter von 66 Jahren. Die Reaktionen zeigen: Der SPD-Politiker und Jurist prägte zahlreiche Weggefährt*innen und war über Parteigrenzen hinweg geschätzt.
von Kai Doering · 26. Oktober 2020
Thomas Oppermann galt über Parteigrenzen hinweg als geschätzter Kollege.
Thomas Oppermann galt über Parteigrenzen hinweg als geschätzter Kollege.

„Wir waren seit dem ersten Semester sehr enge Freunde und dementsprechend fühle ich mich“, schreibt Stephan Weil am Montagmorgen. Niedersachsens Ministerpräsident und der Göttinger Bundestagsabgeordnete Thomas Oppermann – die beiden SPD-Politiker verband mehr als die Mitgliedschaft in derselben Partei. Das wird in dem Nachruf auf seinen Tod deutlich.

Dass Oppermann Zeit seines Lebens viele verschiedene Parteiämter bis hin zu Regierungsaufgaben übernahm, darauf weist Weil ebenfalls hin – doch für ihn ist neben der politischen Laufbahn des Genossen etwas anderes wichtiger: „Thomas Oppermann hatte immer ein tiefes, ehrliches Engagement, unsere Gesellschaft besser zu machen. Und das ist ihm an vielen Stellen auch gelungen.“ Er werde ihm sehr fehlen, ergänzt Weil. „Als Bürgerinnen und Bürger können wir nur dankbar sein für seinen unermüdlichen Einsatz für unser Gemeinwesen. Und als Sozialdemokraten sind wir auch ein wenig stolz auf einen der Unseren.“

Rolf Mützenich: „Außergewöhnlicher Politiker“

Weitere Spitzenpolitiker*innen der SPD äußerten sich ähnlich betroffen vom Tod des Genossen. Die Parteivorsitzenden zeigten sich gleichermaßen bestürzt und traurig. „Meine Gedanken sind bei der Familie“, äußerte sich die Parteivorsitzende Saskia Esken in einer ersten Reaktion, die als Abgeordnete auch Kollegin von Oppermann im Bundestag war. Der Co-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans kondolierte ebenfalls Oppermanns Familie: „Wir sind tief erschüttert und trauern mit seinen Angehörigen.“

In einer gemeinsamen Pressemitteilung ergänzten die SPD-Vorsitzenden: „Es mag an seiner Vergangenheit als Richter liegen, dass Thomas Oppermann immer natürliche Autorität, Charisma und Seriosität verkörpert hat. Seine Antworten und Aussagen zeugten stets von großer Sachkenntnis und tief empfundener Überzeugung. Wir sind stolz, dass Thomas einer der Unseren war. Seit 40 Jahren gehörte er der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands an. Wir haben ihm Außerordentliches zu verdanken und werden ihn nicht vergessen.“

Der Bundestagsfraktionsvorsitzende der SPD, Rolf Mützenich, sagte über Thomas Oppermann: „Seine beherzte und zupackende Art machte ihn zu einem außergewöhnlichen Politiker, der immer mit großer Verantwortlichkeit gehandelt hat.“

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil reagierte ebenfalls bestürzt auf die Nachricht. „Thomas hat sich mit Leidenschaft und Verstand um unser Land und die Sozialdemokratie verdient gemacht“, schrieb der Niedersachse. „Die Nachricht erfüllt mich mit tiefer Trauer“. SPD-Finanzminister Olaf Scholz zeigte sich ähnlich betroffen und lobte Oppermann posthum als versierten Politiker, herausragenden Vizepräsidenten im Bundestag und leidenschaftlichen und kämpferischen Genossen. „Wir alle verlieren einen Freund - und sind traurig“, so Scholz.

Wolfgang Schäuble: „Vollblut-Parlamentarier“

In den Reaktionen auf den Tod von Thomas Oppermann mischen sich Trauer mit Wertschätzung, Anteilnahme mit Schock über seinen plötzlichen Tod. Über Parteigrenzen hinweg kondolieren Politiker*innen dem Politiker, der zuletzt als Bundestagsvizepräsident die Debatten im Parlament moderierte. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble erinnert sich an einen Politiker, der seiner Ansicht nach vor allem in sich ruhte, nachdem er sich im Sommer dazu entschlossen hatte, sich im kommenden Jahre aus der Bundespolitik zurückzuziehen.

Er sei voller Vorfreude auf kommende Projekte gewesen, stellte Schäuble fest. „Ich behalte ihn vor allem als Vollblut-Parlamentarier in Erinnerung“, schrieb der CDU-Politiker über seinen Vertreter in einem Statement und ergänzte: „Wir verlieren mit ihm einen besonnenen Kollegen von hohem juristischen Sachverstand und großer politischer Erfahrung.“ Er werde in dieser ungemein herausfordernden Legislaturperiode sehr fehlen, so Schäuble.

Steinmeier: „Überzeugten Demokraten verloren“

Neben Schäuble kondolierten außerdem Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Tode von Thomas Oppermann. Merkel bezeichnete Oppermann als „fairen und verlässlichen sozialdemokratischen Partner“, ließ sie über ihren Regierungssprecher ausrichten, Steinmeier nannte Oppermann in einem Kondolenzschreiben an seine Lebensgefährtin „einen charakterstarken Kämpfer für Demokratie, für den Rechtsstaat, für Fortschritt und Gerechtigkeit. Wir haben einen großartigen Menschen und einen überzeugten Demokraten, einen Parlamentarier aus Leidenschaft verloren.“

Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder nannte Oppermann am Montag eine „wichtige Stütze“ in Niedersachsen – Schröder und Oppermann kannten sich aus Niedersachsen seit über drei Jahrzehnten. Entsprechend persönlich fällt Schröders Abschied am Montag aus: „Ich habe einen politischen Weggefährten und Freund verloren, dem ich viel zu verdanken habe. Thomas, ich werde dich vermissen.“

Auch weitere Politiker anderer Parteien zeigten sich betroffen von dem plötzlichen Tod Oppermanns. CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier nannte den Sozialdemokraten auf Twitter einen „großartigen Demokrat und wirklich feinen Kerl“, FDP-Parteivize Alexander Graf Lambsdorff bezeichnete ihn ebenfalls als geschätzten Kollegen und überzeugten Demokraten. Von der Linken zeigte sich unter anderem der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion Jan Korte bestürzt: „Wir haben viel diskutiert und gestritten – immer fair und mit viel Freude.“

Zu den direkten Konkurrenten in Oppermanns Heimat Göttingen gehörte Jürgen Trittin – beide kandidierten in dem Bundestagswahlkreis, den Oppermann viele Jahre in Folge erringen konnte. Der Grünen-Politiker zeigte sich geschockt nach dem Tod seines „langjährigen Göttinger Kollegen“. Seine Gedanken seien bei Oppermanns Familie.

Ratgeber, Wegbegleiter, Kämpfer für Menschenrechte

Während vielen vor allem Oppermanns bundespolitisches Engagement bekannt bleiben dürfte, erinnern andere an die Aktivitäten des Genossen vor Ort. Hanne Moder, Fraktionsvorsitzende im niedersächsischen Landtag, erinnert sich an einen treuen Wegbegleiter und guten Ratgeber: „Mit dem Verlust von Thomas verliert die Politik nicht nur einen erfahrenen und leidenschaftlichen Politiker, die Sozialdemokratie nicht nur einen gradlinigen und engagierten Mitstreiter, sondern viele von uns einen zuverlässigen und liebevollen Freund.“

In Oppermanns Heimat Göttingen ist die Trauer ebenfalls groß. „Thomas Oppermann und mich verbinden über mehrere Jahrzehnte gemeinsame Politik und Freundschaft“, sagt die Präsidentin des niedersächsischen Landtags und Göttinger Abgeordnete Gabriele Andretta. Beide lernten sich bereits Anfang der 80er Jahre über die politische Arbeit in der Juso-Hochschulgruppe in Göttingen kennen. „Er war mir stets ein wichtiger politischer Mitstreiter und Ratgeber“, so Andretta. „Mit Thomas Oppermann verlieren wir alle einen leidenschaftlichen Parlamentarier und streitbaren Demokraten, der sich als Abgeordneter stets für Göttingen und die Region erfolgreich eingesetzt hat.“

Die Geschicke seiner Heimatstadt Göttingen mitgeprägt

„In seiner ihm eigenen Geradlinigkeit und Prinzipientreue ist Thomas Oppermann unserer Stadt auch in seiner Berliner Zeit eng verbunden geblieben“, erinnert Göttingens Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler an den Verstorbenen. Oppermann habe die Entwicklung Göttinges über Jahrzehnte maßgeblich mitgeprägt. Die gesamte Stadt sei ihm zu Dank verpflichtet. „Mit Thomas Oppermann verlieren wir einen großen Politiker, einen überaus fleißigen, hoch engagierten Partner, einen zuverlässigen Berater und wertvollen Ratgeber, der immer einen klaren Blick für die Herausforderungen in der Stadt hatte und ein wahrer Freund Göttingens gewesen ist“, so Köhler.

Abseits der Parteipolitik ehrt die Gesellschaft für bedrohte Völker in Göttingen Oppermann als einen, der sich leidenschaftlich für ihre Ziele einsetze: „Er nahm an unzähligen Veranstaltungen und Menschenrechtsaktionen von uns teil, empfing in seinem Abgeordnetenbüro Verfolgte aus aller Welt und setzte sich engagiert persönlich für die Freilassung politischer Gefangener ein“, erinnert sich Direktor Ulrich Delius am Montag. Er habe immer ein offenes Ohr für ihre Anliegen gehabt. „Sein plötzlicher Tod reißt eine tiefe Lücke in den Kreis derer im Bundestag, die sich für Menschenrechte engagieren.“

Zusammenbruch vor Live-Sendung im ZDF

Thomas Oppermann sollte dem ZDF zufolge am Sonntagabend in „Berlin direkt“ live zugeschaltet werden. „Er sollte aus dem Göttinger Max-Planck-Institut live in die Sendung geschaltet werden“, erklärt der Fernsehsender in einer Nachricht. Während der Sendung, noch vor der Zuschaltung, sei Oppermann plötzlich zusammengebrochen, ZDF-Mitarbeiter*innen hätten sofort den Notruf alarmiert. Der SPD-Politiker sei daraufhin in die Uniklinik in Göttingen gebracht worden, wo er verstarb.

Vorerkrankungen oder Beschwerden hatte Oppermann Medienberichtenzufolge nicht – auch keinerlei Krankheitsanzeichen vor Beginn der ZDF-Sendung gezeigt. Der Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios Berlin, Theo Koll, äußerte sich nach dem Tod Oppermanns im Namen der Redaktion: „Das ganze Team von „berlin direkt“ ist bestürzt und tief betroffen. Wir haben noch im Vorgespräch zur geplanten Schalte den wie stets professionellen und entspannten Politiker Thomas Oppermann erlebt. In Gedanken sind wir bei seiner Familie und seinen Freunden.“ Thomas Oppermann starb im Alter von 66 Jahren.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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