Parteileben

Parteivorsitz: Wie die Auszählung Genossen zusammenbringt

Von Weinheim in Baden-Württemberg bis nach Berlin sind es – Luftlinie – rund 470 Kilometer, sechs Stunden mit dem Zug. Eine Tour, die Paul Frey gerne auf sich nimmt, um bei der Mitgliederbefragung zum Parteivorsitz Stimmzettel zu zählen.
von Benedikt Dittrich · 21. November 2019
Als Auszähler im Willy-Brandt-Haus zu Gast: Paul Frey aus Weinheim.
Als Auszähler im Willy-Brandt-Haus zu Gast: Paul Frey aus Weinheim.

Paul Frey, 23 Jahre alt, wird am Samstag ein zweites Mal bei der Auszählung der Abstimmung helfen. Zuhause ist er Vorsitzender des Juso-Ortsverbands und im Vorstand der SPD Weinheim aktiv. In Heidelberg studiert er Lehramt für Deutsch und Englisch.

Von Weinheim nach Berlin – das sind mit dem Zug rund sechs Stunden Fahrt, für eine Strecke. Diagonal durch die halbe Bundesrepublik, von Südwest nach Nordost. Er gehörte auch in der ersten Abstimmungsrunde zum Parteivorsitz zu den Helfern, die im Willy-Brandt-Haus die Briefe der Mitglieder sortierten und zählten. Eine eher spontane Entscheidung, wie er im Gespräch mit dem „vorwärts“ erklärte: „Ich war im Regionalbüro zu Besuch und habe dort erfahren, dass noch Helfer gesucht werden.“ Da habe er sich als Freiwilliger gemeldet.

Eine Entscheidung, die er nicht bereut: „Diese Mitgliederbefragung ist ja an sich schon eine riesige Sache.“ Er findet das Verfahren, um neue Parteivorsitzende zu finden, gut. „Besser, als wenn das im Hinterzimmer entschieden wird.“ Live konnte er die Kandidierenden bei der Tour allerdings nicht erleben: „Das war in den Semesterferien, da war ich in den USA unterwegs." Nichtsdestotrotz habe er aber die eine oder andere Veranstaltung gespannt im Livestream verfolgt.

Gegen Rechts, für die SPD

Paul Frey trat 2017 in die Partei ein, als Martin Schulz zum Parteivorsitzenden ernannt wurde. Allerdings, das ist ihm wichtig zu betonen: „Eigentlich war es eine kommunale Entscheidung.“ Seine Eltern leben auf dem Land, erzählt er, „und dort gab es in der Zeit immer mehr Rechte und die kamen auch immer öfter zu Wort.“ Sogar ehemalige Klassenkameraden seien in diese Richtung abgedriftet. Eine Entwicklung, der er etwas entgegensetzen wollte – und da seien die Sozialdemokraten die richtige Partei gewesen. „Ich wollte mich politisch deutlich dagegen positionieren“, meint Frey.

An dieser Grundhaltung, sagt er, habe sich auch zwei Jahre später nichts geändert. Doch mit der SPD an sich sei es seither trotzdem nur bergab gegangen – ein richtiges Erfolgserlebnis habe er seitdem er Parteimitglied ist, nicht gehabt.

Umso wichtiger war für ihn dann die Erfahrung bei der ersten Auszählungsrunde. „In Heidelberg“, meint Frey, „leben wir ein bisschen in einer Blase.“ Bei der Sortierung wurden hingegen die Mitglieder bunt gemischt – es wurden Genossen aus unterschiedlichen Landesverbänden an einen Tisch gesetzt. „So konnte man die Partei auch ein bisschen als Ganzes kennenlernen.“ Neben ihm saßen Mitglieder unter anderem aus Schleswig-Holstein, Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt zusammen, erinnert er sich: „Alle waren motiviert, alle waren gut drauf." Den Abend ließen sie dann auch gemeinsam an einem anderen Tisch in einer Kneipe ausklingen. Natürlich wurden dabei auch Kontaktdaten ausgetauscht.

„Würde ich wieder machen“

Für die Abstimmung zwischen Klara Geywitz und Olaf Scholz sowie Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans erwartet er ein spannendes Rennen. Aus seiner Sicht war auch das Ergebnis der ersten Runde enger als erwartet. Wie sich diejenigen verhalten, die in der ersten Runde für ein anderes Duo gestimmt haben, wagt er nicht vorherzusagen.

Auch wenn die Mitgliederbefragung nicht mit einer Bundes- oder Landtagswahl vergleichbar ist, für Paul Frey war es das erste Mal, dass er bei so etwas mitgeholfen hat, Stimmzettel ausgewertet hat. „Eine gute Erfahrung“, meint er, „würde ich auch wieder machen.“ Bei der Kommunalwahl in Baden-Württemberg 2019 hätte er das vielleicht schon getan, da stand er aber selber als Kandidat für die Gemeinderatswahl in Weinheim auf der Liste – natürlich als Sozialdemokrat.

Bis zum 29. November können SPD-Mitglieder noch ihre Stimme abgeben. In der zweiten Abstimmungsrunde stehen nur noch die Duos Klara Geywitz und Olaf Scholz sowie Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans zur Wahl. Das Ergebnis der Mitgliederbefragung zum Parteivorsitz wird am 30. September verkündet. Alle Infos zu den Kandidierenden und zum Verfahren hier.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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