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Online-Konferenz mit Kevin Kühnert: Vier Säulen der Daseinsvorsorge

300 Genoss*innen haben am Donnerstagabend mit Kevin Kühnert in der vierten Online-Konferenz der SPD zum Thema „Daseinsvorsorge und lebenswerter Alltag“ diskutiert. Im Mittelpunkte stand dabei der soziale Wohnungsbau.
von Jonas Jordan · 27. November 2020
Protest gegen zu hohe Mietpreise in Berlin.
Protest gegen zu hohe Mietpreise in Berlin.

Vor einem halben Jahr ist Kevin Kühnert „Clusterverantwortlicher“ für den Bereich „Daseinsvorsorge und gelingender Alltag“ des SPD-Programms zur Bundestagswahl geworden. Nun freut er sich, zu diesen Themen mit SPD-Mitgliedern aus ganz Deutschland zu diskutieren. Denn Kühnert sagt: „SPD erneuern bedeutet auch mehr Beteiligung der Mitglieder. Da geht es zuerst um inhaltliche Fragen.“ Rund 300 Genoss*innen sind der Einladung des Parteivorstands gefolgt und sitzen am Donnerstagabend vor ihrem Bildschirm, um über vier Scherpunktthemen zu diskutieren.

Wohnungsbau

„Wohnen ist ein Menschenrecht. Wir wollen, dass dauerhaft niemand mehr als ein Drittel seines verfügbaren Einkommens für Mieten ausgeben muss“, betont Kühnert. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende weist zudem darauf hin, dass es zurzeit deutschlandweit lediglich 1,1 Millionen Sozialwohnungen gebe. Dem gegenüber stünden sechs Millionen Haushalte, die einen Anspruch auf eine sozial geförderte Wohnung besäßen. Als Konsequenz daraus fordert die SPD, pro Jahr mindestens 100.000 neue sozial geförderte Wohnungen in Deutschland zu bauen und die notwendigen Gelder dafür im Bundeshaushalt bereitzustellen.

Kühnert weist außerdem auf das Vermächtnis eines vor wenigen Monaten verstorbenen früheren SPD-Vorsitzenden hin: „Hans-Jochen Vogel hat uns ein ziemliches Brett hinterlassen.“ Gemeint ist die Bodenpolitik – ein Thema, mit dem sich Vogel jahrzehntelang beschäftigte. Kühnert erläutert in diesem Zusammenhang, dass viele Städte und Gemeinden nicht nur leere Kassen, sondern auch keinen Zugriff auf den Grund und Boden hätten. Daher gelte es, Kontrolle und Bezahlbarkeit zurückzuerobern, beispielsweise durch die geplante Bodenwertzuwachssteuer.

Auch fordert Kühnert, dass künftig bei Bauprojekten ein Drittel der Wohnungen sozial gefördert sein müssten, damit das Wohnen in den Innenstädten nicht nur reichen Menschen vorbehalten ist. Bundeseigene Grundstücke sollten zudem nicht mehr zwingend an Höchstbietende verkauft werden. Zudem sagt Kühnert: „Wir wollen einen bundesweiten Mietenstopp in angespannten Wohnlagen.“ Das kommt an bei den Genoss*innen. In einer Spontan-Umfrage nennen fast 40 Prozent den Bereich Wohnungsbau als ihr wichtigstes Thema an diesem Abend.

Mobilität

„Mobilität ist die Voraussetzung für die Teilhabe am Zusammenleben“, referiert Kühnert zu Beginn. Ein Mobilitätssystem, das nur dann Busse und Bahnen bereit stelle, wenn sich das rechne, sei zu wenig. Damit werde der ländliche Raum abgehängt, sagt der stellvertretende SPD-Vorsitzende und mahnt: „Vertrauen wir weiter darauf, dass der Markt ein Mobilitätsangebot schafft, werden wir die Verkehrswende verpassen.“ Auch weil der Verkehrssektor in Deutschland für ein Fünftel der Emissionen verantwortlich sei, schlägt er eine Mobilitätsgarantie vor. Gemeint ist ein solidarisches Finanzierungssystem, an dem sich alle – gestaffelt nach Einkommen, Wohnsituation und verfügbaren Verkehrsmitteln – beteiligen. Damit könne beispielsweise verhindert werden, dass Menschen wegen fehlender Bus- und Bahnverbindungen die Dörfer verlassen müssten.

Pflege- und Gesundheitsbereich

Eine Lehre aus der Corona-Pandemie sei, dass die Vorsoge gestärkt werden müsse, sagt Kühnert. Geld, das dafür vorgesehen ist, dürfe das Gesundheitssystem nicht verlassen. Er nimmt dabei vor allem zahlreiche private Marktteilnehmer in den Blick, die sich den Pflegebereich als Geschäftsmodell gesucht hätten. Kühnert fordert daher: „Wir müssen diejenigen aus dem Markt herausdrängen, denen es nur um Rendite geht. Es ist jetzt ein guter Moment, um in diese Konflikte reinzugehen.“ 

SPD-Mitglied Lukas Keller ist der Meinung: „Wir müssen uns davon verabschieden, dass öffentliche Daseinsvorsorge Gewinn erwirtschaften kann. Das ist sinnlos. Das müssen wir auch innerhalb unserer eigenen Partei stark machen.“ Malte Klar weist darauf hin, dass Krankenhäuser aus seiner Sicht nach einer Privatisierung häufig effizienter und proftabler wirtschafteten. Das Problem sei allerdings, dass die Gewinne anschließend ausgeschüttet würden. Er fordert, dass öffentliche Träger genauso gut wirtschaften müssten, mit dem Ergebnis, dass Überschüsse im Gesundheitssystem verblieben.

Kühnert antwortet, dass nicht die Trägerschaft von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtung allein entscheidend sei. Allerdings sei es „ein Wert an sich, wenn Überkapazitäten in einem gesunden Maß vorhanden sind“. Deutschland komme auch deswegen vergleichsweise gut durch die Corona-Pandemie, wohingegen die Bertelsmann-Stiftung noch vor eineinhalb Jahren gefordert habe, die Hälfte aller Krankenhäuser hierzulande zu schließen.

Ausbau der digitalen Infrastruktur

Eine Genossin erwähnt in ihrem Statement, dass 34 Prozent aller Schulkinder aus Hartz-IV-Familien keinen Zugang zum Internet hätten. Sie fragt, was man dagegen tun könne. Aus Kühnerts Sicht sei es zum einen generell nicht akzeptabel, dass es Haushalte ohne Internet gebe. Ein Internetanschluss sei für ihn ein Grundrecht, gleichzusetzen mit der Versorgung mit Wasser und Strom. Zum anderen müsse Deutschland beim Ausbau der digitalen Infrastruktur besser vorankommen. „Es ist zu wenig, was wir privaten Unternehmen bei der Vergabe von Aufträgen abverlangen“, so Kühnert.

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Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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