Das gibt es nicht oft: Während die Mitgliederzahlen bei den Volksparteien seit Jahren sinken, verzeichnet die SPD in Schleswig-Holstein Zuwächse. Im Interview mit vorwärts.de sagt der Landesvorsitzende Ralf Stegner, was das Erfolgsrezept ist – und welche Rolle das Klima an der Küste spielt.
vorwärts.de: Am 31. Dezember 2013 hatte die SPD in Schleswig-Holstein 18 442 Mitglieder – und damit genau eins weniger als zum Jahresende 2012. Wann hat es eine derart konstante Entwicklung zuletzt gegeben?
Ralf Stegner: In den vergangenen zehn Jahren zumindest hat es das nicht gegeben. Es gelingt uns als relativ kleinem Landesverband aber schon länger, dass wir Jahr für Jahr mehr Ein- als Austritte verzeichnen können. Das ist sicher die Grundlage für einen gleich bleibenden, wenn nicht sogar wachsenden Mitgliederstand. Auf diese Weise ist es uns gelungen, die Austrittswelle nach der Agenda 2010, aber auch Mitgliederverluste durch Sterbefälle zu kompensieren.
Die Zahl der Eintritte hat sich im vergangenen Jahr mit mehr als 900 seit 2010 fast verdreifacht. Was ist das Patentrezept der SPD in Schleswig-Holstein?
Ob es ein Patentrezept gibt, weiß ich gar nicht. Unsere Bemühungen um Neumitglieder fruchten und auch die Anzahl der Austritte konnten wir deutlich senken. Wir haben festgestellt, dass Neumitglieder, die sich bei uns nicht wohl fühlen, auch recht schnell wieder austreten. Deshalb zeigen wir ihnen, dass sie bei uns willkommen sind. Wir veranstalten Neumitglieder-Konvente und haben auch eine Befragung durchgeführt, weil wir wissen wollten, was Neumitglieder von der SPD erwarten und was sich ggf. verbessern sollte. Wir setzen auch sehr stark auf eine Kultur der Beteiligung. Unsere Mitgliederbefragung, wer Spitzenkandidat bei der Landtagswahl werden soll, war ein großer Erfolg und hat auch anderen Landesverbänden und dem Mitgliedervotum zur großen Koalition Pate gestanden.
Muss die SPD stärker lernen, ihre Mitglieder ernst zu nehmen?
Ich denke, das tut sie bereits und hat das mit dem Mitgliedervotum über den Eintritt in die große Koalition ja auch gezeigt. Klar ist: Wer in die SPD eintritt, will nicht nur zahlendes Mitglied sein, sondern auch mitbestimmen.
Was sind weitere Anforderungen an moderne Parteiarbeit?
Junge Menschen haben andere Bedürfnisse als ältere. Diese Interessen müssen unter einen Hut gebracht werden. Die Ehrung langjähriger Mitglieder kann man nicht abschaffen, nur weil das auf die Jungen vielleicht manchmal komisch wirkt. Aber man kann sie z.B. nutzen, um die Älteren erzählen zu lassen, warum sie eigentlich SPD-Mitglied geworden sind und was sie erlebt haben. Die eigene Parteigeschichte spielt eine entscheidende Rolle für die Identität der Mitglieder. In Schleswig-Holstein bemühen wir uns deshalb mit einer Geschichtswerkstatt im Internet sehr darum, Parteigeschichte lebendig zu halten. Die Mitglieder können auch alle Partei-Beschlüsse in einer Internet-Datenbank nachlesen. Und wir setzen stark auf den Social-Media-Bereich und haben einen eigenen Referenten dafür in der Landesgeschäftsstelle angestellt.
Das sind eher Dinge, die jüngere Menschen ansprechen. Spiegelt sich das wider bei denjenigen, die neu in die SPD eintreten?
Diejenigen, die eintreten, kommen aus allen Altersgruppen, aber es sind erfreulich viele Junge darunter. Ansonsten gibt es bei uns in Schleswig-Holstein einige Besonderheiten. So sind wir der Landesverband, der die meisten Mitglieder über hundert hat. Das liegt wohl am guten Klima an der Küste. Und wir haben schon seit längerer Zeit den höchsten Frauenanteil aller Landesverbände. Deshalb haben wir es bei der jüngsten Landtags- und Bundestagswahl auch geschafft, die Listen paritätisch zu besetzen.
Für alle, die nun neidisch werden: Was können Sie anderen Landesverbänden raten, damit sie ähnlich erfolgreich bei der Mitgliederwerbung sind?
Es ist sicher schwierig, unser Vorgehen auf andere Landesverbände zu übertragen. Wichtig ist aus meiner Sicht die Einigkeit der Partei. Wir in Schleswig-Holstein sind zwar ein linker Landesverband, aber Flügelkämpfe gibt es bei uns nicht. Es gibt keine Strömungen, die gegeneinander arbeiten. Wir ziehen an einem Strang und haben die Krisen, die wir in den vergangenen Jahren hatten, gut weggesteckt. Deshalb blicke ich auch sehr optimistisch in die Zukunft für unsere Partei.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.