Olaf Scholz am Aschermittwoch in Vilshofen: Anpacken statt posen
Sonja Herpich / Bayern SPD
Vor drei Jahren war Olaf Scholz schon mal in Vilshofen. Beim Politischen Aschermittwoch der BayernSPD sprach er vor mehreren hundert Gästen im rappelvollen Wolferstetter Keller. Eine Kapelle spielte Blasmusik. An den Tischen prosteten sich die Menschen mit Weißbier zu. In diesem Jahr gab es all das nicht. Der Politische Aschermittwoch der bayerischen SPD fand – zum ersten Mal in seiner mehr als 100-jährigen Geschichte – digital statt. Gesendet wurde dennoch von gewohnter Stelle aus dem Wolferstetter Keller.
Stammtischatmosphäre statt Bierzeltstimmung
„Kein Virus hält uns davon ab, nach Vilshofen zu kommen“, sagte der Generalsekretär der BayernSPD, Uli Grötsch. Statt Bierzeltstimmung herrschte an Mittwochvormittag eher Stammtischatmosphäre. Neben Kanzlerkandidat Olaf Scholz, der bayerischen SPD-Vorsitzenden Natascha Kohnen, dem Ersten Bürgermeister von Vilshofen Florian Gams und Grötsch war nur eine Hand voll Mitarbeiter*innen vor Ort. Der Politische Aschermittwoch fand in diesem Jahr in den Wohnzimmern der Genoss*innen statt, die unter dem Hashtag #bayDir kräftig Fotos und später auch Fragen an Scholz in den sozialen Medien posteten.
„Das Wichtigste ist, dass wir uns treffen“, sagte so auch ein kämpferischer Olaf Scholz zu Beginn seiner Aschermittwochsrede – und erinnerte daran, dass kurz vor dem Politischen Aschermittwoch im vergangenen Jahr gerade die ersten Corona-Fälle in Deutschland bekannt geworden waren. Was seitdem passiert ist, habe sich damals niemand vorstellen können. „Wir haben gegengehalten“, betonte Scholz mit Blick auf die diversen Maßnahmen der Bundesregierung. Und: „Europa hat zusammengehalten und einen anderen Kurs eingeschlagen als nach der Finanzkrise.“
Scholz: „Jetzt braucht es Leadership.“
Nun müsse es darum gehen, „so viel Impfstoff wie möglich zur Verfügung zu stellen“. In einigen Wochen werde es möglich sein, „Millionen von Bürgern pro Woche“ zu impfen, stellte Scholz in Aussicht. Dafür komme es allerdings darauf an, nicht nur zu reden, sondern auch zu handeln. „Wir haben Politiker, die die Pose wichtiger finden als die Tat“, kritisierte Scholz. Von Ankündigungen allein habe sich aber noch nie etwas verändert. „Jetzt braucht es Leadership“, so Scholz.
Wie das aussehen kann, umriss der SPD-Kanzlerkandidat bei der Vorstellung der vier „Zukunftsmissionen“, die der Parteivorstand bei seiner Jahresauftaktklausur beschlossen hatte. Neben einem klimaneutralen Wirtschaften Deutschlands bis 2050 gehöre eine moderne Mobilität, die Digitalisierung und eine vorausschauende Gesundheitsversorgung dazu. „Wir leben in einer Zeit, in der man die Zukunft wirklich anpacken muss“, betonte Scholz. Schöne Reden zu halten und bloß abzuwarten, was die Zukunft bringt, reiche nicht aus.
Kritik an Altmaier und den Grünen
Hart ins Gericht ging Olaf Scholz in Vilshofen mit dem Koalitionspartner. Zwar sei es nach langen Verhandlungen gelungen, eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf den Weg zu bringen, doch „die Rechnung, wieviel Strom wir in Zukunft eigentlich brauchen, ist nicht gemacht worden. Das war Absicht“, sagte Scholz in Richtung von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Und auch die Grünen bekamen ihr Fett weg: Der Vorstoß, den Bau von Einfamilienhäusern zu verbieten, sei „moralischer Rigorismus“.
Den privaten Olaf Scholz lernten die Zuschauer*innen des Livestreams im Anschluss im Gespräch mit der bayerischen SPD-Vorsitzenden Natascha Kohnen kennen. „Mit 17 bin ich in die SPD eingetreten, weil ich etwas für Gerechtigkeit tun wollte“, erzählte Scholz bei einem Glas Weißbier. Auch dass er gern rudert, joggt und wandert und bei Videokonferenzen auch mal Sportkleidung trägt, erfuhren die Zuschauer*innen, die über die sozialen Netzwerke auch selbst Fragen stellen konnten.
Was ihn denn auf die Palme bringe, wollte eine Nutzerin von Olaf Scholz wissen. „Am meisten, wenn Leute Dünkel haben. Dünkel kann ich nicht ab“, gab der Kanzlerkandidat unumwunden zu. Zum Schluss wollte Natascha Kohnen dann noch wissen, was er als Erstes machen wird, wenn er Bundeskanzler ist. Da musste Scholz nicht lange überlegen. „Eine der ersten Maßnahmen wird eine schnelle Erhöhung des Mindestlohns sein.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.