Parteileben

Schluss mit Folklore: Wie Michael Groschek die NRW-SPD neu aufstellen will

Nach der Niederlage bei der Landtagswahl will Michael Groschek die NRW-SPD „völlig neu aufstellen“. Mit alter Folklore müsse Schluss, die SPD wieder näher bei den Menschen sein. Für den Bundestagswahlkampf setzt Groschek auf ein Vorbild aus dem Jahr 2005.
von Kai Doering · 19. Juni 2017
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CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen haben sich in der vergangenen Woche auf eine Koalition geeinigt. Was bedeutet Schwarz-Gelb für das Land?

Schwarz-Gelb ist Ideologie statt guter Ideen. Die besten Beispiele dafür sind die Bildungsmaut für Nicht-EU-Ausländer und der Windkraft-Boykott, der viele Arbeitsplätze in einer Zukunftsbranche gefährdet. Mich überrascht vor allem, dass Herr Laschet sich von Herrn Lindner bei der Ressortaufteilung die für die CDU sehr wertgebundenen Bereiche Schule, Familie und Integration hat abnehmen lassen. Vollkommen unklar ist, wie die angehende Regierung ihre zusammengefassten Wunschzettel finanzieren will.

Die SPD sortiert sich nach der Wahlniederlage gerade neu, zuletzt mit dem Landesparteitag, auf dem Sie zum neuen Vorsitzenden gewählt wurden. Hat die NRW- SPD den Schock aus dem Mai schon verdaut?

Ja. Der Landessparteitag am 10. Juni war ein deutliches Signal des Aufbruchs. Svenja Schulze als Generalsekretärin und ich als Vorsitzender führen jetzt die NRW-SPD. Unsere Perspektive ist klar: Wir werden das schlechte Wahlergebnis strukturell aufarbeiten und gleichzeitig in einen mobilisierenden Bundestagswahlkampf starten. Wir haben uns vorgenommen, die NRW-SPD nach einer Generalinventur völlig neu aufzustellen.

Wie soll das aussehen?

Erstmal müssen wir mit der alten Folklore aufräumen. Nordrhein-Westfalen ist kein Stammland der SPD und das Ruhrgebiet ist keine Hochburg oder gar Herzkammer. Diese Vorstellung, die immer noch gerne transportiert wird, ist eine Mischung aus Selbstbetrug und Pustekuchen. Damit muss Schluss sein! In unseren vermeintlichen Hochburgen stehen inzwischen viele Gipfelkreuze der AfD. Das ist eine demokratische Herausforderung, die wir annehmen. Der Parteitag ist allzu oft kein Alltag und der Alltag der Menschen spielt auf unseren Parteitagen viel zu wenig eine Rolle. Viele haben das Gefühl, dass wir ihre Anliegen und Sorgen nicht kennen. Das werden wir ändern und dorthin gehen, wo Demokratie auf dem Rückzug ist.

Bis zur Bundestagswahl sind es nur noch knapp 100 Tage.

Unser Vorbild ist die Situation aus dem Jahr 2005. Da hat die SPD in Nordrhein- Westfalen die Landtagswahl im Mai krachend verloren und nach einem fulminanten Wahlkampf bei der Bundestagswahl rund eine Million Stimmen mehr geholt. Das muss auch diesmal unser Ziel sein. Ich bin mir sicher, dass Martin Schulz am 24. September mit Rückenwind aus Nordrhein-Westfalen Kanzler werden kann.

Die Neuaufstellung der Partei und der Bundestagswahlkampf sollen parallel laufen. Kann die NRW-SPD das stemmen?

Die Reorganisation der SPD werden wir erst nach dem ordentlichen Bundesparteitag im Dezember umsetzen können. Aber die Analyse, warum wir dieses Wahlergebnis bekommen haben und welche Dinge verändert werden müssen, um die Partei neu aufzubauen, werden wir parallel zum Bundestagswahlkampf angehen. Die Federführung hat dabei die neue Generalsekretärin Svenja Schulze. In den kommenden Wochen wird es für uns alle darauf ankommen, möglichst viel persönlichen Einsatz zu zeigen, um zunächst die eigene Partei zu mobilisieren und danach die Wählerinnen und Wähler.

Woran denken Sie konkret?

Wir müssen raus auf die Straße und auch in den Gebieten, in denen wir noch vergleichsweise gute Wahlergebnisse erzielt haben, von Tür zu Tür ziehen, um Menschen von unseren Positionen zu überzeugen. Svenja Schulze und ich werden wie Callgirl und Callboy an vorderster Front dabei sein. Ortsvereine und Unterbezirke können uns stundenweise für Tür-zu-Tür-Einsätze buchen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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