Parteileben

Parteiarbeit in Zeiten von Corona: SPD-Politiker*innen setzen auf Live-Formate

Weil die klassischen Parteitermine wegfallen, setzen auch SPD-Politiker*innen während der Corona-Pandemie vermehrt auf Live-Formate im Internet. Damit erreichen sie mehrere hundert Menschen gleichzeitig.
von Jonas Jordan · 27. März 2020
Der SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im Live-Talk mit dem Europaabgeordneten Tiemo Wölken.
Der SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im Live-Talk mit dem Europaabgeordneten Tiemo Wölken.

„Das ist wirklich großartig“, sagt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil zur Frage, wie es sich anfühlt, „schon im Hoodie zu Hause sitzen zu können“. Es ist Donnerstagnachmittag um kurz nach 16 Uhr und der SPD-Generalsekretär ist zu Gast im Live-Talk „CLOSE(D) CONTACT“ des SPD-Europaabgeordneten Tiemo Wölken. Klingbeil trägt einen schwarzen Kapuzenpullover mit der schlichten weißen Aufschrift „No.“. Er hat ihn 2017 auf dem Bundeskongress der Jusos geschenkt bekommen, mit einem Augenzwinkern im Hinblick auf eine mögliche große Koalition. Das berichtet Klingbeil bereits am Abend vorher auf Instagram im Gespräch mit dem Juso-Vorsitzenden und stellvertretenden SPD-Chef Kevin Kühnert.

Klingbeils Gäste: Kühnert, Bär und Beisenherz

Weil die sonst üblichen Abendtermine in diesen Tagen wegen der Corona-Pandemie komplett wegfallen, hat Klingbeil sein eigenes Talk-Format auf Instagram gestartet: #DiesDas heißt es. Kühnert ist am Mittwoch einer der ersten Gäste. In den Tagen danach sollen unter anderem die Influencerin Louisa Dellert, der Moderator Micky Beisenherz und die Digitalisierungsbeauftragte der Bundesregierung Dorothee Bär folgen. So berichtet es Klingbeil, während er selbst zu Gast bei seinem Parteikollegen Tiemo Wölken ist. Die beiden kennen sich gut aus gemeinsamen Juso-Zeiten in Nord-Niedersachsen. Im Europawahlkampf im vergangenen Jahr haben sie gemeinsam mit Kühnert im Livestream gezockt und dabei über Politik gesprochen.

Auch an diesem Nachmittag wirkt das Gespräch zweier Spitzenpolitiker eher wie ein netter Plausch unter Freunden, was es wahrscheinlich auch ist. Zeitweise schauen mehr als 750 Besucher*innen gleichzeitig zu, wie Klingbeil und Wölken während ihres rund einstündigen Talks über ernste, aber auch durchaus private Themen sprechen. Sie reden über eine allgemeine Dienstpflicht, Online-Themenforen in der SPD und die Flüchtlingssituation an der griechisch-türkischen Grenze. Dazu hat Europapolitiker Wölken eine klare Meinung: „Die Europäische Union macht keine gute Figur“, sagt er und kritisiert insbesondere Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Danach erfahren die Zuschauer*innen, dass Klingbeil 14 Jahre lang Vegetarier war, gerne Gewürzketchup mag und Spinat hasst. Ein inhaltlicher Spagat, der beiden gelingt.

Kühnert will in den Bundestag

Eine Stunde später ist Wölken als Zuschauer auf Instagram. „Ah, hi Tiemo“, sagt Lilly Blaudszun. Die 18 Jahre alte Jungsozialistin ist in den sozialen Netzwerken sehr aktiv. Auf Instagram folgen ihr fast 12.000 Menschen. Heute hat sie ebenfalls Kevin Kühnert zum Gespräch eingeladen. Sie reden darüber, was sie in Zeiten der Corona-Pandemie mit ihrer zusätzlichen freien Zeit anstellen. Blaudszun liest gerade das neue Buch von Matthias Platzeck, Kühnert berichtet, dass er nun deutlich öfter in seiner WG anzutreffen sei als sonst: „Wir haben uns jetzt eine Spülmaschine angeschafft.“

Außerdem reden die beiden darüber, wie es ist, in der Öffentlichkeit erkannt und angesprochen zu werden. „Manchmal würde man sich wünschen, wenn man nach einer Party mit zweieinhalb Bier nach Hause fährt, wie bei Harry Potter einen Umhang zu haben, der einen unsichtbar macht“, sagt Kühnert. Gleichzeitig wolle er Momente schaffen, in denen er auch persönlich ansprechbar sei: „Ich freue mich, die Leute in der S-Bahn zu treffen.“ Kühnert bekräftigt im Gespräch mit Blaudszun zugleich seinen Entschluss, im kommenden Jahr für den Bundestag kandidieren zu wollen. „Ich hoffe, ich bleibe nicht der einzige Juso, der antritt“, sagt er.

Burkhardt und Midyatli: Selbstständigen helfen

Während Kühnert den Einzug ins Parlament noch plant, hat Delara Burkhardt das bereits geschafft. Seit dem vergangenen Jahr sitzt sie für die SPD im Europaparlament und ist dort mit 27 Jahren die jüngste deutsche Abgeordnete. Auf Instagram spricht sie am Mittwochabend mit der stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden Serpil Midyatli über die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise. Die Sozialdemokratinnen aus Schlewsig-Holstein erörtern, welche politischen Maßnahmen auf deutscher beziehungsweise europäischer Ebene getroffen werden können, um Unternehmen in der Krise zu unterstützen.

Midyatli, für die der Live-Talk auf Instagram eine Premiere ist, liegen insbesondere die Selbstständigen am Herzen. Die Landtagsabgeordnete hat selbst lange Zeit einen Gastronomiebetrieb geführt. Sie sagt: „Selbstständige haben sehr hohe Fixkosten. Deswegen ist es wichtig, dass wir neben Krediten auch die Möglichkeit von Zuschüssen für Solo-Selbstständige und Kleinunternehmen geschaffen haben.“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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