"Stefan Heym - von Chemnitz in die Welt", unter diesem Motto stand die erste Internationale Konferenz zu Leben und Werk des Schriftstellers, die Anfang Juli in Heyms Geburtsstadt Chemnitz stattfand. Zu den Kernthemen der von der Internationalen Stefan-Heym-Gesellschaft initiierten Tagung mit Wegbegleitern und Literaturwissenschaftlern aus dem In- und Ausland gehörte unter anderem Heyms bis heute kaum dokumentiertes frühestes literarisches Schaffen. Es reicht bis Anfang der dreißiger Jahre zurück und ist eng mit der Sozialdemokratie verbunden.
Frühe Kontakte zur örtlichen sozialdemokratischen Jugendbewegung
Bereits als Sechzehnjähriger hatte Stefan Heym, der damals noch Helmut Flieg hieß, ein erstes zeitkritisches Gedicht in der "Volksstimme" veröffentlicht, dem SPD-Parteiblatt seiner
Heimatstadt. "Nie wieder Krieg!", lautete sein Titel. Schon zu dieser Zeit lasse sich ein sozialistischer Ansatz in seinem Schreiben erkennen, zeigte der Literaturwissenschaftler Peter Hutchinson
von der Universität Cambridge den Teilnehmern der Konferenz auf.
"Niemals wieder wollen wir die Waffen heben gegen Brüder!", formulierte der junge Heym als zentrale Botschaft seines Anfang des Jahres 1930 erschienenen literarischen Debüts. Ihm sollten bis Ende der dreißiger Jahre, als Heym aus Nazi-Deutschland zunächst in die Tschechoslowakei geflohen und schließlich in die USA gegangen war, noch mehr als zweihundert weitere, meist politische Gedichte folgen.
Dass dem 1913 geborenen jüdischen Fabrikantensohn Helmut Flieg ausgerechnet die lokale Presse der SPD ein erstes Podium bot, dürfte dessen Kontakten zur örtlichen sozialdemokratischen Jugendbewegung zu verdanken gewesen sein. Später wandte sich Heym - wie viele seiner Generation, unter ihnen Willy Brandt - enttäuscht der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) zu. In deren überregionaler Tageszeitung lassen sich ebenfalls eine Reihe früher Arbeiten des jungen Heym finden.
PDS-Kandidat und Ehrenbürger von Chemnitz
Gleichwohl das Verhältnis der SPD zu Stefan Heym nach der deutschen Wiedervereinigung insbesondere infolge seines Einzugs in den Bundestag als parteiloser Direktkandidat der PDS im Jahr 1994 nicht frei von Spannungen war, fand dieses ein versöhnliches Ende. Wenige Monate vor Heyms Tod im Dezember 2001 ernannte ihn der damalige Chemnitzer SPD-Oberbürgermeister Peter Seifert zum Ehrenbürger der Stadt Chemnitz.
Zur Beisetzung Heyms auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee erwiesen ihm Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse - 1994 Heyms Gegenkandidat im Wahlkreis Berlin-Prenzlauer Berg - die letzte Ehre.
"Von seiner politischen Haltung her hätte Stefan Heym eher zur SPD gepasst als zur PDS", meinte der Schirmherr der Konferenz, der Journalist, frühere Intendant des Westdeutschen Rundfunks und Vorsitzende der ARD, Fritz Pleitgen.
Nach wie vor aktuell: Gedichte gegen Krieg und soziale Ungerechtigkeit
"Der Sozialdemokratie im Osten hätte es sehr genutzt, hätte sie eine solche Figur in ihren Reihen gehabt", sagte er mit Blick auf die lange Zeit enttäuschenden Wahlergebnisse der SPD in den
neuen Ländern. Aber wäre es überhaupt denkbar gewesen, dass der erklärte Sozialist 1994 statt für die SED-Nachfolgepartei für die SPD als Bundestagskandidat angetreten wäre? Oder für die
Bündnisgrünen? Inge Heym, die Witwe des Autors, ist da eher skeptisch. "Sie haben ihn ja nicht gefragt, von daher war das kein Thema", sagte sie.
Heute, mehr als 15 Jahre später, ist es Chemnitzer Sozialdemokraten ein Anliegen, die Erinnerung an den Ehrenbürger ihrer Stadt zu pflegen. So gehört die Landtagsabgeordnete Hanka Kliese der Internationalen Stefan-Heym-Gesellschaft ebenso an wie der stellvertretende Vorsitzende des Unterbezirks, Jörg Vieweg. Der heute Vierzigjährige zählt sogar zu den Gründungsmitgliedern der Gesellschaft.
Anlässlich von Heyms achtzigstem Autorenjubiläum organisierte er im vergangenen Jahr eine Veranstaltung zur Würdigung des Schriftstellers mit - in der einstigen Druckerei der "Volksstimme" in Chemnitz, wo Heyms frühesten Arbeiten zu Papier gebracht worden waren. "In Tausenden von Exemplaren!", wie sich Heym später in seiner Autobiografie "Nachruf" an die damalige Euphorie des jungen Helmut Flieg erinnerte. Dessen in den dreißiger Jahren entstandene Gedichte gegen Krieg und soziale Ungerechtigkeit seien aktueller den je, meint Vieweg. "Sie lösen beim Lesen noch heute eine Gänsehaut aus."
Stefan Heym (1913 - 2001) zählt zu den bedeutendsten deutschen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Aufgewachsen in einem deutsch-jüdischen Elternhaus, trat er bereits in seiner Jugend mit gesellschaftskritischen Gedichten und ersten journalistischen Arbeiten hervor. Nach der Übernahme der politischen Macht durch die Nationalsozialisten 1933 musste er mit 19 Jahren als jüngster literarischer Flüchtling Deutschlands ins Ausland gehen.
In den USA wurde er Chefredakteur einer antifaschistischen Wochenzeitung und schrieb 1942 mit seinem Debütroman "Hostages" seinen ersten Bestseller. Romane wie "The Crusaders" (1948, dt.: "Kreuzfahrer von heute"/"Der bittere Lorbeer"), "Der König-David-Bericht" (1972) oder "Ahasver" (1981) machten ihn zu einem international anerkannten Autor.
Seit 1952 lebte Stefan Heym in der DDR. Wegen seiner zunehmend kritischen Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Verhältnissen geriet er bald in Konflikt mit der Staatsführung. Nach dem 11. Plenum des Zentralkomitees der SED Ende 1965 konnten Bücher wie "Lassalle" (1969), "Die Schmähschrift oder Königin gegen Defoe" (1970) oder "5 Tage im Juni" (1974) zunächst nur im Ausland erscheinen. Eine zeitweilige Lockerung des Publikationsverbotes endete nach Heyms Unterzeichnung einer Protesterklärung gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns. 1979 wurde Stefan Heym aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. Dennoch betrachtete er die DDR weiterhin als seine Heimat.
Als Unterstützer der Bürgerrechtsbewegung wurde Stefan Heym 1989 zu einem der wichtigsten Kommentatoren der friedlichen Revolution in der DDR. Nach der Wiedervereinigung zog er 1994 als parteiloser Direktkandidat auf der offenen Liste der PDS in den 13. Deutschen Bundestag ein, den er als Alterspräsident mit einer viel beachteten Rede eröffnete. Im Jahr 2000 erschien sein letzter, bereits Mitte der 1960er-Jahre entstandener Roman "Die Architekten".
Am 16. Dezember 2001 starb Stefan Heym während eines Aufenthalts in Israel.
Weitere Informationen: www.stefan-heym-gesellschaft.de
war Sprecher der SPD in der Klima-Enquete des Deutschen Bundestages und ist Bundesvorsitzender der NaturFreunde.