Parteileben

Regierungsjugend ja, Abnicker nein

von Gero Fischer · 2. September 2010
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vorwärts.de: Herr Lemmen, warum sind Sie bei den Jusos?

Veith Lemmen: Am Anfang stand der Entschluss beziehungsweise der Wille, politisch etwas mitzugestalten. Dann habe ich geguckt, welche Parteien Ideen und Vorstellungen haben, die ich vertreten kann. Die Wahl fiel schnell auf die Jusos und die SPD, da das schon in meine Richtung lief. Ich habe festgestellt, dass die Jusos mir da eine politische Heimat bieten können und ich über den Verband politisch Einfluss auf die SPD nehmen kann.

Der Partei selbst gegenüber war ich anfangs skeptisch. Ich habe aber gemerkt, dass es in der SPD sehr viele Meinungen gibt, die bis zu einem bestimmten Maße toleriert werden, auch wenn mir das in der aktuellen Debatte (Sarrazin-Debatte, Anm. d. Red.) eindeutig zu weit geht. Ich empfand es als beeindruckend, dass innerhalb der Partei so eine Meinungsvielfalt herrscht.

Wie kam es zu Ihrer Kandidatur?

Ich habe mich sehr viel bei den NRW Jusos engagiert und bin als Landeskoordinator der Juso-Hochschulgruppen bereits kooptiertes Mitglied im Landesvorstand. Im Wahlprogramm der NRWSPD haben wir gerade im Hochschulbereich Sachen durchgesetzt, für die ich maßgeblich gekämpft habe. Schon in den Wahlkämpfen haben mich dann einige Leute gefragt, ob ich mir nicht vorstellen könnte, für den Landesvorsitz zu kandidieren. Grundsätzlich stehe ich zu 95 Prozent hinter den Sachen, die die Jusos in den letzten Jahren hier gemacht haben, bei welcher Organisation ist das sonst schon so? Deshalb möchte ich den Verband auch gerne nach außen hin vertreten.

Die SPD ist in NRW wieder in Regierungsverantwortung. Wie sehen Sie zukünftig die Rolle der Jusos?

Es ist schon ein Unterschied, dass wir jetzt wieder Regierungsjugend sind. Das bedeutet aber nicht, dass wir Beschlüsse der Partei staatstragend abnicken werden. Die Rolle der Jusos besteht darin, junge Menschen in NRW und deren Meinungen zu vertreten und das auch entsprechend in die Partei zu tragen. Für uns heißt das, dass wir die SPD und die Regierung insgesamt konstruktiv begleiten. Wir werden aber darauf hinweisen, falls nötig auch lautstark, wenn die Interessen der jungen Menschen unserer Meinung nach nicht richtig vertreten werden.

Sehen Sie schon Themen, die zu Konflikten zwischen Jusos und der Partei führen könnten?

Ich will die Regierung nicht vorverurteilen, weil ich weiß wie schwer es im Vorfeld der Regierungsbildung war. Da haben einige Leute sehr gute Arbeit gemacht. Aber zum Beispiel findet sich das Thema "Praktika", für uns Jusos ein sehr wichtiges, im Koalitionsvertrag nicht wieder. Da müssen wir abwarten, wie die Regierung handelt. Wir wollen eine konkrete Regelung, die am besten in Rücksprache mit uns Jusos beschlossen wird. Beim Thema "Studiengebühren" sind wir ebenfalls noch in der Diskussion. Zwar will auch die Partei die Gebühren abschaffen, allerdings haben wir beim Datum der Abschaffung unterschiedliche Vorstellungen.

Wie sehen die aus?

Die derzeitige Überlegung der Landesregierung geht dahin, die Gebühren im WS 2011/12 abzuschaffen. Wir meinen, dass man Möglichkeiten prüfen muss, ob es nicht schon zum Sommersemester geht. Wir sind da noch in Gesprächen und versuchen natürlich alles, da das für junge Leute ein großes Thema ist.

Ein großes Thema in NRW ist auch die Schulreform. Sehen Sie die Partei hier mit dem Koalitionsvertrag auf dem richtigen Weg?

Wir Jusos würden uns von der Partei deutlichere Positionen und mehr Mut hin zur Gemeinschaftsschule wünschen. Durch den Volksentscheid in Hamburg ist da vielleicht ein Hemmschuh entstanden. Allerdings halte ich die Ausgangssituationen in Hamburg und NRW für nicht vergleichbar. Da muss man auch mal den Mut aufbringen, weiterzugehen.

Sie möchten künftig die Kooperation der Jusos mit anderen Organisationen vertiefen. Welche Organisationen meinen Sie genau?

Man sollte mit den Organisationen zusammenarbeiten, mit denen wir inhaltliche Positionen teilen. Wichtig ist vor allem die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften. Wir haben in den Wahlkämpfen immer den Schulterschluss mit den Gewerkschaften betont und gesucht. Jetzt, da wir mal keine Wahlkämpfe vor der Brust haben, ist es eine gute Gelegenheit, um größere Projekte mit den Gewerkschaften anzustoßen.

Dazu kommt natürlich die Zusammenarbeit mit der Grünen Jugend NRW. Wir haben beide das Interesse, die Anliegen junger Menschen an die Mutterparteien heranzutragen, so dass sie sich auch im Regierungshandeln widerspiegeln.

Was ist mit der Jugendorganisation der Linken?

Auch hier hat der alte Landesvorstand schon mal ein zartes Pflänzchen wachsen lassen. Ich habe da keine Berührungsängste, weil ich glaube, die Linken zu ignorieren, ist der falsche Weg. Da hängt es natürlich davon ab, was die Linken selbst wollen. Es ist nicht ganz einfach da gemeinsame Kommunikation herzustellen. Für Gespräche sind wir offen, was dann inhaltlich dabei rauskommt, ist aber noch mal eine andere Frage.

Ergänzende Information: Zu netzpolitischen Themen stand Veith Lemmen auch dem Pottblog in einem Interview Rede und Anwort.

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