Ran an den Stammtisch: Wie Politik wieder erfahrbar wird
Die Politik zu den Menschen bringen, sie im Alltag abholen und dorthin gehen, wo es stinkt – Parolen wie diese gehören zum politischen Betrieb, erst recht im Wahlkampf. Umgesetzt werden sie dort, wo ehrenamtliche Lokalpolitiker im Sturm der Debatte stehen und nicht selten den Frust abkriegen, der sich gegen „die da oben“ richtet. Zarrentin am Schaalsee (Mecklenburg-Vorpommern) macht da keine Ausnahme.
Mit Tiefgang am Stammtisch
Ambitioniert ist die Initiative, mit der Vertreter des SPD-Ortsvereins in der 5000-Einwohner-Stadt dagegen vorgehen. Sie laden zum „Politischen Stammtisch“, versprechen „Gespräche mit Tiefgang“ und bringen Politik dorthin, wo sie ohnehin diskutiert wird: an den Stammtisch.
Das erste der künftig regelmäßig stattfindenden Treffen liegt bereits hinter den Aktiven und die Bilanz ist – wie sollte es anders sein – positiv: „Wir sind grundsätzlich zufrieden, vor allem weil die SPD in Zarrentin jahrelang im Dornröschenschlaf gelegen hat“, erklärt Enrico Gerling, Schatzmeister des Ortsvereins. Neben den eigenen Mitgliedern hatten sich sieben Einwohner an den Stammtisch gesellt und dafür gesorgt, dass eine zeitweise lebhafte Diskussion zum Thema „Bezahlbares Wohnen in Zarrentin“ in Gang kam. 20 Menschen an einem Tisch, in dieser Größenordnung hatten die SPD-Mitglieder vor Ort wohl nicht mal zur Weihnachtsfeier zusammen gesessen.
Handzettel verteilen bei „klirrender Kälte“
Wer darüber müde lächelt oder die Aktiven in Zarrentin gar heimlich bemitleidet, war erstens noch nie in Mecklenburg-Vorpommern und weiß zweitens nicht, wie schwer ein einmal entschlafener Dialog wiederbelebt werden muss. „Wir können schon sehr zufrieden sein, dass wir überhaupt sieben Leute gewinnen konnten. Mit dieser Zahl wären andere bereits glücklich“, so Enrico Gerling. Der ebenfalls anwesende Kreisvorsitzende Pascal Winkler erklärte im Gespräch mit vorwärts.de: „Für den ersten Aufschlag war der Abend sehr positiv. So etwas muss etabliert werden und sich rumsprechen, damit die Menschen ihre Scheu verlieren. Ich bin optimistisch, dass das eine gute Veranstaltungsreihe wird.“
Tatsächlich hatten die Aktiven aus Zarrentin keine Mühen gescheut, um ihre Stammtisch-Premiere zu bewerben. Bei „klirrender Kälte“ zogen sie nach Feierabend durch die Straßen, steckten an die 600 Handzettel in die Briefkästen der Anwohner. „Immerhin zwei Mitstreiter konnten wir für die Aktion gewinnen“, erinnert sich Enrico Gerling. Dank der Mithilfe seiner ebenfalls im Ortsverein aktiven Ehefrau waren sie damit immerhin schon zu viert.
Die Repolitisierung der Kommune
Der Lohn ihrer Arbeit: Eine anregende Debatte, neue Kontakte und ein überparteilicher Dialog, der auf die SPD nur gewartet hat. Mit dem ersten Stellvertreter des Bürgermeisters von Zarrentin saß laut Gerling „das Sprachrohr der CDU vor Ort“ mit am Stammtisch. Der habe ihm im persönlichen Gespräch verraten, dass er sich freue, wenn die SPD als demokratische Kraft in der Stadt wieder in Erscheinung tritt, so Gerling.
Darum, Präsenz zu zeigen und sich um die Sorgen der Menschen vor Ort zu kümmern, geht es den Initiatoren des Politischen Stammtischs. Die Kommune wieder politisch, die Politik wieder zur Sache der Menschen zu machen ist Anliegen ihres Engagements. Die Marschroute ist klar: „Wir wollen von den Zarrentinern wissen, wo der Schuh drückt, um die Problem dann in größerer Runde zu bearbeiten“, sagt Enrico Gerling. Sozialdemokratische Themen streuen und kommunale Themen zu jenen der SPD machen, lautet ihr Ansatz. Die nächste Gelegenheit dazu bietet sich den Zarrentinern Anfang April. Vielleicht müssen die Gäste des Stammtischs dann schon etwas enger zusammen rücken.