Olaf Scholz: Auf dem Weg zum nächsten Kanzler
Thomas Koehler/photothek.de
Es ist ein sonniger Montagnachmittag Anfang August. Nur eine leichte Brise weht über den Rostocker Hafen. Also macht er das Seil los, mit dem sein Boot festgebunden ist. Dann stutzt er. Ist er das? Der Mann legt seine rechte Hand an die Stirn und schaut noch einmal genauer. Tatsächlich! Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Schnell macht der Mann vom Boot aus noch ein Foto mit seinem Smartphone, während Scholz lächelnd am Ufer neben der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, steht.
Schwesig und Scholz: Zusammen viel vor
Im Stadtteil Marienehe besichtigen die beiden SPD-Spitzenleute, was aus dem früheren Fischereihafen geworden ist. Der Ocean Technology Campus (OTC) ist hier entstanden und bündelt Ideen aus Wissenschaft, Produktion und Dienstleistung im Bereich der Entwicklung und Nutzung von Unterwassertechnologien. Der OTC vereint somit im Grunde drei Themengebiete, die sowohl Schwesig als auch Scholz besonders am Herzen liegen: Soziales, Wirtschaft und Umwelt. Die Ministerpräsidentin ist zuversichtlich, dass beide am 26. September als Erste über die Ziellinie laufen. „Wir sind zusammen unterwegs und haben zusammen viel vor“, sagt sie.
Scholz wirkt trotz der Wahlkampfstrapazen gelassen, entspannt und gelöst – auch wenn Meinungsumfragen zu diesem Zeitpunkt bundesweit noch nicht berauschend sind. Er betont: „Es ist ganz, ganz wichtig, Gespräche vor Ort zu führen.“ Das tut er auch eine Woche darauf in Hamburg. Der Stadt, in der er sieben Jahre lang Erster Bürgermeister war und für die SPD sogar die absolute Mehrheit holte.
Passenderweise fragt ihn beim Rundgang durch das Pergolenviertel ein kleiner Junge ganz keck: „Willst du Bürgermeister werden?“ Scholz lacht herzhaft und antwortet nach kurzem Nachdenken: „Ja, Bürgermeister von Deutschland!“ Der SPD-Kanzlerkandidat hat einen Plan: Was damals in der Elbmetropole funktioniert hat, soll nun auch im Großen für ganz Deutschland klappen.
Für 400.000 neue Wohnungen
Im Pergolenviertel im Norden der Stadt zeigt er ein Beispiel für gelungenen und finanzierbaren Wohnungsbau. Auf einer Fläche von 27 Hektar werden seit 2016 in attraktiven Backsteingebäuden 1.700 Wohnungen gebaut, 60 Prozent davon werden öffentlich gefördert. So entstehen neben Eigentumswohnungen viele bezahlbare klassische Mietwohnungen, aber auch Wohnungen für Studierende oder Pflege-Wohngemeinschaften.
Bei der Besichtigung des Projekts, an dem mehrere Wohnungsbaugesellschaften beteiligt sind, betont der Direktor des Verbands der norddeutschen Wohnungsunternehmen Andreas Breitner: „Der Mann, der den Hamburger Wohnungsmarkt maßgeblich positiv beeinflusst hat, heißt Olaf Scholz.“ In Zahlen ausgedrückt bedeutet das: Seit 2011 sind in Hamburg mehr als 106.000 Wohneinheiten genehmigt worden, mehr als 25.000 sind öffentlich gefördert.
Deutschlandweit will Scholz als Kanzler dafür sorgen, dass künftig pro Jahr mindestens 400.000 neue Wohnungen gebaut werden, ein Viertel davon sollen sozial gefördert sein. „Das ist kein Hexenwerk. Man muss es nur anpacken“, sagt er Mitte August beim zentralen Wahlkampfauftakt der SPD in Bochum. Hier „in der Perle des Reviers“, wie der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans in Anlehnung an Herbert Grönemeyers Stadthymne sagt, ist die Sozialdemokratie traditionell stark.
Klingbeil: „Laschet in seinem Heimatland schlagen“
Und es ist kein Zufall, dass Auftakt und Schlusskundgebung des SPD-Wahlkampfes beide Male in Nordrhein-Westfalen über die Bühne gehen. „NRW ist die Herzkammer der Sozialdemokratie. Wir wollen Armin Laschet in seinem Heimatland schlagen“, kündigt Generalsekretär Lars Klingbeil bereits bei der Vorstellung der Kampagne für die heiße Wahlkampfphase an.
In Bochum begrüßen Scholz mehr als Tausend SPD-Anhänger bei strahlendem Sonnenschein mit großem Applaus. Er nennt die Herausforderungen der Zukunft, die in diesen 20er Jahren auf Deutschland zukommen: den Ausbau Erneuerbarer Energien, die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Zugleich macht er Mut.
Große Geschlossenheit und neues Zusammengehörigkeitsgefühl
Der SPD-Kanzlerkandidat glaubt an einen Wahlerfolg und daran, dass seine Partei die richtigen Antworten auf die drängendsten politischen Fragen hat. Das wird mit jeder Minute deutlicher. „Wir packen die Zukunft an. Mit uns wird sie gelingen“, sagt er und ruft die SPD dazu auf, in den verbleibenden Wochen des Wahlkampfes noch einmal alles zu geben: „Ich bin ganz berührt von den Umfragen. Wir wollen den Moment nutzen, um mehr daraus zu machen. Lasst uns gemeinsam dafür arbeiten, dass Deutschland seine Zukunft anpackt. Die SPD steht dafür bereit!“
Bereit steht am letzten Augustwochenende auch auf dem Berliner Bebelplatz eine Bühne für Scholz. Er hat es geschafft, dass seine Partei binnen eines Monats in Meinungsumfragen zunächst die Grünen überholt hat und inzwischen sogar an der Union vorbeigezogen ist. Die Stimmung könnte kaum besser sein. Viele Menschen sind zum Bebelplatz gekommen. Sie swingen mit zur Musik der Band „Lounge Society“. Manche tragen rote SPD-Fähnchen. Und als das Lied „We are family“ erklingt, ist es wie ein Hinweis auf das neue Zusammengehörigkeitsgefühl und die große Geschlossenheit der SPD in diesem Wahlkampf.
„Wir wollen Olaf als Kanzler“
Unter großem Jubel ruft die Berliner SPD-Vorsitzende Franziska Giffey: „Wir wollen Olaf als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland!“ Und dann kommt er! Scholz sagt: „Es ist schön, wie sich die Umfragen entwickeln. Es ist berührend, zu sehen, wie viele Bürgerinnen und Bürger mir zutrauen, der nächste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu sein.“ Das sei ein schweres Amt und deshalb sei das große Vertrauen in ihn „ein sehr bewegender Moment“. Großer, lang anhaltender Applaus für Scholz.
Zugleich mahnt er: „Wahltag ist am 26. September.“ Er bittet seine Partei, die verbleibende Zeit zu nutzen und mit vielen Wählern zu sprechen und sie zu überzeugen. Die SPD brauche einen Regierungsauftrag. „Wer will, dass der nächste Kanzler Olaf Scholz heißt, der muss sein Kreuz bei der SPD machen.“
node:vw-infobox
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo