Parteileben

Reaktionen auf Hessen-Wahl: „Es muss sich in der SPD etwas ändern“

Bei der Landtagswahl in Hessen hat die SPD ihr schlechtestes Ergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg eingefahren. Die Partei-Vorsitzende Andrea Nahles kündigte Konsequenzen für die Arbeit der großen Koalition in Berlin an. Führende Genossen stellen das Bündnis bereits deutlich in Frage.
von Kai Doering · 28. Oktober 2018
placeholder

Starke Verluste für CDU und SPD, ein Rekordergebnis für die Grünen. So lässt sich das Ergebnis der hessischen Landtagswahl zusammenfassen. Während die CDU nach vorläufigem amtlichem Endergebnis um 11,3 Punkte auf 27 Prozent abstürzte und die SPD mit 19,8 Prozent (minus 10,9) ihr schlechtestes Ergebnis nach dem Zweiten Weltkrieg einfuhr, erreichten die Grünen mit ebenfalls 19,9 Prozent (plus 8,7) das beste Resultat in ihrer Geschichte.

Nahles: Klarmachen, wofür die SPD steht

In einer ersten Reaktion nahm SPD-Chefin Andrea Nahles den hessischen Spitzenkandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel in Schutz. Dieser habe „nichts falsch gemacht“, sagte Nahles vor Journalisten in Berlin. „Zu den Verlusten der SPD in Hessen hat die Bundespolitik erheblich beigetragen.“

Aus dem schlechten Abschneiden bei der Wahl in Hessen sowie dem einstelligen Ergebnis bei der bayerischen Landtagswahl vor zwei Wochen sollen Konsequenzen gezogen werden. „Es muss sich in der SPD etwas ändern“, forderte Nahles. „Wir müssen klarmachen, wofür die SPD in den großen Fragen jenseits der Regierungspolitik steht.“ Nach der verlorenen Bundestagswahl im vergangenen Jahr habe sich ihre Partei für diese Klärung Zeit nehmen wollen. „Ich stelle fest: Diese Zeit haben wir nicht.“

Klingbeil: Glaube nicht an Neuwahlen

Und auch für die Arbeit der großen Koalition in Berlin forderte Nahles Konsequenzen. „Der Zustand der Regierung ist nicht akzeptabel. Wir erwarten deshalb auch von der Union, dass sie ebenfalls Konsequenzen zieht und ihre inhaltlichen und personellen Konflikte schnell löst“, so die SPD-Vorsitzende. Für die kommenden Wochen und Monate forderte sie einen „klaren verbindlichen Fahrplan“ bis zur Halbzeit der Legislatur im kommenden Jahr, an dessen Umsetzung die SPD ablesen werde, „ob wir in dieser Regierung noch richtig aufgehoben sind“. Einen konkreten Vorschlag wollen Nahles und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Montag dem Parteivorstand vorlegen, der sich zu einer Sitzung im Willy-Brandt-Haus trifft.

„Es muss sich hier in Berlin deutlich etwas ändern“, forderte auch Klingbeil im ZDF. Den Fortbestand der großen Koalition sieht der Generalsekretär allerdings nicht akut gefährdet. „Ich glaube jetzt nicht, dass es Neuwahlen geben wird“, sagte er.

Kühnert: Hessen-Wahl war Denkzettel für große Koalition

„Koalitionen in Berlin wechselt man nicht wie ein Hemd“, betonte auch der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Achim Post. „Aber diese Bundesregierung verliert jede Legitimation, wenn sie so weitermacht wie bisher.“ Post appellierte an CDU und CSU, zur Sacharbeit zurückzukehren. „Spätestens  jetzt müssen sich alle Beteiligten am Riemen reißen und Probleme lösen statt ständig neue zu erfinden.“ Die SPD müsse endlich „Profil und Glaubwürdigkeit“ zurückgewinnen.

Deutliche Kritik am Auftreten der SPD übte auch Juso-Chef Kevin Kühnert.  „Unter den Bedingungen, unter denen wir hier in Berlin arbeiten, wird die SPD in keinem Bundesland einen Fuß auf den Boden bekommen“, prophezeite Kühnert in der ARD. Die Landtagswahl in Hessen sei in erster Linie eine Wahl gegen die große Koalition in Berlin gewesen. „Es tut mir wahnsinnig leid für die Hessen-SPD und auch für Thorsten Schäfer-Gümbel.“

Kohnen: SPD muss sich klar positionieren

Ähnlich äußerte sich Karl Lauterbach.“ In der Opposition in Hessen hat die SPD immer sehr gute Arbeit gemacht. Dass wir trotzdem so abstürzen bedeutet ein klares Votum gegen die GroKo“, schrieb der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion auf Twitter. „Die Bürger wollen, dass unser Bündnis endet oder ganz anders arbeitet. Wir werden alle Möglichkeiten ausloten in den nächsten Tagen.“

Währenddessen wird der Geduldsfaden bei vielen Genossen dünner und dünner. So schrieb der Generalsekretär der bayerischen SPD, Uli Grötsch auf Twitter: „Wer bis zur sog. „Halbzeitbilanz“ warten will, hat den Schuss nicht gehört!“ In den kommenden Wochen stehen in der Bundesregierung Richtungsentscheidungen zum Einwanderungsgesetzt sowie bei der Rente an. Die stellvertretenden SPD-Vorsitzende Natascha Kohnen machte am Sonntag bereits klar: „Wenn es nicht gelingt, uns klar zu positionieren, wer wir sind, bei Einwanderungsgesetz, Rente oder Mietenpaket, dann macht die große Koalition in meinen Augen keinen Sinn mehr.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare