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Scheidender SPD-Chef Müntefering: „Wir kommen wieder“

von ohne Autor · 13. November 2009
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Dresden, den 13.11.2009 - Der scheidende SPD-Vorsitzende Franz Müntefering hat sich auf dem Dresdner SPD-Bundesparteitag in seiner letzten Rede als Parteichef selbstkritisch und selbstbewusst zugleich gezeigt. "Die Dimension der Niederlage ist das Erschreckende", so Müntefering in seiner rund einstündigen Rede zum Wahldebakel der SPD bei den Bundestagswahlen. "So etwas bildet sich nicht in einem Jahr heraus, nicht mal in einer Legislatur."

Die Analyse brauche ihre Zeit, sie sei auch nicht in drei Parteitagstagen abschließbar. Der Dresdner Parteitag bilde lediglich einen Einstieg in die Debatte. Die SPD erspare sich nichts in der Debatte. Aber sie ziehe sich auch "nicht als Selbstfindungsgruppe ins Jammertal zurück". Der schwarz-gelben Regierung kündigte Müntefering unter großem Applaus an: "Die Sozialdemokratie gibt keine Ruhe, bis der Kapitalismus gezähmt wird, in Deutschland und weltweit."

"Mut statt Kleinmut"

"Die SPD ist kleiner geworden, aber die sozialdemokratische Idee nicht", so Müntefering. "Wir haben Vertrauen verloren und fragen uns selbstkritisch warum. Aber wir bleiben auch selbstbewusst." Der SPD-Chef wie darauf hin: "Demokratie geht weiter." In der Demokratie gebe es immer nur Siege auf Zeit, aber auch nur Niederlagen auf Zeit. Selbstbewusst versprach er: "Wir kommen wieder." Sein persönliches Bekenntnis: "Ich glaube an die SPD." Die SPD müsse jetzt "Mut statt Kleinmut" beweisen.

In der Ursachenanalyse für die Wahlniederlage bei der Bundestagswahl merkte Müntefering an: "Wir waren für zu viele die von gestern, aus der Mode. Und zu undeutlich, mit wem wir was durchsetzen wollen." Wandel und Sicherheit, Innovation und Gerechtigkeit - keines dieser Ziele sei für die SPD entbehrlich. Wer auf eines verzichte, springe zu kurz.

Für den politischen Erfolg der SPD sieht Müntefering die Frage des persönlichen Aufstiegs oder Abstiegs für jeden Einzelnen entscheidend. In den 50er und 60er Jahren habe es für viele Menschen in Deutschland mehr Aufstiegschancen gegeben als heute. "Heute gibt es keine Garantien mehr, dass sich Leistung durch eine gerechte Bezahlung auch lohnt und am Ende eine gute Rente steht", so der SPD-Vorsitzende.




"Gute Arbeit zuerst"


Da die SPD den persönlichen Aufstieg nicht leichtfertig verspreche und den Abstieg nicht immer verhindern können, erscheine die Partei für manche Aufstiegswillige wie für manche Abstiegsgefährdete als nicht attraktiv. Doch alle müssten die Chance haben, etwas zu leisten und dafür gerecht entlohnt zu werden. "Gute Arbeit für alle hat die absolute Priorität, gute Arbeit zuerst", so Müntefering.

"Nur Volksparteien können ein Bollwerk sein gegen die latente Berlusconisierung der Politik", betonte der SPD-Vorsitzende. Populismus und Partikularismus von rechts und links seien eine wachsende Gefahr für die Demokratie. Die Demokratie sei komplizierter geworden, wenn eine Ein-Themen-Partei wie die Piratenpartei aus dem Stand zwei Prozent der Stimmen erhalte. Zusätzlich werde die Diskrepanz zwischen dem Wahlprogramm einer Partei und dem Regierungsprogrammen von Mehr-Parteien-Koalitionen immer größer. Das schwäche das Vertrauen in die Parteien.

Müntefering forderte mit den Worten Willy Brandts "mehr Demokratie wagen". Eine Verlängerung der Legislaturperiode des Bundestages von vier auf fünf Jahren, wie von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) gefordert, könne es nur geben, wenn gleichzeitig die plebiszitären Elemente verstärkt würden.

"Ich bin dabei, ich bin Sozialdemokrat - immer!"

Entscheidend sei, Bedrohungen für die Demokratie offensiv zu begegnen: dazu gehöre sowohl die Brutalität des internationalen Finanzkapitalismus als auch mangelnde Toleranz gegenüber Minderheiten im Inneren der Bundesrepublik, so Müntefering. Das Grundgesetz gelte für alle. Die Würde jedes Menschen müsse geschützt werden, unabhängig von seiner Herkunft, seiner sexuellen Orientierung oder seiner Gesundheit.

Entweder es gelinge international, den Primat der Politik durchzusetzen gegenüber dem internationalen Finanzkapitalismus oder die Demokratie verliere weiterhin dramatisch an Boden. Ob das gelinge, dafür sei die Europäische Union der entscheidende Feldversuch. Demokratie könne nur bestehen, wenn die bestehende Art des Finanzkapitalismus gestoppt werde, so der SPD-Vorsitzende. Demokratie und Sozialstaat, diese beiden Ideen der SPD seien unverzichtbar.

Am Ende seiner letzten Rede als Parteivorsitzender sagte Müntefering seinen Dank an seine politischen Weggefährten und Mitarbeiter. Seine politische Ämter seine ihm "Ehre und Vergnügen" gleichermaßen gewesen. Er schloss mit den Worten: "Ich bin dabei, ich bin Sozialdemokrat - immer! Glück auf, liebe Genossinnen und Genossen!" Anschließend erhob sich der Parteitag zu lang anhaltendem Beifall für seinen scheidenden Vorsitzenden.

Die Rede von Franz Müntefering auf dem SPD-Bundesparteitag am 13. November 2009 in Dresden finden Sie als PDF-Datei im Anhang.

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