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Palandt-Umbenennung: Erfolg eines Hamburger Sozialdemokraten

Bis heute trägt ein juristisches Standardwerk den Namen des NSDAP-Mitgliedes Otto Palandt. Jetzt wird es unbenannt. Die Initiative kam vom Hamburger Sozialdemokraten Janwillem van de Loo.
von Jonas Jordan · 30. Juli 2021
Der Hamburger Sozialdemokrat Janwillem van de Loo hat sich fünf Jahre lang für die Umbenennung des Palandts eingesetzt.
Der Hamburger Sozialdemokrat Janwillem van de Loo hat sich fünf Jahre lang für die Umbenennung des Palandts eingesetzt.

Otto Palandt war Nationalsozialist der ersten Stunde. Am 1. Mai 1933 trat der Jurist in die NSDAP ein. Trotzdem wurde er im Entnazifizierungsverfahren 1948 zunächst als Mitläufer, später als entlastet eingestuft. Drei Jahre danach starb der NS-Richter, der von 1934 bis 1943 Präsident des Reichsjustizprüfungsamtes war. Noch 70 Jahre später trägt eines der wichtigsten juristischen Standardwerke, der BGB-Kommentar des Beck-Verlages, seinen Namen. Das soll sich ab November ändern, wie der Verlag in dieser Woche bekanntgab. Eine Entscheidung, die nicht ohne öffentlichen Druck und die Initiative eines Hamburger Sozialdemokraten zustande gekommen wäre.

Initiative 2016 gegründet

Inspiriert durch den früheren hessischen Sozialdemokraten und Wegbereiter der Auschwitz-Prozesse Fritz Bauer engagierte sich Janwillem van de Loo während seines Jura-Studiums an der Universität Hamburg bei den kritischen Jurastudierenden. „Darüber habe ich viel über NS-Vergangenheiten mitbekommen. Daher war mir Palandt schon immer ein Begriff“, berichtet der Co-Sprecher des Arbeitskreises gegen Rechts der SPD Hamburg. 2016 gründete van de Loo dann die überparteiliche Initiative „Palandt umbenennen“, die sich zunächst ein Jahr lang intensiv mit Recherchen über den früheren Nazi befasste. 

2017 schrieb die Initative dem Beck-Verlag einen ausführlichen und vertraulichen Brief, in dem sie um die Umbenennung des BGB-Kommentars bat. „Der Verlag hat argumentiert, Palandt sei ja entnazifiziert worden. Im Übrigen sei das inzwischen nur noch ein Markenname, der mit der historischen Person nichts mehr zu tun habe. Zudem wäre es zu verwirrend, ihn umzubenennen“, erinnert sich van de Loo. Nach der ablehnenden Antwort ging die Initiative mit ihrer Forderung an die Öffentlichkeit. Unterstützt wurde sie in ihrem Anliegen schon früh von prominenten SPD-Politiker*innen. 

Prominente Unterstützung von Maas und Barley

Ende 2017 spach sich der damalige SPD-Justiz- und heutige Außenminister Heiko Maas für die Umbenennung aus, 2018 seine Nachfolgerin Katarina Barley und viele SPD-Bundestagsabgeordnete, wie zum Beispiel Metin Hakverdi aus Hamburg. Durch seine Vermittlung fand das Thema auch seinen Weg in den Rechtsausschuss des Bundestages, wo mit Ausnahme von FDP und AfD alle Fraktionen das Anliegen unterstützten. „Wir waren von Anfang an auf einen jahrelangen Prozess eingestellt, aber doch etwas überrascht, dass es so durch die Decke ging“, sagt van de Loo.

Die öffentliche Unterstützung sei letztlich auch der entscheidende Hebel gewesen, um den Verlag zum Umdenken zu bewegen, glaubt er: „Denn die zugrunde liegenden Fakten für die Umbenennung haben sich in all den Jahren nicht geändert. Der Verlag wusste immer, worum es geht. Das einzige, was sich verändert hat, ist die öffentliche Wahrnehmung des Ganzen.“ Zwischenzeitlich habe der Verlag seine Strategie noch einmal geändert: „Sie haben gesagt, es gibt diese historische Kontinuität. Otto Palandt war problematisch, auch wenn er entnazifiziert wurde, aber wir wollen mit kritischem Bewusstsein am Namen festhalten.“

Ein Kasten ist nicht genug

Der Verlag druckte fortan einen kleinen Kasten vorne in das Buch, um an Palandts Nazi-Vergangenheit zu erinnern. „Sie haben versucht, uns das als großartigen Erfolg unserer Initiative zu verkaufen, aber das sei doch wirklich genug und mehr könne man wirklich nicht machen. Wir haben ihnen dann zu verstehen gegeben, dass wir das nicht als ausreichend empfinden“, sagt van de Loo. Stattdessen kritisierte die Initiative diese Strategie des Verlages als „verkapptes Tätergedenken“ und hielt an der Forderung nach einer Umbenennung fest.

Der ist der Verlag nun in dieser Woche nachgekommen. Der „Palandt“ soll ab November unter seinem neuen Namen „Grünberg“ erscheinen, benannt nach einem Richter am Bundesgerichtshof. Auch alle anderen Werke, bei denen während der NS-Zeit aktive Jurist*innen als Autor*innen oder Herausgeber*innen genannt sind, werden künftig andere Namen erhalten. So soll der Loseblattkommentar zum Grundgesetz von Maunz/Dürig künftig den Namen Dürig/Herzog/Scholz tragen und die Gesetzessammlung Schönfelder vom Vorsitzenden der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentages Mathias Habersack herausgegeben werden.

„Erinnern, nicht vergessen!“

„Wenige haben an unseren Erfolg geglaubt, aber wir haben uns nie beirren lassen! Danke an die vielen so wunderbaren Mitstreiter*innen, es war mir eine Ehre, mit euch dieses klitze kleine Stück Rechtsgeschichte zu schreiben“, kommentiert van de Loo die Entscheidung des Verlages. Zugleich kritisiert er: „Das überfällige Ende der Nazi-Ehrung ist gut und der Verlag zu dieser Entscheidung zu beglückwünschen, aber die neuen Namen sollten den ursprünglichen, jüdisch-demokratischen Autoren gedenken, die von den Nazis verdrängt und ermordet wurden. Wir müssen erinnern, nicht vergessen, denn die Geschichte endet nicht.“ Auch deshalb wird sich die Initiative „Palandt umbenennen“ nicht auflösen, nachdem ihr namensgebendes Ziel erreicht ist, sondern weiterhin kritisch erinnern.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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