Parteivorsitz: So haben sich die Duos im letzten Duell präsentiert
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Seit Dienstagmorgen, 8 Uhr, können die Mitglieder der SPD in der zweiten Befragungsrunde ihre Stimme abgeben und so entscheiden, wer künftig die Partei anführen soll: Klara Geywitz und Olaf Scholz oder Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Am Montagabend trafen die beiden Duos zum letzten Mal direkt aufeinander – und schalteten dabei noch einmal auf Angriff, schlugen gleichzeitig versöhnliche Töne an für die Zeit nach der Befragung an.
„Versöhnen statt spalten“, ein Zitat von Johannes Rau, nahmen dabei gleich beide Duos auf: Zuerst Olaf Scholz, im Anschluss daran auch Norbert Walter-Borjans (Nowabo). „Wenn die Entscheidung gefallen ist, dann müssen wir als eine Partei, mit geradem Rücken auf den Platz gehen“, skizzierte Scholz die Zeit nach der Mitgliederbefragung, wenn das Siegerduo auf dem Bundesparteitag im Dezember bestätigt wurde. „Wir vier werden dieses Ergebnis akzeptieren“, betonte auch Nowabo, begleitet von Zustimmung vom anderen Duo. Auf dieses Siegerduo kommt aber eine große Aufgabe zu, verdeutlichte Nowabo: „Es wird darauf ankommen, dass derjenige, der gewinnt, versöhnen statt spalten muss.“ Die Unterstützer der jeweiligen Lager sollen am Ende wieder gemeinsam an einem Strang ziehen können.
In dem Zusammenhang kritisierte der Rheinländer die gegenseitigen Angriffe aus diesen konkurrierenden Gruppen. „Da sieht man die eine oder andere Schärfe, die man nicht schön findet, wenn sie gegen einen gerichtet ist. Die ich aber auch nicht schön finde, wenn sie von Menschen kommt, die uns unterstützen.“ Der Sieger müsse am Ende auf die Skeptiker zugehen. Ein Unterschied, der die Suche um den Parteivorsitz der SPD auch von der Führungsdebatte in der CDU unterscheidet, wie Klara Geywitz auf Nachfrage von Moderatorin Julia Grimm verdeutlichte: „Weder Olaf noch Norbert sind so drauf wie Friedrich Merz.“ Die SPD sei schon durch ein bitteres Tal gegangen. „Der Rücktritt von Andrea Nahles hat uns allen einen heilsamen Schock versetzt.“
Geywitz sprach sich deswegen für eine Fortsetzung der Regionalkonferenzen aus, bei der in der Vergangenheit die Kandidierenden sich der Parteibasis vor Ort vorgestellt hatten. Saskia Esken ergänzte das: „Wir haben diese Konferenzen erlebt als Orte, wo Menschen sich einbringen für die Sozialdemokratie." Alle, die sich dort beteiligt hatten, sollten künftig auch eine wichtige Rolle in der Partei spielen, signalisierte sie in Richtung der Mitglieder, aber auch der ausgeschiedenen Kandidierenden. „Niemand soll sich danach als beleidigter Verlierer zurückziehen.“
Neue Inhalte – mit welchem Personal?
Neben den Gemeinsamkeiten, die beide Duos betonten, stritten die Duos aber weiter inhaltlich quer durch die Themen, die Moderatorin Julia Grimm, Hauptstadtbüroleiter Gordon Repinski sowie Leser der RND-Medien vorgaben. So erklärten Esken und Nowabo, dass sie sich die Regierungskoalition nur mit Nachverhandlungen fortsetzen würden, während Geywitz und Scholz die große Koalition verteidigten. Esken erklärte den vermeintlichen „Linksruck“, den das Duo verkörpere, mit Blick auf andere Länder wie Portugal. Dort erzielten linke Bündnisse gute Wahlergebnisse und machten gute Politik, auch für die Wirtschaft. Ein „Linksruck“, den Nowabo aber weniger radikal interpretierte: „Die Partei hat sich viel zu lange Rezepten hingegeben, die man neoliberal nennen muss.“ Wenn er dann heute sage, er wolle zurück zur Partei Willy Brandts: „Wenn das ein Linksruck ist, ja, dann will ich einen Linksruck.“
Scholz meinte hingegen, es solle vor allem kein weiter so geben. Die SPD müsse für mehr Zuversicht kämpfen, gepaart mit einem „robusten Sozialstaat“, besseren Arbeitnehmerrechten und einer ökologischen Industriepolitik. „Das geht aber nur mit einer SPD, der man die Sozialdemokratie wieder abnimmt“, konterte Nowabo. „Wir dürfen kein weiter so machen. Die Menschen wollen auch sehen, dass wir personell einen Neuanfang machen.“ Das brachte widerrum Klara Geywitz auf die Barrikaden: „Du machst es dir ganz schön einfach“, konterte sie gegenüber Nowabo. „Ich lasse es dir nicht ständig durchgehen, dass du sagst, das größte existierende Problem der SPD ist Olaf Scholz.“ Olaf Scholz sei der beliebteste Politiker der SPD, habe Wahlen gewonnen und mache auch als Vizekanzler einen guten Job, zählte die Brandenburgerin auf. Als Ostdeutsche habe sie eine große Sehnsucht nach Stabilität. „Die Menschen erwarten von der Sozialdemokratie auch Verlässlichkeit.“
Militäreinsatz in Mali: Skepsis
Moderatorin Julia Grimm griff im Laufe des „Berliner Salons“, wie das Redaktionsnetzwerk das Format getauft hatte, noch ein neues Thema auf: Die Außenpolitik hatte bisher in den Debatten noch keine große Rolle gespielt. Antworten hatten beide Duos auf die Fragen trotzdem.
Einen Einsatz in Mali sah Klara Geywitz mit Blick auf die aktuelle Belastung der Bundeswehr skeptisch, Saskia Esken sah einen solchen Einsatz ähnlich problematisch. Beide gingen auf Distanz zum Vorstoß der CDU-Verteidigungsministerin. „Das ist Innenpolitik auf dem Rücken der Außenpolitik“, kritisierte Esken die vermeintliche Profilierung von Annegret Kramp-Karrenbauer. „Wenn man Verteidigungsministerin ist, muss man erstmal einen Plan vorlegen, wie die Soldaten in diese Einsätze überhaupt gehen könnnen“, so Geywitz.
Bezogen auf das Zwei-Prozent-Ziel der Nato äußerte sich Scholz ebenfalls zurückhaltend. Die Ausstattung der Bundeswehr sei in den vergangenen Jahren verbessert worden. „Das halte ich auch für richtig.“ Wer aber Vorhersagen für die nächsten Jahre machen wolle, „der überhebt sich.“ Auch auf Nachfrage von Repinski zum Etat erwiederte Scholz: „Wir haben der Nato gemeldet, worum wir uns bemühen.“ Um das Zwei-Prozent-Ziel gehe es ihm nicht.
Aus dem Publikum wurde im Anschluss eine Frage zu den Rüstungsexporten gestellt, die zunächst Norbert Walter-Borjans klar beantwortete: Rüstungsexporte, vor allem in Krisenländer müssten beendet werden, so Nowabo, „das gehört weder zu Deutschland noch zur Sozialdemokratischen Partei als eine Partei der Friedenssicherung.“ Die eigene Ausstattung der Bundeswehr und in Europa müsse aber besser aufeinander abgestimmt werden. Klara Geywitz gab sich da zurückhaltender: „Wenn wir die Waffen nicht exportieren, nach strengen Kriterien, dann werden es andere Leute machen.“ Das sei aus ihrer Sicht also kein wesentlicher Fortschritt. Aus demselben Grund sprach sie sich auch für eine eigene Rüstungsindustrie aus.
Groko zwischen Lob und Skepsis
Vor allem Saskia Esken plädierte bei der Debatte zur großen Koalition für Nachverhandlungen. „Es wurden einige Häkchen gemacht an wichtigen Projekten.“ Mit Blick auf die Revisionsklausel aus dem Koalitionsvertrag sagte die Bundestagsabgeordnete aber: „Die Welt hat sich weitergedreht.“ Auch Nowabo sagte, beispielsweise zum Klimaschutz: „Das Thema brennt unter den Nägeln und das wird es weiterhin tun.“ Die Kommunen müssten entschuldet werden, es müsse zusätzliches Geld investiert werden. Bezogen auf die Signale des Koalitionspartners blieb Esken skeptisch bezüglich der Zukunft der Regierungskoalition. Wenn es keine Nachverhandlungen gebe, würde sie dem Parteitag einen Austritt empfehlen.
Scholz kritisierte hingegen, dass es noch einige Projekte für die Zukunft gebe, beispielsweise bei der Rente, aber auch bei der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen. „Wir müssen das sehr klug überlegen“, sagt er zu einem möglichen Austritt aus der großen Koalition. Den jüngsten Grundrente-Kompromiss bezeichnete er als einen großen Erfolg. „Wir haben etwas vorzuweisen, wir sollten uns nicht selber schlecht reden.“
Die gesamte Debatte zum Nachschauen im Youtube-Kanal von Phoenix.