Parteileben

#Pam17: Martin Schulz begeistert auch im Festzelt

Klare Kante ja, verbale Attacke nein: Martin Schulz wirbt für Fairness im Umgang mit dem politischen Gegner und überzeugt dennoch beim Politischen Aschermittwoch. Wie stellt er das nur an?
von Robert Kiesel · 1. März 2017

Er kann auch Bierzelt: In einer umjubelten Rede auf dem Politischen Aschermittwoch der SPD in Bayern hat Martin Schulz seine Ambitionen auf das Amt des Bundeskanzlers unterstrichen. „Wir Sozialdemokraten treten mit dem Anspruch an, stärkste Partei im Land zu werden. Ich trete an, um Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden“, so Schulz während seiner gut 50-minütigen Rede vor etwa 5000 Zuhörern im Festzelt von Vilshofen. Viele Anhänger waren aus ganz Bayern und den umliegenden Bundesländern in die 18.000-Einwohner-Stadt gepilgert. Vor Ort bescherten sie Schulz und dem ebenfalls als Redner geladenem österreichischen Bundeskanzler Christian Kern einen euphorischen Empfang.

Schulz: Nein zu denen, „die Europa zerstören wollen“

Schulz - der von Gastgeber Florian Pronold als zukünftiger Kanzler der Bundesrepublik eingeführt wurde - nutzte die Gelegenheit, um die SPD und ihre Anhänger auf die verbleibende Zeit bis zur Bundestagswahl am 24. September einzuschwören. Als wichtigste inhaltliche Bausteine nannte er das Thema soziale Gerechtigkeit, die Stärkung der europäischen Solidarität und eine klare Haltung gegenüber jenen „rückwärtsgewandten Kräften, die den jungen Menschen die Zukunft stehlen wollen.“ Schulz wiederholte sein „klares Nein an die Nationalisten, die Europa zerstören wollen.“ Mit Bezug auf die Bedrohung der europäischen Einheit durch nationalistisch orientierte Parteien sagte er: „Wer ins deutsche Kanzleramt will, der muss Europakompetenz besitzen.“

Für Begeisterung sorgte seine Aufforderung dazu, sich als SPD um die „hart arbeitenden Menschen in unserem Land zu kümmern, die den Wohlstand unseres Landes erarbeiten“. Die Partei müsse jede Überlegung mit der Frage beginnen, inwiefern die Maßnahme „das Leben der hart arbeitenden Menschen besser machen kann. Das ist es, was die Menschen von uns erwarten“, so Schulz unter dem Jubel seiner Zuhörer, die mit „Martin, Martin“-Sprechchören die Rede des designierten Parteivorsitzenden zweimal unterbrachen. Sich den Menschen auch emotional zu nähern und ihnen Respekt zu zollen – unabhängig von Abitur oder akademischen Titel – das sei Aufgabe der SPD und der Gesellschaft insgesamt, so Schulz weiter.

Reale grüßt die gefühlte Mehrheit

Mit direkten Attacken auf die politische Konkurrenz von CDU und CSU, die ihrerseits teils heftig gegen Schulz auskellte, hielt sich der SPD-Kanzlerkandidat zurück. Die Union sei „nicht mehr ganz beisammen“ war einer der wenigen Seitenhiebe, die Schulz in Richtung Koalitionspartner austeilte. Die zeitgleich im nur wenige Kilometer entfernten Passau tagende CSU kritisierte er dafür, mit Viktor Orbán ausgerechnet jenen Regierungschef eingeladen zu haben, der sich in der Flüchtlingspolitik hochgradig unsolidarisch mit den europäischen Mitgliedsstaaten gezeigt hatte. Dass die Bayern-SPD mit ihrem Politischen Aschermittwoch in Vilshofen in Bezug auf die Zuschauerzahlen den der CSU in Passau übertrumpfte, quittierte Schulz mit einem „Gruß der realen an die gefühlte Mehrheit“.

Vor Schulz hatte mit Christian Kern der österreichische Bundeskanzler das Festzelt auf Temperatur gebracht. Kern, der sich selbst als „Vorband für Martin Schulz“ bezeichnete, betonte die Gemeinsamkeiten beider Länder und die Parallelen zwischen SPÖ und SPD – auch mit Blick auf die Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen Kräften auf beiden Seiten der Grenze. Zum „Phänomen Martin Schulz“ sagte Kern: „Das ist kein Strohfeuer. Dieses Feuer wird weiter, heller und höher lodern.“ Auf die Bundestagswahl im September blickend formulierte Kern: „Schmidt, Schröder, Schulz, das hört sich irgendwie logisch an“ und prognostizierte: „Ab September werden Österreich und Deutschland einen roten Bundeskanzler haben.“

Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

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