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Oberbürgermeisterwahl in Leipzig: Warum Burkhard Jung sieben weitere Jahre regieren will

14 Jahre als Leipziger Oberbürgermeister sind für Burkhard Jung noch nicht genug. Er will weitermachen und plant für die nächsten sieben Jahre unter anderem 10.000 Sozialwohnungen, 40 neue Schulen und ein 365-Euro-Ticket. In Umfragen für die Wahl am Sonntag liegt der SPD-Mann vorne.
von Jonas Jordan · 31. Januar 2020
Ein Sozialdemokrat mit Leidenschaft: Burkhard Jung will sieben weitere Jahre Leipziger Oberbürgermeister bleiben.
Ein Sozialdemokrat mit Leidenschaft: Burkhard Jung will sieben weitere Jahre Leipziger Oberbürgermeister bleiben.

„Hier im Stadtteil habe ich die besten Umfragewerte überhaupt“, sagt Burkhard Jung. Der 61-Jährige ist seit 14 Jahren Leipziger Oberbürgermeister. Und er hat Lust auf sieben weitere Jahre. Deswegen steht er an diesem Freitagnachmittag bei Temperaturen knapp über null Grad und strahlendem Sonnenschein im dunklen Wintermantel auf dem Lindenauer Marktplatz.

35 Prozent wollen Jung wählen

Mehr als 60 Prozent sind nach seinen Angaben im Stadtteil Lindenau, einem alten Arbeiterviertel im Westen Leipzigs, überzeugt von Jungs politischer Arbeit. Entsprechend positiv sind die Reaktionen der Bürger*innen an diesem Tag. Viel wünschen ihrem Oberbürgermeister Glück, kündigen an, ihn wählen zu wollen. „Haben Sie ein konkretes Anliegen?“, fragt Jung einen Lindenauer Ende 40. „Nein, ich wollte nur mal die Gelegenheit nutzen, Sie persönlich kennenzulernen“, antwortet dieser.

Die positive Resonanz war nur bedingt zu erwarten nach den mäßigen Ergebnissen bei Kommunal-, Landtags- und Europawahlen im vergangenen Jahr. Doch Jung weiß auch: „Die Menschen können sehr gut differenzieren.“ Bei Personenwahlen trete die Partei in den Hintergrund. Der Oberbürgermeister fügt an: „Man kennt mich. Man weiß, wo ich herkomme.“ Das zeigt auch eine Umfrage der Leipziger Volkszeitung, der zu Folge 35 Prozent der Wähler*innen im ersten Wahlgang für Jung stimmen würden.

Großstadt mit Wachstumsschmerzen

Derartige Umfragewerte sorgen auch für gute Stimmung bei den Genoss*innen. Benjamin Göhler, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Leipzig Alt-West mit circa 150 Mitgliedern, berichtet von Rückenwind und vielen motivierten Wahlkampfhelfer*innen. „Wir müssen noch schnell ein Foto machen“, ruft einer von ihnen Burkhard Jung zu, bevor dieser zum Anschlusstermin in Richtung Innenstadt weiter muss.

Auf dem Weg dorthin passiert Jung die Musikalische Komödie, kurz MuKo, ein Operetten- und Musicaltheater. „Das haben wir saniert. So etwas bringt Leben ins Viertel“, sagt Jung stolz. Doch eigentlich will er nicht darüber sprechen, was er seit 2006 als Oberbürgermeister erreicht hat, sondern was er für die kommenden sieben Jahre plant. Seit seinem Amtsantritt sind knapp 100.000 Einwohner*innen dazu gekommen. Jung spricht von Wachstumsschmerzen.

„Vielleicht sind wie die erste gesamtdeutsche Stadt“

Um die zu lindern, plant er in den nächsten Jahren 10.000 neue Sozialwohnungen, ein 365-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr und „10+5*6 neue Schulen“, wie der frühere Deutsch- und Religionslehrer mit einem Augenzwinkern sagt. Jung stammt ursprünglich aus dem Siegerland. 1991 wurde er als Schulleiter an das Evangelische Schulzentrum in Leipzig abgeordnet, um Aufbauhilfe zu leisten. Er blieb bis heute. „Ich habe inzwischen eine weitgehend ostdeutsche Perspektive, kenne aber auch die andere“, sagt er.

Der Oberbürgermeister, der seit Juni vergangenen Jahres auch Präsident des Deutschen Städtetages ist, sieht Leipzig als Musterbeispiel für andere Städte, was das Zusammenwachsen zwischen Ost und West angeht. „Vielleicht sind wir die erste gesamtdeutsche Stadt“, sagt Jung. Das liege auch daran, dass 60 Prozent der Einwohner*innen 1989 noch nicht in Leipzig gelebt hätten.

80 Stunden pro Woche für die Stadt ackern

Jung möchte Leipzig auch zum Vorreiter in Sachen Klimaschutz machen. Raus aus der Kohle, mehr Kühlung für die Stadt und möglichst bald CO2-neutral werden – in vielen Punkten ist er sich mit seinen Herausforderinnen von Grünen und Linken einig. Auch mit seinem ärgsten Konkurrenten, Sebastian Gemkow von der CDU, gibt es am Abend bei der Podiumsdiskussion von „Parents for future“ in der Alten Handelsbörse am Naschmarkt keine Streitpunkte beim Thema Klimaschutz. Denn Gemkow hat kurz vor Beginn der Veranstaltung abgesagt. Das sorgt für enttäuschtes Raunen bei den 200 Gästen im Saal.

Jung hat es mit einem kritischen, aber keinesfalls feindlichen Publikum zu tun. Auf die Frage, wieso er in Zeiten der Klimakrise nicht auf einen Dienstwagen verzichte, entgegnet er: „Ich brauche ihn als fahrendes Büro. Jeder, der was anderes erzählt, weiß nicht, was es bedeutet, 80 Stunden pro Woche für die Stadt zu arbeiten.“

Schirmherrschaft für 600.000 Bäume

Gegenüber einer Aktivistin, die Klima- und Bürgerräte fordert, präsentiert er sich als „glühender Anhänger der repräsentativen Demokratie“ und bekommt dafür Applaus. Jung baut keine Luftschlösser, sagt nur das zu, was realistisch ist und kann zumindest eine Sache ad hoc versprechen: Er will gerne als Oberbürgermeister die Schirmherrschaft für eine Initiative von „Omas for future“ zu übernehmen. Diese planen, 600.000 neue Bäume in Leipzig zu pflanzen. Für jede*n Bürger*in einen.

Update 3. Februar: Im ersten Wahlgang erhielt Burkhard Jung 29,8 Prozent der Stimmen, der CDU-Herausforderer Sebastian Gemkow 31.6 Prozent. Da keiner der Bewerber*innen eine absolute Mehrheit in der ersten Runde erreichen konnte, gibt es am Sonntag, 1. März, einen zweiten Wahlgang.

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Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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