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Parteitag: Barbara Hendricks fordert eine SPD als starke Umweltpartei

Umwelt- und Naturschutz sind Themen, die keine Partei mehr auslassen darf, wenn sie den Verstand und das Herz junger Menschen erreichen will. Davon ist Umweltministerin Barbara Hendricks überzeugt. Wie die SPD profitieren kann, wenn sie sich an die Spitze der Bewegung stellt.
von Barbara Hendricks · 5. Dezember 2017

Spätestens mit dem Übereinkommen von Paris, das vor genau einem Jahr in Kraft getreten ist, haben die 195 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen den Umstieg auf eine klimafreundliche Lebensweise beschlossen. Dieser Weg ist unumkehrbar. Auch dem angekündigten Austritt der USA aus dem Abkommen ist kein einziges Land gefolgt.

Klimapolitik als zentrales sozialdemokratisches Thema

Um dieses globale Ziel zu erreichen, wird sich unsere Art des Lebens und des Wirtschaftens grundlegend verändern. Das Überleben linker Parteien wird auch davon abhängen, ob sie in der Lage sind, diesen Transformationsprozess zu verstehen und zu gestalten. Klimapolitik berührt zentrale sozialdemokratische Themen, denn klimagerechtes Handeln ist gelebte internationale Solidarität. Wir haben die Pflicht den Ländern zu helfen, die am stärksten unter der Erderwärmung leiden. Klimagerechtes Handeln ist aber auch eine handfeste industriepolitische Frage und betrifft die Interessen von Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland. Dabei geht es um klimafreundliche Mobilität, Energieerzeugung, Bauen, Landwirtschaft, Industrieproduktion und vieles mehr.

Alle diese Entwicklungen gehen Hand in Hand mit der Digitalisierung und der Zusammenarbeit in Europa. Dieser Prozess hat längst begonnen und Deutschland ist gar nicht schlecht gestartet - mit der Energiewende sind wir ein weltweiter Vorreiter. Wachstum und Wohlstand müssen vom Ressourcenverbrauch entkoppelt werden. Gleichzeitig erschließen wir mit unseren Umwelttechnologien neue Märkte und profitieren von der weltweit zunehmenden Nachfrage nach „grünen“ Produkten. Das Marktvolumen der Umwelttechnik und Ressourceneffizienz wird sich hierzulande bis 2025 auf voraussichtlich rund 740 Milliarden Euro erhöhen. Schon heute finden 1,5 Millionen Menschen Arbeit in diesem Bereich, Tendenz steigend. Zudem tragen diese Unternehmen dazu bei, dass auch klassische Industriezweige eine Zukunft haben.

Klimaschutz schafft Arbeitsplätze

Eine aktuelle OECD-Studie bestätigt: Klimaschutz, verbunden mit klimakompatibler Wachstumspolitik, bringt einen Wachstumsschub für alle G20-Staaten. Das ist das genaue Gegenteil von dem, was von Seiten der Konservativen immer wieder behauptet wird. Der Klimaschutz kostet nicht Wachstum und gute Industrie-Arbeitsplätze, er schafft sie. Fortschrittliche Gewerkschafter wissen das.

Sozialdemokratische Parteien, die sich seit jeher den Fortschritt auf die Fahnen schreiben, dürfen auf diesem Weg nicht stehenbleiben oder aus Angst zögerlich agieren. Der französische Präsident Emmanuel Macron zum Beispiel hat der Umweltpolitik einen prominenten Stellenwert eingeräumt und sich ein umweltfreundliches Steuersystem und eine Wirtschaft mit niedrigem CO2-Ausstoß als Ziele gesetzt. Es waren auch diese Aussichten auf eine soziale und ökologisch gerechtere Zukunft, mit denen er die Herzen der jungen Generation und die Präsidentschaft gewonnen hat, während die französischen Sozialisten in einstellige Prozentbereiche abgestürzt sind.

Ohnehin sollte man sich bei dem Bemühen um zukünftige Wählerinnen und Wähler (oder auch Mitglieder) die Kernanliegen der heranwachsenden Generation anschauen. Umwelt- und Naturschutz sind Themen, die keine Partei mehr auslassen darf, wenn sie den Verstand und das Herz junger Menschen erreichen will. Die SPD muss sich Umweltthemen wieder viel stärker zu Eigen machen. Noch besser wäre es, wenn sie sich an die Spitze der Bewegung stellen.

SPD war erste Umweltpartei Deutschlands

Es war Willy Brandt, der Umweltprobleme erstmals zu einer zentralen Staatsaufgaben gemacht hat. Die SPD sollte wieder stärker an diesen Teil ihrer Geschichte anknüpfen. Denn es ist eine Erfolgsgeschichte: Der Umweltschutz hat unser Leben gesünder, lebenswerter und gerechter gemacht. Die von uns formulierte sozial-ökologische Industriepolitik hat zu vielen Innovationen und Chancen für nachhaltiges qualitatives Wachstum geführt. Wir haben aktiv zum Erfolg der Pariser Klimakonferenz beigetragen und mit dem Klimaaktionsprogramm und dem Nationalen Klimaschutzplan 2050 Wege aufgezeigt, wie wir national zum Erfolg des Abkommens beitragen werden. Ein Transformationsprozess von dieser Dimension darf nicht einer konservativen Klientel-Partei wie Bündnis 90/Die Grünen überlassen werden.

Unser Anspruch als Volkspartei muss es sein, dieses Feld auch in der Öffentlichkeit stärker zu besetzen und die Tatsache, dass wir bereits Umweltpartei sind, viel stärker in unser Selbstverständnis aufnehmen. Die Jamaika-Sondierungen haben gezeigt, dass keine der beteiligten Parteien die soziale Dimension der vor uns liegenden Strukturentwicklungen vor Augen hat. Das zeigt: Der Wandel zu einer klimagerechten Lebensweise ist viel zu wichtig und zu umfassend, um sie anderen Parteien zu überlassen.

Autor*in
Barbara Hendricks

ist Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.

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