Im Koalitionsstreit um die Reorganisation der Jobcenter wird es in dieser Legislaturperiode keine Lösung mehr geben. Die Spitze der Unionsfraktion stellte sich am Montagabend mit großer
Mehrheit gegen den von Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) gemeinsam mit den Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) und Jürgen Rüttgers (CDU) gefundenen Kompromiss. Beide Seiten wollten die
Jobcenter, in denen Arbeitsagenturen und Kommunen gemeinsam Langzeitarbeitslose betreuen, per Grundgesetzänderung in "Zentren für Arbeit und Grundsicherung" umwandeln. Auf diese Weise hätte diese
sog. "Mischverwaltung" trotz eines gegenteiligen Urteils des Bundesverfassungsgerichtes von Ende 2007 bestehen bleiben können.
In der Sitzung des Unionsfraktionsvorstands hatte es noch zwei Gegenstimmen gegeben, der geschäftsführende Vorstand um Fraktionschef Volker Kauder sprach sich dann einstimmig gegen die
Reformpläne aus, die laut Bundestagspräsident Norbert Lammert zu mehr Bürokratie und rd. 500 Millionen Euro zusätzlicher Kosten führen würden. Die Aufgaben würden nicht klarer getrennt und die
ganze Konstruktion sei verfassungsrechtlich fragwürdig. Selbst die von der SPD angebotene Festschreibung der 69 Optionskommunen im Grundgesetz lehnte die Fraktion als "vergifteter Köder" (so der
Geschäftsführer der Fraktions Norbert Röttgen) ab.
Nun stellt sich die Frage, ob die Bundesagentur für Arbeit die Kooperationsverträge mit den sog. Argen verlängert, von denen Ende 2009 bereits 56 auslaufen. Werden sie nicht verlängert, wäre im Jahr Fünf nach Hartz die Agentur für ALG II und die Kommunen für die Wohnkosten der Empfänger zuständig, das Konzept "Hilfe aus einer Hand" wäre gescheitert. Auch die 69 Optionskommunen müssten zittern: Ihre Garantie läuft Ende 2011 aus. Laut "Süddeutsche Zeitung" erwägen nun CDU-Ministerpräsidenten eine Bundesratsinitiative, um den Kompromiss zu retten.
Dessen Scheitern nannte NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU): "arbeitsmarktpolitisch eine Katastrophe", der Kieler MP Peter-Harry Carstensen warnte die Fraktion, den Kompromiss zu
kippen und Münchens OB Christian Ude, der auch Städtetagspräsident ist, sprach von einem "Armutszeugnis". Der Städte- und Gemeindebund forderte, die Jobcenter in "Zentren für Arbeit"
umzugestalten: Sicherheit zu schaffen, wie es mit den Jobcentern weitergehe, sei man den über 50 000 Mitarbeitern und 6 Millionen Beziehern schuldig.
Noch am Montag hatten die CDU-MP Roland Koch und Jürgen Rüttgers der Fraktionsführung vorgeworfen, den gefundenen Kompromiss zu hintertreiben. Merkel erklärte, man solle den Konflikt der
Meinungsbildung der Fraktion überlassen und ließ damit ihre MP im Regen stehen. Damit verhallte auch der dramatische Appell von Städtetagspräsident Ude ("Die Zeit läuft davon"), der gefordert
hatte, noch in dieser Woche die verbliebene Chance für einen Kompromiss zu nutzen. Nun ist vor allem in der Union guter Rat teuer: Eine Bundesratsinitiative würde eine Machtprobe zwischen Ländern
und Fraktion bedeuten - im Wahlkampf.
Quellen: Handelsblatt online vom 17. März 10.50 Uhr, Berliner Zeitung, Handelsblatt, Der Tagesspiegel vom 17. März, Der Tagesspiegel, FAZ, FR, Handelsblatt, Süddeutsche Zeitung und PM DStGB
vom 18. März
war von 1994 bis 1998 Büroleiter und Persönlicher Referent des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rüdiger Fikentscher.