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Parteitag: Warum die SPD online-basierte Themenforen braucht

Um sich zu öffnen, will die SPD auf ihrem Parteitag online-basierte Themenforen einführen. Diese sollen nicht die Ortsvereine ersetzen, sondern ergänzen. Gelingt dies, kann die SPD zur digitalen Mitmachpartei Nummer eins werden.
von Henning Tillmann · 8. Dezember 2017
Die SPD braucht digitale Alternativen zum Ortsverein. Der Parteitag will deshalb Online-Themenforen einführen.
Die SPD braucht digitale Alternativen zum Ortsverein. Der Parteitag will deshalb Online-Themenforen einführen.

Online-basierte Themenforen – viele mögen dabei zuerst an klassische Webforen denken mit Textwüsten und ewig lange Diskussionen. Doch die geplanten onlinebasierten Themenforen der SPD haben lediglich das Wort „Foren“ mit den Web-Foren gemein. Denn: Zum ersten Mal kann eine große deutsche Partei niedrigschwellige, mehrstufige und auch mit Macht unterlegte Online-Beteiligung ermöglichen. Der Parteitag muss dem nur noch zustimmen.

Der mit Bezug zum Internet mehrdeutige Begriff Themenforen stammt aus dem Organisationsstatut der SPD, das bereits themenbasierte Arbeitsformen ermöglicht. Die Initiative SPD++ hat vorgeschlagen, die analoge Beteiligungsform auf das digitale Zeitalter übertragen. Der Parteivorstand hat den Vorschlag übernommen und im Leitantrag „Die #SPDerneuern“ verankert.

Es muss digitale Alternativen zum Ortsverein geben

Im Moment ist die erste Anlaufstelle für Parteimitglieder der jeweilige Ortsverein. Dies soll in der Regel auch weiterhin so bleiben. Ortsvereine sind die Gesichter der Partei und erfüllen eine wichtige Aufgabe in der politischen Organisation und dem sozialen Austausch innerhalb der Partei. Dennoch sind hier nur knapp 20 Prozent der SPD-Mitglieder hier organisiert. Dies hat mehrere Gründe:

  • Viele Mitglieder können aus den unterschiedlichsten Gründen (Familie, Beruf, etc.) nicht an Ortsvereinssitzungen teilnehmen. 

  • Viele Mitglieder wollen sich dauerhaft themenbezogen austauschen. 

  • Nicht für jede und jeden ist das Format des Ortsvereins passend. Online-basierte Themenforen sollen daher eine niedrigschwellige Alternative und Ergänzung zu den bestehenden Strukturen sein. Durch die themenbezogene Arbeit ersetzen sie weder Ortsvereine noch Arbeitsgemeinschaften.

Die online-organisierten Themenforen sollen mehrere Anforderungen an Strukturen innerhalb der SPD genügen: 


  • Sie ermöglichen die Teilhabe an politischen Prozessen direkt ab Beginn der Mitgliedschaft und sind ortsungebunden möglich. 

  • Sie zeigen die Kompetenzen innerhalb der Partei auf. Durch die Themenforen werden sich Mitglieder beteiligen, die aufgrund unterschiedlicher Gründe bis jetzt nur passive Mitglieder waren. 

  • Sie ermöglichen die Vernetzung von SPD-Mitgliedern über die klassischen regionalen Grenzen hinweg.

Online-organisierte Themenforen werden vor allem mit dem ersten Punkt in Verbindung gebracht: dem Engagement unabhängig vom Wohnort. Es müssen aber vor allem auch die anderen beiden Punkte bedacht und umgesetzt werden. Die Partei (somit auch die Themenforen) muss Ort des sozialen Austauschs sein. Themenforen sollen daher nicht nur strikte Textarbeit, sondern Vernetzung ermöglichen. Dabei sind auch klassische Treffen vor Ort möglich, z. B. indem jedes Themenforum einmal pro Jahr eine Konferenz anbietet. Eine denkbare Lösung wäre, dass jeder Landesverband eine Konferenz eines Themenforums pro Jahr anbietet.

Scheinbeteiligung erzeugt Frust

Im Leitantrag des SPD-Parteivorstands ist zu lesen, dass das Recht auf Delegierte gerecht sei und geprüft werden muss. Dieses Recht muss es zweifelsfrei geben: Wer sich politisch beteiligt, muss auch mit einem gewissen Einfluss ausgestattet sein. Häufig genug scheitert Online-Beteiligung daran, dass die Ergebnisse in Vorständen versickern und tatsächliche Entscheidungen von anderen getroffen werden. Dies erzeugt Frust und die online-basierten Themenforen wären gescheitert, bevor sie überhaupt gestartet sind.

Wieviele Parteitagsdelegierte die Themenforen künftig entsenden können und wie diese aufgeteilt werden, muss in der Tat ausgehandelt werden. Allein schon durch das Parteienrecht (max. ein Fünftel der Delegierten darf aus nicht-regionalen Untergliederungen kommen) gibt es eine obere Schranke.

Es ist Mut gefragt

Die Partei sollte sich die kommenden zwei Jahre Zeit nehmen, die organisatorische und technische Umsetzung genau zu planen. Ebenso muss es einen Diskurs über die Verteilung der Delegierten geben. Hier ist aber vor allem Mut gefragt. Mut, das riesige Potential und Fachwissen der 80 Prozent inaktiven Genossinnen und Genossen zu aktivieren und ernsthaft einzubinden. Dafür müssen bei diesem Bundesparteitag die Weichen gestellt werden. Denn dann könnte die SPD – nicht nur digital – zur Basispartei Nummer eins werden.

Autor*in
Henning Tillmann
Henning Tillmann

ist selbständiger Softwareentwickler und lebt in Berlin. Er ist u. a. Vorstandsmitglied des Vereins D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e.V.

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