Saskia Esken zum Debattencamp: „Im digitalen Wandel steckt viel Musik.“
Felix Zahn/photothek.net
Mehrere tausend Menschen haben am Samstag sieben Stunden lang über die verschiedensten Themen disktutiert. Wie fällt Ihr Resümee des Debattencamps aus?
Nach der Premiere des Debattencamps im Jahr 2018 – ein mutiges und innovatives Konferenzformat, das damals 2000 Teilnehmer*innen und -geber*innen begeistern konnte – haben wir schon im zweiten Anlauf die nächste Stufe gezündet! Mit dem Debattencamp20 sind wir voll digital gegangen, natürlich auch um maximale Beteiligung und #stayathome optimal zu verbinden. Wir haben mit diesem Format unseren Programmprozess für alle Interessierten geöffnet und sind sehr beeindruckt von dem Interesse, das uns trotz der Nachrichtenlage zum harten Corona-Lockdown erreicht hat. Die Frage, ob auch ein virtueller Austausch lebendig und attraktiv sein kann, ist seit gestern beantwortet: 6000 Menschen haben sich eingeschaltet und haben sich vom Küchentisch oder vom Sofa aus in die Debatte. Ich bin begeistert, wie intensiv und kreativ wir uns mit vielen Interessierten aus der Mitgliedschaft und darüber hinaus austauschen konnten.
Anders als bei der ersten Auflage vor zwei Jahren war das Debattencamp diesmal rein digital. Welche Auswirkungen hatte das auf den Austausch mit den SPD-Mitgliedern?
Das Debattencamp 2018 war ein sehr offenes und beteiligendes Format, und die 2000 Leute vor Ort haben dem Ganzen ein besonderes Feeling gegeben. Und jeder weiß: Die vielen Gespräche, die bei einem solchen Präsenztreffen am Rande geführt werden, sind dabei fast so wichtig wie die vielen Sessions und Meetups. Auch ein digitales Camp bringt wichtige Vorteile mit sich: Viele konnten teilnehmen, die sonst aus den verschiedensten Gründen nicht hätten dabei sein können. Die gestreamten Sessions wurden archiviert, so dass man sie auch im Nachhinein noch verfolgen kann – das lindert die Qual der Wahl, die ein so vielfältiges und großartiges Programm mit sich bringt. Auch die Beiträge in den Chats haben wir archiviert und damit den Debattenraum nochmals vergrößert. Wir erkennen also viele positive Aspekte und Potenziale im digitalen Format – auch wenn wir uns schon riesig darauf freuen, wenn wir uns wieder persönlich treffen können.
Welche drei inhaltlichen Punkte nehmen Sie mit?
Wir wollen digitale Formate auch in Zukunft einsetzen und nicht nur, weil die Pandemie es gebietet. Nicht wenige der 6000 Zugeschalteten hätten auch unabhängig von Corona nicht dabei sein können, wenn sie dafür hätten anreisen müssen. Unser digitales Debattencamp hat es uns ganz deutlich gezeigt: Im digitalen Wandel steckt viel Musik, auch was mehr Partizipation und mehr Teilhabe anbelangt. Mehr echte Debatte, mehr echte Beteiligung – das gehört zu den wichtigsten Zielen für uns als Vorsitzenden-Duo. Die SPD hat enorm viele engagierte Mitglieder, die sich mit ihrer Lebensrealität, mit viel Leidenschaft und mit hoher Expertise in die programmatische Ausrichtung der SPD einbringen wollen.
Programmatisch nehme ich aus den Sessions mit, dass unsere Mitglieder viel Wert darauf legen, dass die SPD in der Programmatik wie in der Tagespolitik Haltung zeigt und hart dafür kämpft, die Zukunft so zu gestalten, dass alle ihren gerechten Anteil daran haben. Ganz wichtig ist mir die Botschaften aus der Rede von Olaf Scholz, wenn es um Respekt für den Wert von Erwerbsarbeit geht. Der Applaus, den wir in Zeiten von Corona denen spenden, die unser Land stützen und stärken – er muss sich in guten Arbeitsbedingungen und ordentlicher Bezahlung zeigen, sonst ist er nichts wert. Insofern ist kein Wunder, dass die Debattencamper Olaf mit mehr als zehn Millionen Herzen bedacht haben, denn er hat uns aus dem Herzen gesprochen.
Welchen Einfluss hat das Debattencamp auf das Bundestagswahlprogramm der SPD?
Das Debattencamp war nach der Arbeit in den Clustergruppen, nach der digitalen Programmwerkstatt und der Online-Debatte mit den Mitgliedern eine weitere Stufe der Öffnung und Beteiligung an unserer Programmarbeit. Die vielen Impulse, Ideen und Hinweise aus den verschiedenen Formaten werden wir auswerten und sie dann in unsere weitere Arbeit der Programmkommission einspeisen.
Wie geht es dann mit dem Wahlprogramm weiter?
Wir haben uns in der Programmkommission ambitionierte Ziele gesetzt, an denen wir jetzt weiter arbeiten werden: Anders als in der Vergangenheit wollen wir keinen dicken Wälzer produzieren, der zwar alle klassischen Politikbereiche abarbeitet und dabei auch keinen Spiegelstrich vergisst – und gleichzeitig wie Blei an unseren Infoständen liegt, weil niemand so ein Programm lesen will. Stattdessen wollen wir ein 40 Seiten schmales, aber inhaltlich durchaus nicht dünnes Programm vorlegen, das aus Lebensrealitäten heraus lesbar und erzählbar verdeutlicht, mit welchen politischen Projekten die SPD das Leben der Menschen konkret verbessern will.
Was mir dabei wichtig ist: Wir werden ein digitales Programm vorlegen – wie ich es auch auf dem Parteitag 2019 versprochen hatte. Das gilt für die Bedeutung des digitalen Wandels, der ja alle Lebensbereiche berührt, das gilt aber auch für das Programm als „Produkt“. Neben der gedruckten Version wollen wir ein digitales Werk vorlegen, das nicht nur erzählbar ist, sondern auch die Komplexität unserer Welt abbildet: Mit Querverweisen innerhalb des Textes können Bezüge zwischen Themengebieten sichtbar gemacht und die Bedeutung von Querschnittsthemen verdeutlicht werden. Mit Links machen wir weitergehende Beschlusslagen der SPD zugänglich, die wichtige Themen vertiefen.
Der Parteitag, auf dem das Programm beschlossen werden soll, wurde auf den 9. Mai verschoben. Was versprechen Sie sich davon?
Mit der guten Klärung ihrer wichtigen Personalfragen an der Spitze der Partei und an der Spitze des Wahlkampfs, mit der starken Einigkeit ihrer Führung in Partei, Fraktion und Regierungsbeteiligung hat die SPD einen deutlichen Vorsprung gegenüber den Mitbewerbern aufgebaut. Corona macht es notwendig, dass wir mit großen Präsenzveranstaltungen vorsichtig planen, und der Termin im Mai gibt uns mehr Planungssicherheit. Gerade in Krisenzeiten werden wir als Koalitionspartner bis zum letzten Tag in hoher Verantwortung für die Menschen und das Land mitregieren. Gleichzeitig nehmen wir uns die Zeit und den Raum, als eigenständige politische Kraft unsere Positionen für eine künftige Regierung zu entwickeln und zu verdeutlichen.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo