Parteileben

Neuer SPD-Abgeordneter: Wie Justus Moor die eigene Partei überflügelte

Mit 45,1 Prozent der Stimmen holte Justus Moor am Sonntag für die SPD das Direktmandat im Wahlkreis Hamm I. Damit lag er fast zehn Punkte über dem Ergebnis der Partei im Wahlkreis. Wie hat er das geschafft?
von Kai Doering · 17. Mai 2022
Neu-Abgeordneter Justus Moor: Die Menschen, die sich für andere tagtäglich reinhängen, müssen sich wieder wahr- und ernstgenommen fühlen.
Neu-Abgeordneter Justus Moor: Die Menschen, die sich für andere tagtäglich reinhängen, müssen sich wieder wahr- und ernstgenommen fühlen.

Herzlichen Glückwunsch zum Direktmandat im Wahlkreis Hamm I! Mit 45,1 Prozent der Erststimmen haben Sie das Ergebnis der SPD im Wahlkreis von 35 Prozent deutlich übertroffen. Wie ist Ihnen das gelungen?

Das Ergebnis hat sicher viel damit zu tun, wie wir hier in Hamm Politik machen: nah bei den Menschen, richtig tief in den Quartieren und Bezirken und vor allem immer ansprechbar zu sein. Das hat sich nun offenbar erneut ausgezahlt, denn schon bei der Kommunalwahl vor zwei Jahren konnten wir in Hamm gegen den Landestrend dazugewinnen. Aber bevor ein falscher Eindruck entsteht: Wir haben auch kein Patentrezept. Ich finde, die gesamte Landespartei hat einen sehr engagierten Wahlkampf gemacht, der leider nicht das Ergebnis gebracht hat, das wir uns alle erhofft haben. Mein eigenes Ergebnis empfinde ich als Wertschätzung meiner, aber auch der Arbeit der gesamten Hammer SPD. Mit solch einem Mandat ausgestattet zu werden, ist eine Ehre, die auch demütig macht.

Sie sind Vorsitzender der SPD-Fraktion im Stadtrat. Hat das gute Abschneiden auch mit Ihrem kommunalpolitischen Engagement zu tun?

Ja, definitiv. Aber nicht nur mit meinem. Entscheidend war, wie wir uns als Hammer SPD aufgestellt haben und vor Ort Politik gestalten. Wir laden schon seit mehreren Jahren – leider unterbrochen von Corona – unter dem Titel „Hamm von morgen“ zu offenen Diskussionen ein, häufig auch mit gesellschaftlichen Gruppen wie etwa dem ADFC oder auch mit anderen Parteien. Mit den Bürgerinnen und Bürgern diskutieren wir da über Zukunftsthemen wie die Digitalisierung oder Mobilität und was sie konkret für Hamm bedeuten. Das kommt immer super an. Mindestens genauso wichtig ist es, die Sorgen und Probleme der Menschen vor Ort anzusprechen.

Wie sieht das konkret aus?

Jeder kann aufs Wahlplakat schreiben, „beste Bildung für alle“. Wir dagegen sagen: Wenn wir gewählt werden, werden wir genau diese Schule sanieren. Oder wir drehen es um und fragen die Menschen in Hamm, wo z.B. neue Lampen aufgestellt werden sollen, weil eine bestimmte Ecke nachts zu dunkel ist. Das macht für uns gute Politik aus.

Im Hamm lag die Wahlbeteiligung mit 51,1 Prozent nochmal unter der landesweiten mit 55,5 Prozent. Woran liegt das?

Immer mehr Menschen haben das Gefühl, dass sich ihre Situation nicht verbessert, egal, was sie tun, ob sie wählen gehen oder nicht. Ich habe ja Erziehungswissenschaften studiert und merke das ganz konkret, wenn ich mit Erzieherinnen und Erziehern spreche. Dasselbe gilt für Pflegekräfte. Sie alle merken, dass sie auf den Kollaps zufahren, ohne, dass jemand das Steuer herumreißt. Das frustriert sie aus nachvollziehbaren Gründen. Als SPD müssen wir an ihrer Seite stehen und ihnen das Leben leichter machten. Dabei geht es gar nicht unbedingt nur um mehr Gehalt, sondern darum, dafür zu sorgen, dass es genug Erzieherinnen und Erzieher in der Kita gibt oder genug Pflegepersonal im Krankenhaus oder Seniorenheim. Die Menschen, die sich für andere tagtäglich reinhängen, müssen sich wieder wahr- und ernstgenommen fühlen. Ansonsten wird das ein riesiges Problem für unsere Demokratie.

Vor der Wahl haben Sie angekündigt, vor allem die Interessen von Hamm in den Landtag bringen zu wollen. An was denken Sie dabei konkret?

Ich bin da stark geprägt von meinen persönlichen Erfahrungen. Meine Mutter war Intensivkrankenschwester. Mein Vater leitet ein Altenheim. Ich selbst bin Pädagoge und habe bis letzte Woche in der Jugendhilfe gearbeitet. Für die Menschen, die in diesen Bereichen arbeiten, will ich mich besonders einsetzen. Die Bildungspolitik liegt mir dabei besonders am Herzen: mehr Lehrkräfte, multiprofessionelle Teams in den Schulen, kleinere Klassen und – ganz wichtig – mehr Wertschätzung für die Arbeit der Menschen. Das alles sind meine Anliegen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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