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Sally Lisa Starken: Eine moderne Feministin will nach Europa

Sally Lisa Starken ist 28, Feministin und kandidiert für das Europaparlament. Auf Platz 47 der Bundesliste hat sie kaum Chancen auf den Einzug. Dennoch kämpft sie mit Leidenschaft für Europa, auch um die SPD für junge Frauen attraktiver zu machen.
von Jonas Jordan · 22. Januar 2019
Sally Lisa Starken
Sally Lisa Starken

Sally Lisa Starken kandidiert im Mai für die SPD bei der Europawahl in Ostwestfalen. Die Bielefelder Landtagsabgeordnete Christina Kampmann sagte kürzlich über ihre Freundin: „Sie gibt Feminismus einen sehr modernen Anstrich.“ Dazu gehört, dass die 28-jährige Starken in den sozialen Medien sehr präsent ist. „Ich verpacke Feminismus so, dass es für jeden zugänglich ist“, sagt sie.

Mehr Menschen durch Social Media erreichen

Mehr als 2.600 Menschen gefällt ihre Facebook-Seite, auf Instagram folgen ihr etwa 1.500 Personen. Dort zeigt sie beispielsweise in Live-Videos, wie ein SPD-Parteitag abläuft, streut aber auch private Informationen wie Urlaubs- und Karnevalsfotos ein. Da steht Starken im Kekskostüm auf der Bühne oder sitzt mit ihrem Hund im größten Skaterpark Bielefelds.

„Ich habe gemerkt, dass ich Menschen durch Facebook oder Instagram erreiche, die politisch sonst nicht so interessiert sind“, sagt die sympathische Ostwestfälin. Die Parole „Das Private ist politisch“ galt schon in den 70er-Jahren. Bei Sally Lisa Starken verschwimmt diese Grenze zwischen den Sphären. Eine bewusste Entscheidung. Denn Social Media ist für die 28-Jährige kein reines Propagandainstrument. Viel mehr hofft sie durch den Spagat zwischen privaten Informationen und politischen Botschaften mehr Menschen zu erreichen.

International unterwegs dank Elke Ferner

2013 trat die Diplom-Rechtspflegerin in die SPD ein und entwickelte schnell ein Interesse an gleichstellungspolitischen Themen. „Als Jugendliche habe ich dieses Ungleichgewicht zwischen Frauen und Männern noch gar nicht gemerkt“, sagt Starken. In der SPD wird es für sie zum Herzensthema. Und sie profitiert von anderen engagierten Frauen wie der früheren Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) in Bielefeld Gabi Stillger, die sie ihr politisches Vorbild nennt. Die frühere AsF-Bundeschefin Elke Ferner ermöglicht ihr einen Einblick in internationale feministische Projekte.

Die moderne Feministin Starken möchte vor allem mit Vorurteilen aufräumen: „Feminismus ist in den Köpfen vieler Menschen mit dem Vorurteil behaftet, dass das die lila Latzhosen-Trägerinnen sind, die aggressiv und zickig auftreten. Feminismus ist nicht nur der Frauenkampf.“ Gleichstellungspolitik bedeutet für Starken, auch Männer aus zu stereotypen Lebensverhältnissen zu befreien.

Wahlkampf trotz Enttäuschung

Bei der Europawahl im Mai steht Starken wenig aussichtsreich auf Platz neun in Nordrhein-Westfalen und Rang 47 der Bundesliste. Sie kritisiert die Listenaufstellung in den Landesverbänden und Bezirken, bei denen zu wenige Frauen und junge Menschen berücksichtigt worden seien: „Politik muss die Gesellschaft abbilden, und das muss so eine Liste auch. Das fängt beim Geschlecht an und hört beim Alter auf. Das ist wichtig, weil die Themen junger Menschen sonst nicht auf der Agenda landen.“

Die 28-Jährige bewarb sich um Platz vier in NRW und unterlag mit einer Stimme gegen Petra Kammerevert, die nun wieder ins Europaparlament einziehen dürfte. „Ich habe gedacht, das kann doch jetzt nicht sein“, sagt Starken. In diesem für sie enttäuschenden Moment war sie froh, von der Politik abschalten zu können: „Ich finde es toll, dass ich Freunde habe, die nicht politisch sind.“ Es sei für sie gewinnbringend, abends mal nicht über Andrea Nahles und die Lage der SPD zu reden.

Mehr Projektarbeit in der SPD

Nach der Niederlage bei der Listenaufstellung ärgerte sich Starken, setzte ihren Wahlkampf aber mit großem Engagement fort: „Ich mache nicht Politik, weil ich damit irgendwo hinwill, sondern um die Themen setzen zu können.“ Vor allem möchte sie gleichstellungspolitische Themen auf europäischer Ebene diskutieren. Europa sei ein großer Vorreiter, wenn es um Gender Mainstreaming gehe, glaubt die 28-Jährige. Ein Beispiel hierfür sei die Istanbul-Konvention, die Frauen vor häuslicher Gewalt schützen soll und in Deutschland im Oktober 2017 ratifiziert wurde. 

Zwei ihrer Freundinnen, die bisher mit Politik nichts am Hut hatten, sind Teil ihres Wahlkampfteams. Das sieht Starken als Bereicherung: „Sie haben einen ganz anderen Blick auf das, was wir tun.“ Generell müsse die SPD attraktiver für junge Frauen werden, vor allem auf kommunaler Ebene: „Dort haben wir die größten Schwierigkeiten, Nachwuchs zu finden.“ Starken fordert: „Wenn man viel in Projekten arbeitet und nicht in Hierarchien, kann man Frauen viel mehr für Politik begeistern.“

Starken: Männer, bekennt euch zum Feminismus!

Seit vergangenem Sommer ist Starken stellvertretende Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen. In dieser Funktion möchte sie mehr für die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen und die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen tun. „100 Jahre Frauenwahlrecht sind ein Grund zu feiern, aber auch ein Grund zu sagen, dass wir noch einige Schritte bis zur vollkommenen Gleichstellung haben.“

Das größte Problem sind für Starken Machtstrukturen innerhalb der Gesellschaft. „Viel zu wenige Männer bekennen sich dazu, Feministen zu sein, weil es als Schimpfwort gilt, aber das ist es nicht. Denn Männer profitieren genauso viel von Gleichstellungspolitik.“     

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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