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Regine-Hildebrandt-Preis der SPD: Wie aus Flüchtlingen echte Helden werden

Der diesjährige Hildebrandt-Preis der SPD geht an zwei Einrichtungen, die Bildungsarbeit für junge Menschen leisten. Im Verein „Kahramanlar – Brühler Helden“ ist das Freizeitangebot besonders groß. Jugendliche mit Wurzeln in aller Welt profitieren davon.
von Paul Starzmann · 23. November 2017
Regine Hildebrandt
Regine Hildebrandt

Irgendwann war es den Nachbarn einfach zu laut: Ein Dutzend Jugendliche, die im Garten herumspringen und dabei lautes Kampfgeschrei ausstoßen. Woche für Woche. Im Osten der rheinländischen Kleinstadt Brühl häuften sich die Beschwerden der Anwohner.

„Ich hatte nie Freizeit“

Für Fatih Türk, hinter dessen Haus die Kinder und Jugendlichen regelmäßig zusammenkamen, war damit klar: So kann es nicht weitergehen. Kurz entschlossen gründete er 2006 im Alter von 19 Jahren einen Verein, in dem sich von nun an die jungen Menschen austoben konnten. Beim Kickboxen, Taek-won-do, Basketball oder Schwimmen. Es war die Geburtsstunde der Sport- und Bildungsschule „Kahramanlar – Brühler Helden“.

Am kommenden Sonntag wird der Verein mit dem Regine-Hildebrandt-Preis der SPD ausgezeichnet. Entgegennehmen wird ihn der Sozialdemokrat Fatih Türk, der seit elf Jahren jede freie Minute in den Verein steckt. „Ich hatte nie Freizeit“, sagt er. In der Abendschule hat er Abitur gemacht, dann – ebenfalls in Abendkursen – Elektrotechnik studiert, sich als Reha- sowie Schwimm- und Kampfsporttrainer ausbilden lassen. Und sich bei „Kahramanlar – Brühler Helden“ engagiert. Hauptberuflich arbeitet er bei einem Energieunternehmen.

Von Brühl aus zu internationalen Meisterschaften

Das Wort „Kahramanlar“ (türkisch: Helden) gebe es in vielen Sprachen, sagt Türk – im Türkischen, Persischen, Arabischen. Der perfekte Name für seinen Verein, findet er: Aus fast 20 Nationen kämen Menschen zu ihm. Kinder mit Eltern aus dem Iran, Jugendliche, die in Bosnien geboren wurden, aber auch herkunftsdeutsche Rentner, die Aerobic-Kurse besuchten oder zur Krebsvorsorge vorbeischauten. Von Vierjährigen bis zu 66-Jährigen kämen alle zusammen in dem Verein.

„Hier ist jeder mit jedem wie in einem Familienbezug“, sagt Türk. Dass Zusammenkommen verschiedener Menschen wertet er als den größten Erfolg des Vereins. Das sei das „Primärziel“ seiner Arbeit. Er kümmere sich dabei vor allem um Kinder aus benachteiligten Elternhäusern, den sozial abgehängten Familien. Mit Sport und Kulturangeboten bestärkten die „Brühler Helden“ die Kinder und Jugendlichen: „Ihr Selbstbewusstsein verändert sich“, sagt Türk. „Auch in der Schule verbessern sie sich.“ Viele hätten es von Brühl aus sogar zu internationalen Meisterschaften geschafft, darunter auch junge Flüchtlinge, die in dem Verein trainierten – und jetzt zu „Kampfsport-Champions“ aufgestiegen seien, wie Türk erzählt.

Geld für die Flüchtlingsarbeit

Doch der Weg bis hierhin war nicht frei von Schwierigkeiten. „Bei Behörden und Turnieren haben wir immer wieder mit Vorurteilen zu kämpfen, weil unser Verein einen ‚Migrantennamen‘ hat“, sagt er. Der Abbau von Ressentiments liege ihm deshalb sehr am Herzen. Dass die SPD seinen Verein nun mit dem Regine-Hildebrandt-Preis würdigt, freut Türk umso mehr. Das Preisgeld will er in die Flüchtlingsarbeit stecken.

Mit insgesamt 20.000 Euro ist der Preis dotiert. Der Verein „Kahramanlar – Brühler Helden“ teilt sich das Geld und den Regine-Hildebrandt-Preis mit der „Naturwerkstatt Schowitz“ aus Sachsen-Anhalt. Auch dort steht die Bildung junger Menschen im Vordergrund. Es geht um Umweltschutz und Nachhaltigkeit, „Natur schafft Wissen“ nennt sich das Unternehmen in der Nähe von Halle. Das Ziel: Kindern und Jugendlichen die Natur näherbringen. „Wir wollen, dass sich Menschen wieder begegnen“, sagt Geschäftsführerin Mandy Hollweg. „Es geht auch darum, vor lauter Alltagsstress die wichtigen Dinge im Leben nicht aus den Augen zu verlieren.“ Vor allem Schulklassen kämen in die Naturwerkstatt, erzählt die studierte Umweltgeologin, die auch Mitglied der SPD ist. Oft sei schon im Dezember das folgende Jahr ausgebucht. „Das Schönste ist: die jungen Leute kommen immer wieder“, so Hollweg.

Der Regine-Hildebrandt-Preis wird seit 2002 vergeben – jedes Jahr am 26. November, dem Todestag Hildebrandts. Mit dem Preis wird der 2001 verstorbenen Sozialdemokratin gedacht. Es werden Menschen und Projekte geehrt, die sich für Zusammenhalt und Demokratie einsetzen. Übergeben wird die Auszeichnung in diesem Jahr von Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, und Wolfgang Tiefensee, dem Vorsitzenden des Forum Ostdeutschland der Sozialdemokratie.

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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