Olaf Scholz im Wahlkampf: „Bürgermeister von Deutschland“
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Als der Bus mit den Journalist*innen über die Elbbrücke fährt, leuchten die Augen von Olaf Scholz: „Für alle Nicht-Hamburger: Hier stehen ein paar Container“, grinst er und zeigt auf das große Hafenareal, auf dem sich massenhaft Container aus aller Welt stapeln. Ein deutliches Symbol für den immensen Güterumschlag, der dort stattfindet. Hamburg hat den drittgrößten Seehafen Europas, und Hamburg ist die Heimat des SPD-Kanzlerkandidaten. Hier ist er aufgewachsen, hier hat er vor allem als Erster Bürgermeister von 2011 bis 2018, aber auch als langjähriger Hamburger SPD-Vorsitzender und Innensenator die Geschicke der Stadt maßgeblich geprägt. Und hierhin hat der Kanzlerkandidat der SPD zum ersten Teil seiner Sommerreise am Donnerstag geladen.
Diese beginnt bei der Jugendberufsagentur in Hamburg-Harburg. Hier finden junge Menschen bis 25 Jahre ein niedrigschwelliges Angebot, das ihnen zielorientiert und ihren Bedürfnissen entsprechend einen Einstieg in das Ausbildungs- und Berufsleben ermöglicht. Die 2012 gegründete Jugendberufsagentur hat alle dafür notwendigen Einrichtungen unter einem Dach vereint und erleichtert es so den Jugendlichen und junge Erwachsenen, ihren beruflichen Weg zu finden.
Scholz: „Niemand soll verloren gehen“
Olaf Scholz hat das Projekt als Hamburger Bürgermeister angestoßen und vorangetrieben. Er wollte, dass möglichst alle jungen Männer und Frauen einen Ausbildungsplatz bekommen. „Niemand soll verloren gehen“, war und ist sein Credo. Denn, so sagte er damals: „Wir brauchen jede und jeden in der Mitte der Gesellschaft und als qualifizierte Fachkraft auf dem Arbeitsmarkt“.
Dass das niedrigschwellige Angebot der Jugendberufsagentur erfolgreich ist, zeigte sich schon schnell. Vor ihrer Gründung waren bis zu 2.000 junge Menschen zu Beginn eines Ausbildungsjahres ohne einen Ausbildungsplatz, nun bewegt sich diese Zahl nur noch im kleinen zweistelligen Bereich. In Harburg erzählt eine junge Frau, wie die Jugendberufsagentur ihr geholfen habe, trotz familiärer und finanzieller Probleme ihr Abitur zu machen und nun eine Ausbildung als Veranstaltungsfachfrau absolvieren zu können.
Ein Weg, der für Deutschland gut wäre
Ein junger Mann berichtet davon, wie er mit 14 Jahren nach Deutschland kam, Deutsch lernte, verschiedene Jobs, aber keinen Ausbildungsplatz fand, bevor er endlich dank der Agentur nun mit 21 Jahren als Altenpfleger ausgebildet wird – ein Beruf, der ihm „richtig Spaß macht“. Scholz ist mehr als stolz auf dieses Projekt: Es „bewegt mich sehr“, sagt er und dankt den Mitarbeiter*innen für den Elan, mit dem die Jugendarbeitsagentur auf den Weg gebracht wurde. „Das ist ein Weg, der auch für ganz Deutschland gut wäre“, betont der Kanzlerkandidat.
Neben einer deutlich besseren Förderung von jungen Berufseinsteiger*innen zählt zu den Erfolgen von Olaf Scholz auch eine klug gestaltete Wohnungsbaupolitik. Nach dem 2011 im Hamburger Bündnis für Wohnen beschlossenen „Drittelmix“ müssen Projekte ab 30 Wohneinheiten jeweils ein Drittel frei finanzierte Mietwohnungen, ein Drittel Eigentumswohnungen und ein Drittel geförderte Wohnungen vorweisen. Außerdem soll jährlich eine Mindestzahl an neuen Wohnungen genehmigt werden. Seit 2016 sind dies 10.000 pro Jahr.
Das Bauen klappt in Hamburg
Ein Beispiel für gelungenen und finanzierbaren Wohnungsbau ist das Pergolenviertel im Norden der Stadt: Auf einer Fläche von 27 Hektar werden seit 2016 in attraktiven Backsteingebäuden 1700 Wohnungen gebaut, 60 Prozent davon werden öffentlich gefördert. So entstehen neben Eigentumswohnungen viele bezahlbare klassische Mietwohnungen, aber auch Wohnungen für Studierende oder Pflege-Wohngemeinschaften.
Bei der Besichtigung des Projekts, an dem mehrere Wohnungsbaugesellschaften beteiligt sind, betont der Direktor des Verbands der norddeutschen Wohnungsunternehmen, Andreas Breitner: „Der Mann, der den Hamburger Wohnungsmarkt maßgeblich positiv beeinflusst hat, heißt Olaf Scholz.“ In Zahlen ausgedrückt bedeutet das: Seit 2011 sind in Hamburg mehr als 106.000 Wohneinheiten genehmigt worden, mehr als 25.000 sind öffentlich gefördert.
Industrie, Wohlstand und Klimaschutz zusammen möglich machen
Ein Thema, das Scholz ähnlich umtreibt wie die Jugendberufsförderung und der Wohnungsbau, ist das Erreichen der Klimaneutralität. Während der Sommerreise besucht er das Stahlwerk ArcelorMittal Hamburg GmbH. Dort werden Eisenerzpellets mit einem aus rund 60 Prozent Wasserstoff bestehenden Reduktionsgas statt mit Koks in Eisen umgewandelt. Zeitnahes Ziel ist eine fast CO2-freie Stahlproduktion.
Scholz macht bei dieser Gelegenheit erneut deutlich, dass es mit ihm kein Zaudern und Zögern in Sachen Klimaneutralität geben werde. Damit diese „zweite industrielle Revolution“ auch gelinge, müssten etwa auch das Baurecht geändert und Genehmigungs- und Beteiligungsverfahren beschleunigt werden, denn: „250 Jahre lang stützte sich unsere Industrie auf die Nutzung von fossiler Energie. Nun wollen wir innerhalb von nicht mal 25 Jahren komplett CO2-neutral werden.“ Verzicht zu predigen, helfe da aber nicht weiter. Vielmehr müsse Deutschland zeigen, dass Industrie, Wohlstand und Klimaschutz zusammen möglich seien. Dies hätte dann auch Vorbildfunktion für andere Länder.
Der Kandidat hat einen Plan
Scholz hat einen Plan: damals für Hamburg, heute für Deutschland. Als ihn ein kleiner Junge beim Rundgang durch das Pergolenviertel keck fragt: „Willst du Bürgermeister werden?“, lacht Scholz herzhaft und antwortet dann nach kurzem Nachdenken: „Ja, Bürgermeister von Deutschland!“
ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.